In den Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September veröffentlichen wir regelmäßig Beiträge zum Wahlkampf. Unsere Interviewreihe “Warum wählst du…?”, in der wir Studierende an der Uni Erlangen-Nürnberg nach ihren Parteipräferenzen fragen, neigt sich langsam dem Ende zu. Heute erklärt Tim, warum er bei der Bundestagswahl die CSU wählt. Die Aussagen der Interviewpartner stellen deren politische Meinung und natürlich nicht die Meinung der Redaktion dar.

 

V: Warum wählst du die CSU? Was hat dich überzeugt?

Ich glaube, dass die Union die einzige Partei ist, die auf die drängenden Fragen der Zeit nüchterne, ideologiefreie und sachliche Antworten findet. Ich denke auch, dass es Deutschland im Moment sehr gut geht und dass man durch die Wahl der Union daran anknüpfen kann.

 

V: An wen richtet sich die CSU?

Im Gegensatz zu anderen Parteien an die ganze Gesellschaft, nicht etwa an bestimmte soziale Milieus. Das ist auch das, was die CSU so stark macht, dass wir bis in jeden Ort hinein organisiert und dadurch sehr nah an den Leuten dran sind.

 

V: Bist du in der CSU Mitglied?

Ja. Ich bin in der CSU und der Jungen Union (JU) Mitglied, bin aber zur Zeit nur beim RCDS (Unionsnahe Hochschulgruppe) aktiv. In der CSU und der JU bin ich seit Ende 2015 Mitglied, im RCDS seit Februar 2016.

 

V: Wen findest du in der CSU am sympathischsten? Wen am wenigsten? Und warum?

Bei mir persönlich ganz vorne dabei ist Ministerpräsident Horst Seehofer und natürlich unser bayerischer Innenminister aus Erlangen, Joachim Herrmann, der hoffentlich im nächsten Bundeskabinett vertreten sein wird.

Am wenigsten sympathisch? Da fällt mir spontan Peter Gauweiler ein, unter anderem seine Äußerungen zur deutschen Außenpolitik, insbesondere der gegenüber Russland. Er erinnert in weiten Teilen an die Einstellung vom linken SPD-Flügel und den Linken.

 

V: Was stört dich an deiner Partei?

Was gerade schon angeklungen ist, nämlich der in Teilen vorhandene zu russlandfreundliche Kurs. Da würde ich mir wünschen, dass wir da mehr auf einer Linie sind mit unserer Schwesterpartei im Bund.

 

V: Welche andere Partei findest du gut, welche nicht gut und wieso?

Die größten Überschneidungen haben wir sicherlich mit der FDP. Das hängt einfach zusammen mit dem Menschenbild, für das die Parteien stehen: Dass man davon ausgeht, dass man keinen Nannystaat braucht, der einem auf die Finger schaut. Ich denke aber auch, dass wir mit den Grünen in gewissen Punkten Übereinstimmungen haben. Nicht so sehr, was Gesellschaftspolitik angeht. Aber im Bereich der Außenpolitik könnte ich mir schon vorstellen, dass gerade, wenn Leute wie Cem Özdemir oder Winfried Kretschmann mehr Einfluss auf die Partei hätten, es da viele Punkte gäbe, wo man sich vielleicht in der Mitte treffen könnte. Nichts anfangen kann ich vor allem mit der AfD, besonders seit dem Erfolg des Höcke-Flügels ist sie völkisch-nationalistisch mit Kontakten in Kreise, die vom Verfassungsschutz überwacht werden und nicht für das stehen, was Deutschland ausmacht. Auf der anderen Seite lehne ich die Linke ab, weil in dieser Partei die Judenfeindlichkeit in weiten Teilen zum guten Ton gehört, weil sie die deutsche Außenpolitik gen Russland ausrichten möchte und absurde Forderungen hat, wie aus der NATO auszutreten.

 

V: Über den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer hast du jetzt schon geredet. Auch, wenn man hier die CDU nicht wählen kann möchte ich die dennoch fragen: Wie findest du Angela Merkel?

Ich sehe gerade in der nüchternen, sachlichen Art, die man ihr oft ankreidet, einen Vorteil unserer Bundeskanzlerin. Sie hat einfach durch ihre Erfahrung und die lange Amtszeit auch international ein Gewicht, das Deutschland gut tut. Ich denke auch, dass gerade der Gegensatz Merkel vs. Seehofer, die sich ja nicht immer einig sind, eigentlich das ist, was die Union ausmacht.

 

V: Wie meinst du das?

