Unter den Studierenden verbreitet sich die Kunde über ein Phänomen, das sich (angeblich) in unseren Mensen abspielt: Das Bändern. Ich nehme euch heute mit auf eine Spurensuche!

 

Die Kinder in Afrika. Wer kennt sie nicht? Wir alle haben doch in jungen Jahren wieder und wieder die Aufforderung erhalten, unseren Teller leer zu essen, weil Kinder anderswo verhungern. Die Logik war immer schon fraglich, der Hintergedanke aber zweifellos richtig: Wir schmeißen viel zu viel Essen weg. Wie gut, dass es Studenten gibt, die sich zwischen Vorlesung und Hausarbeit eine Lösung für das Problem ausgedacht haben. Oder gibt es die gar nicht?

Das vermeintliche Phänomen: Bändern. Also Teller mit Resten vom Tablettband nehmen, die Andere in der Mensa weggestellt haben. Das ZDF hat einen Beitrag darüber gedreht, der Spiegel hat berichtet, auch im Freiburger Magazin fudder (wie passend) findet sich ein Artikel. Überhaupt scheint Freiburg eine Bänderhochburg zu sein, bis zu 50 Aktive gibt es dort angeblich. Sie verspeisen, was ihre Kommilitonen nicht mehr wollten: Den Beilagensalat, ein Häufchen Nudeln, vielleicht auch mal ein Dessert. Und in Erlangen?

Nachfrage in der Facebook-Gruppe, in der sich die Erlanger Foodsharer organisieren. Keiner hier hat das Bändern bislang ausprobiert, viele noch nie etwas davon gehört, manche aber auch besagte Medienberichte gelesen. Es findet sich niemand, der mal Probebändern würde. Kann doch gar nicht sein. Doch auch eine vergleichende Stichprobe in der riesigen Münchner Foodsharing-Community zeichnet das gleiche Bild. Also selber mal live vor Ort nachschauen.

 

Ein Phänomen, das es vielleicht gar nicht gibt

Man muss schon viel Mut haben, um überhaupt einmal in Sichtweite des Tablettbands der Mensa am Langemarckplatz zu kommen. Eine Mitarbeiterin wacht mit Argusaugen über die korrekte Ablage von Besteck und das Wegwerfen der Servietten. Nicht gerade optimale Bänderbedingungen, auch wenn das Ganze ja eigentlich nicht illegal ist. Aber ständig steht das Band still, einmal schraubt ein Techniker an irgendetwas in der Decke herum, dann läuft es wieder eine Zeit lang. Das größte „Problem“ für willige Essensretter ist aber ein anderes: Es landen kaum Lebensmittelreste auf dem Band. Während einer ganzen Stunde Beobachtung steht dort nur einmal eine kleine Portion Reis. Magere Beute, die lange auf sich warten ließ. Doch wen wundert’s, bei 30 Grad und Sonnenschein draußen müssen die Studenten ja fleißig aufgegessen haben.

Vielleicht sieht man auch deswegen keine Bänderer am Langemarckplatz. Wobei ein einsamer Student auffällt, der augenscheinlich telefonierend verdächtig nah am Tablettband auf und ab läuft. Was er wohl im Schilde führt? Eigentlich die perfekte Taktik, um die weggestellten Teller beobachten und im Falle des Falles schnell zugreifen zu können. Doch weit gefehlt, er lässt sogar den Reis stehen. Und verschwindet irgendwann, ohne sich am Band bedient zu haben.

 

Gefährlich oder nicht?

Ein Anruf beim Studentenwerk. Man habe über 200 Mitarbeiter, aber kein einziger habe jemals von einem Bändervorfall berichtet. Prinzipiell äußert der Sprecher auch sogleich hygienische Bedenken und bietet an, einmal weiter zu recherchieren. Nach einigen Tagen kommt per Mail die gute Nachricht: Das Studentenwerk würde Bändern nicht generell verbieten. Allerdings dürften die Arbeitsabläufe in den Mensen sowie andere Esser und das Personal nicht gestört werden. Übriggebliebene Lebensmittel würden übrigens nicht einfach weggeschmissen, sondern der Biogas-Produktion zugeführt. Ein Bedarf fürs Bändern bestehe also gar nicht. Und, noch einmal der Hinweis: Hygienisch sei das ganze eher nicht.

Wie gefährlich ist Bändern denn nun? Anruf bei einem Professor für Mikrobiologie. Zwar hört er von der ganzen Sache zum ersten Mal, doch er ist überzeugt: eine Ansteckung mit Mikroben des Vor-Essers ist auf jeden Fall möglich, selbst wenn man frisches Besteck benutzt. Es sieht nicht gut aus für die Erlanger Bänderkultur. Erst wird das Band bewacht, dann liegt kaum etwas darauf, und nun auch noch das Risiko einer Grippe? Man kann nur hoffen, dass die Mensa-Gänger ihre eigenen Teller weiterhin so fleißig leer essen. Dann würde weniger Essen zu Biogas, und das Wetter wäre auch wieder besser. Ganz bestimmt.

 

von Julia Weller