Seit Sonntag schlägt auch in Erlangen Europas Herz. Unsere Autorin Carla hat sich beim ersten Erlanger Pulse of Europe umgesehen.

“Man braucht kein Feindbild, um für etwas zu sein. Deswegen sind wir auch nicht gegen etwas, sondern wir stehen für Frieden, für Europa, durchaus auch kritisch. Aber es braucht kein Feindbild, um eine eigene Identität zu schaffen.” Das betont Simon Maierhofer immer wieder. Er und Fabian Schmidmeier haben die erste “Pulse of Europe”-Demo in Erlangen am Sonntag (9. April 2017) organisiert.

 

Simon studiert Soziologie und Buchwissenschaft in Erlangen. Und er wollte, dass auch in Erlangen für Europa demonstriert wird, obwohl es schon in Nürnberg Demos gibt – und er eigentlich Nürnberger ist: Es sei besonders wichtig, dass auch in kleineren Städten demonstriert werde, außerdem kämen dann insgesamt sicher mehr Leute. Wenn in benachbarten Städten gleichzeitig für die gleiche Sache demonstriert wird, zeige das außerdem, wie viele Leute dahinter ständen.

Fabian ist seit kurzem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Orientalistik. Er hat von den “Pulse of Europe”-Demos in Tunesien mitbekommen und sofort beschlossen, das auch nach Erlangen zu holen, sobald er wieder im Lande ist. Er ist jetzt seit knapp einem Monat wieder da. Nicht das erste Mal, dass Fabian etwas in Erlangen auf die Beine stellt: Er hat auch schon das Café Abraham mitgegründet.

Fabian Schmidmeier möchte den Populisten zeigen, dass sie nicht die “schweigende Mehrheit” sind. Die “schweigende Mehrheit”, die sei für Europa und für Freiheit und fühle sich als Europäer. “Ich will die europäischen Kräfte bündeln und auf die Straße bringen. Man sollte nicht immer passiv sein, es lohnt sich, aktiv zu sein und sich für etwas einzusetzen.”

Wenn man mit Simon über die Europa-Bewegung redet, philosophiert er drauf los: “Mir gefällt der Name ‘Pulse of Europe’ mit dem Herzschlag, das Herz schlägt ja auch von innen heraus, es schlägt einfach, es braucht keinen Gegenspieler. Das funktioniert einfach.”  Simon ärgert es, dass Rechtspopulisten “die – oft berechtigten – sozialen Ängste mancher ausnutzen, um ein Feindbild auszubauen, das im Moment leider meist ‘die Flüchtlinge’ beziehungsweise ‘die Muslime’ sind.” Simon ist selbst zum Islam konvertiert. Lösungen, zum Beispiel mehr soziale Gerechtigkeit, müssten ganz anders gefunden werden: Und zwar auf EU-Ebene. Das sagt er im persönlichen Gespräch und das sei so auch nur seine eigene politische Meinung.

Pulse of Europe versteht sich nämlich generell als unabhängig von politischen Parteien. Gegründet wurde die Bewegung von einem Frankfurter Rechtsanwälte-Paar, das vor dem Hintergrund von Brexit und Trump aktiv werden wollte, um Wahlsiege von Populisten bei den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland zu verhindern.

Auch Simon findet, dass man in Trump, AfD und dem, was gerade in der Türkei passiert, ein Signal sehen sollte. “Dass man jetzt aktiv sein muss. Nicht passiv politisch, nicht überdrüssig, sondern der Politik aktiv Signale senden.” Und: “Man hat kein Bewusstsein mehr, was Frieden eigentlich bedeutet.”

 

Gleichzeitig Franke und Europäer

Zu Beginn der Demonstration steht mit den beiden Initiatoren auch Bürgermeisterin Elisabeth Preuß auf der “Bühne” (dem Sockel des Markgrafendenkmals). Mindestens 130 Leute, schätzen die Veranstalter, schwitzen zu der Zeit auf dem Schlossplatz in der Mittagssonne. Preuß lässt von Oberbürgermeister Florian Janik grüßen, der gerade auf dem Weg in die Partnerstadt Wladimir ist. Passend dazu hebt sie als einen der wichtigsten Vorteile der EU die vielen Kultur- und Jugendaustausche, beispielsweise in Form von Erasmus, hervor. Sie freue sich, dass jetzt auch Bürger in Erlangen die Initiative ergriffen haben und für ein gemeinsames Europa und Freiheit demonstrieren. Und sie stellt fest: “Wir können Franken sein, die in Deutschland wohnen. Und gleichzeitig sind wir Europäer”. Identität braucht keine Abgrenzung, so die Message der Redner.

Ein Mann spricht ins Mikro: “Ich bin 1944 geboren, da war noch Krieg. Die Jahrzehnte Frieden wissen viele gar nicht mehr zu schätzen”. Eine Frau erzählt, sie wohne jetzt seit über 10 Jahren in Erlangen. “Ich bin Schottin. Die große Mehrheit der Schotten möchte in der EU bleiben! Bitte lasst uns nicht im Stich!”

Dass Pulse of Europe jetzt auch in Erlangen stattfindet, ist Simon noch aus anderen Gründen wichtig. Erlangen sei eine Studentenstadt mit sehr vielen internationalen Studierenden. Und aus einem ganz anderen Grund sei es so bedeutend, “dass hier heute vor allem viele Studenten demonstrieren und für Freiheit, besonders die Pressefreiheit auf die Straße gehen”: Genau an dieser Stelle – eine Gedenktafel ist im Pflaster vor der Markgrafenstatue eingearbeitet – waren Erlanger Burschenschaften unter den ersten, die 1933 jubelnd Bücher verbrannt haben. “Sie haben die Intellektualität begraben!”

Pulse of Europe findet in zahlreichen deutschen und europäischen Städten jeden Sonntag um 14 Uhr statt. Von nun an auch in Erlangen. Eine Ausnahme bildet der kommende Ostersonntag. Simon und Fabian suchen noch Helfer, die bei der Organisation (zum Beispiel Flyer verteilen) mithelfen.

 

von Carla Ober

 

Fotos: Carla Ober