Naja, es gibt immer wieder Impulse aus Bayern. Das wird in den Medien immer ausgeschlachtet als Motiv der streitenden Schwesterparteien. Dabei übersieht man wissentlich, dass es viel mehr Einendes als Trennendes gibt. Ich denke, dass diese Impulse aus Bayern der BRD noch nie geschadet haben.

 

V: Bist du eher der “Merkel die Flüchtlingskanzlerin”-Fan oder Obergrenzen-Befürworter?

Ich denke, dass gerade aus diesem Gegensatz etwas sehr Konstruktives entstanden ist. Ich bin jetzt auch nicht der Meinung, dass die Obergrenze demnächst in Bundesgesetz gegossen werden könnte. Aber gerade durch die Töne aus Bayern ist es jetzt schon so, dass sich die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die 2015 völlig richtig war, geändert hat.

 

V: Glaubst du an eine deutsche Leitkultur, wie sie die CSU im bayerischen Gesetz verankert hat?

Ich habe das Gesetz Ende 2016, als es beschlossen wurde, mal durchgelesen und konnte die Aufregung nicht verstehen. Es ging primär um die Integration durch Sprache und ich denke, dass wir uns als Deutschland darüber im Klaren sein müssen, was wir von den Leuten, die zu uns kommen, erwarten. Es ist natürlich nicht verfassungswidrig, einer Frau den Handschlag zu verweigern. Aber dem wollen wir natürlich entgegen wirken und dazu ist dieses Instrument des Integrationsgesetzes gedacht – auch wenn viel aufgegriffen wird, das auch in der Verfassung steht.

 

V: Damit hast du die Frage, was du von dem Begriff oder Konzept “Leitkultur” hältst, noch nicht ganz beantwortet.

Ich denke, dass die deutsche Leitkultur mehr ist als nur verfassungskonformes Staatsbürgerverhalten. Es geht um westliche Werte wie die Gleichstellung von Mann und Frau, Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Homosexuellen, und um die Deutsche Sprache. Diese sind unbedingte Voraussetzung für ein gelingendes Zusammenleben in Deutschland. Das sagt das Integrationsgesetz.

 

V: Was ist für dich typisch Deutsch? Oder typisch Bayerisch?

Typisch Bayerisch ist für mich das Prinzip “leben und leben lassen”. Eine gewisse Nüchternheit und Gelassenheit auch gegenüber dem Politischen.

 

V: Und typisch Deutsch? Du hast eben für die “deutsche Leitkultur” außer der Sprache, die wir mit Österreich und Teilen der Schweiz, Italiens und anderer Länder teilen, “westliche Werte” genannt.

Wenn du auf das Integrationsgesetz zurück kommen willst: Es geht nicht darum, dass die Leute, die kommen, Schweinebraten und Knödel essen müssen, aber um unsere Identität als christlich und jüdisch geprägtes Land. Da müsste man eher die Frage stellen, was ist typisch westlich, und nicht, was ist typisch deutsch.

 

V: Du kommst zwar ursprünglich aus der Oberpfalz, aber mich als waschechte Erlangerin interessiert das jetzt schon: Wie findest du es, dass der Erlanger Joachim Herrmann in Anwesenheit von Angela Merkel mehr Bayern in Berlin fordert (geschehen bei Merkels Wahlkampfbesuch vor dem Rathaus in Erlangen am 30. August 2017)?

Das ist schon das, wofür der ganze Bayernplan [Wahlprogramm der CSU, Anm. d. Red.] steht. Es ist nunmal so, dass Bayern in vielen Sachen Spitzenreiter ist und es wird natürlich Wahlkampf gemacht mit diesem Motiv. Das betrifft zum Beispiel die innere Sicherheit und die Bildung.

 

V: Bei bereits erwähnter Rede Herrmanns haben einige ein Trinkspiel gemacht: Einen Schluck für jede Verwendung des Wortes “Sicherheit” und das Bier war ziemlich schnell leer. Der CSU-Wahlwerbespot gipfelt ebenfalls in einem Ruf nach mehr Sicherheit und einem starken Staat. Ist dir mehr Sicherheit wichtig?

Sicherheit ist nicht nur mir wichtig, sondern das zeigt jede Umfrage, dass momentan das Thema Sicherheit, die Angst vor Einbruchskriminalität und Terrorismus die zentrale Sorge der Deutschen ist. Nicht etwa das Thema soziale Gerechtigkeit, woran sich die SPD so gerne aufhängt. Um der Frage zuvorzukommen: man braucht natürlich einen Ausgleich zwischen Sicherheit und Freiheit. Aber – so abgedroschen diese Phrase klingen mag – man braucht für Freiheit auch ein gewisses Maß an Sicherheit.

