Was vermisst eine Deutsche im Ausland wohl am meisten? Freunde? Familie? Nein. Käsebrot!

 

Ich habe schon lange nichts mehr von mir hören lassen. Das liegt zum Teil daran, dass ich viel unterwegs oder auf der Arbeit bin, zum Teil am schlechten Internet, das wohl auch den vielen sintflutartigen Monsunen der letzten Wochen geschuldet ist.

Der wohl wichtigste Grund für die lange Stille ist jedoch schlicht, dass ich nicht weiß, worüber ich schreiben soll. Das mag nach einer Ausrede klingen, sorgte bei mir jedoch tatsächlich für eine lange Schreibblockade. Denn obwohl ich viel erlebe und einiges gesehen habe, worüber es sich zu schreiben lohnt, hatte ich doch nur lauter lose Enden und keine Ahnung, wie ich sie zusammenfügen sollte:

Wie kann man (ein zweites Mal) den Alltag dieser Stadt oder die Eigenheiten dieses Landes beschreiben, ohne es zu exotisieren? Wie kann man von sehenswerten Orten schreiben, ohne wie ein unreflektierter Reiseführer zu klingen? Wie kann man von den jüngsten Attentaten berichten, ohne das Bild einer gefährlichen und unsicheren Stadt zu zeichnen?

 

Mit derartigen Gedanken beschäftigt sitze ich nun also in meinem Zimmer und beschließe, mich einem weniger verfänglichen Thema zu widmen: Käsebrot.

Neulich, beim Einkaufen: „One Kraftkornbrot please!“. Das Kraftkornbrot wird in Scheiben geschnitten und kostet nur 30 000 Rupiah, weil es schon nach 8 PM ist. Inneres Feuerwerk. Wenn man den Bäcker verlässt, kommt man automatisch am Paulaner-Brauhaus vorbei. Immer vorbei, nie rein, weil teuer. Wir nehmen dankbar den Aufzug, weil wir nach drei Stunden in der Mall zu schwach für den Gang bis zur Rolltreppe sind. Im Supermarkt im Untergeschoss kann ich schließlich nicht mehr an mich halten und kaufe Butter, 5 Päckchen à 10 Gramm, die Gier hat über den Geiz gesiegt. Dazu: Cheddar. Aber nicht in Scheiben geschnitten als Schmelzkäse, sondern im Ganzen. So viel Luxus gönnt man sich noch. Alle anderen Käsesorten sind leider astronomisch teuer, für das Konzept von Käse muss also der Cheddar genügen.

Nach (damals noch) zwei Monaten voller Reis, Tempeh und Sambal meldet sich schließlich eine penetrante Stimme in mir, die pedantisch ihr Käsebrot verlangt. Zu Hause, als ich mir schon beim Öffnen der Brottüte ziemlich feierlich vorkomme, fühle ich mich plötzlich sehr deutsch.

Dabei bin ich eigentlich nie sonderlich auf Brot abgefahren. Jetzt, in Indonesien, wenn andere beginnen würden, Freunde, Familie oder das gemäßigte Klima zu vermissen, will ich Brot. Nicht nur, weil ich sehr viel für indonesisches Essen übrig habe, sondern auch, weil ich mir irgendwie spießig vorkomme, wenn ich um kurz nach 20 Uhr im deutschen Bäcker stehe und nach meinem Lieblingsbrot Ausschau halte, hatte ich zunächst Schwierigkeiten mir einzugestehen, dass ich es offenbar keine drei Monate im Ausland ohne Brot aushalte.

 

Allerdings wird spätestens dann, wenn man Kollegen beim Bäcker trifft und ein angeregtes Gespräch über Brotsorten beginnt, klar, dass man nicht die Einzige ist, der es so geht. Und dass es auch ok ist.

Da, wie ich mittlerweile weiß, der deutsche Bäcker einer dieser Orte ist, an denen deutsche Expats zwangsläufig immer wieder aufeinander treffen, erscheinen in meinem Kopf Fragen wie kleine Pop-Up-Fenster: Wie wichtig ist den Deutschen Brot und welchen Wert hat es für ein Wir-Gefühl? Hat vielleicht irgendein Soziologe sich bereits mit dem Thema „Schwarz- und Graubrot als identitätsstiftendes Merkmal auf nationaler Ebene“ beschäftigt? Gibt es vielleicht sogar eine Abschlussarbeit mit diesem Titel? Hat Thomas de Maizière in seinen Leitkultur-Vorstellungen auch nur einmal an Brot gedacht? Weiß Helge Schneider womöglich mehr als wir ahnten? Und was sagt überhaupt Bernd das Brot dazu?

Da diese Fragen mir Kopfweh bereiten, höre ich schließlich auf, mich mit ihnen zu beschäftigen und esse lieber Käsebrot. Derweil haben wieder drei Muezzins begonnen, gegeneinander anzuschreien, im Zimmer neben mir läuft Justin Bieber.

Morgen werden wir wieder frittierte Teigtaschen mit Nudeln und süße Reiskuchen bei einem lokalen Warung frühstücken. Dann beginnt der Ramadan. Bis zum Fastenbrechen ist es noch fast ein Monat. Ich habe die leise Vorahnung, dass das Käsebrot mehr als einmal zu meiner Rettung eilen wird.

 

 

von Hannah Schabert