 

V: Gerade weil du wie ich Politikwissenschaftler bist, frage ich dich: Findest du die Aussage berechtigt, dass eine so starke absolute Mehrheit, wie sie die CSU aktuell im bayerischen Landtag innehat (101/180 Sitzen) oder eine große Koalition gegenüber zwei kleinen Oppositionsparteien im Bundestag gefährlich oder jedenfalls nachteilig für die Demokratie sind?

Das würde ich jetzt für den Bund beantworten: Ich denke tatsächlich, dass es ein riesen Problem ist, dass die beiden großen Parteien in der Regierung sind. Das merkt man jetzt auch daran, wie die SPD schizophrene Züge annimmt und kritisiert, was sie über Jahre hinweg als Regierungspartei mitgetragen hat. Ich will keine Große Koalition mehr nach der Bundestagswahl und denke, dass es der SPD sehr gut tun wird, wenn sie mal wieder zu sich selbst findet in mindestens 4 Jahren Opposition.

 

V: Welche Koalition wünschst du dir dann?

Wie wahrscheinlich jeder CSUler hoffe ich, dass es für schwarz-gelb reicht. Aber wie schon gesagt, meine oberste Priorität ist, dass es keine GroKo mehr wird. Dann würde ich auch sagen, dass man sich auch mal mit den Grünen zusammen setzen sollte und sehen, was sie für Ideen und Vorstellungen haben, um dann vielleicht mit einem Jamaica-Bündnis zu regieren.

 

V: Was hältst du von der “Ehe für alle” und dass große Teile der Union gegen sie gestimmt haben? Toleranz gegenüber Homosexuellen hast du oben von selbst als Beispiel für wichtige Werte genannt.

Es gab in der Bevölkerung und im Bundestag eine große Mehrheit dafür.

 

V: Ja: Von allen anderen Fraktionen und kleinen Teilen der Union.

Ich persönlich glaube nicht, dass es unbedingt die Definition von Gleichberechtigung ist, ein juristisches Konzept, das für die Verbindung von Mann und Frau und den daraus hervorgehenden Kindern geschaffen wurde, unbedingt begrifflich erweitert werden muss, um damit homosexuelle Paare gleichzustellen. Ich glaube aber nicht, dass das jetzt irgendwelche negativen Konsequenzen für Deutschland haben könnte, dass so abgestimmt wurde.

 

V: Persönlich hättest du als Abgeordneter also dagegen gestimmt?

Ich hätte vermutlich auch auf das gehört, was in meinem Wahlkreis das Stimmungsbild ist.

 

V: Und wenn du kein Direktmandatsträger wärst?

Ich muss echt überlegen, wie ich abgestimmt hätte [überlegt länger]. Dann hätte für die Ehe gestimmt, weil ich denke, dass gerade die Leute, für die es wichtig ist, dass die Ehe etwas zwischen Mann und Frau ist, mit der kirchlichen Ehe immer noch die Möglichkeit haben, eine für sie besondere Verbindung einzugehen.

 

V: Wie ist es als junger Mensch in einer “konservativen” oder “alten” Partei? Was überzeugt dich an der Konservativität? Wirst du sowas oft gefragt?

Konservativ zu sein heißt erstmal nicht, sich der Zukunft oder dem Fortschritt in irgendeiner Weise zu verschließen. Es geht einfach um ein Bewusstsein dafür, dass der “Ist-Zustand” nichts Beliebiges oder Zufälliges ist, sondern auf gewachsenen Strukturen, auf kulturellen und anthropologischen Traditionslinien aufbaut. Beim Thema “Partei für Alte” trügt der Eindruck von außen: Wir haben mit der JU eine extrem laute Stimme in der Partei, die auch gehört wird. Das wird vielleicht manchmal übersehen, weil die JU interessiert ist an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Mutterpartei und nicht ständig nur fundamentale Opposition betreibt, wie es bei SPD und Linken der Fall zwischen Partei und Jugendorganisation ist.
Ja, die Frage mit dem Konservatismus wird mir in meinem Freundeskreise teilweise schon gestellt, weil die sich auch eher dem linken Spektrum zugehörig fühlen. Aber es ist jetzt nicht so, dass das ständig Gesprächsthema wäre.

 

V: Was ist dein Lieblingswahlplakat?

Da fällt mir spontan wirklich keins ein.

 

V: Wie findest du den TV-Werbespot von CDU und CSU und welchen findest du besser?

Zum CDU-Spot: Ich finde, dass im Werbespot gut zum Ausdruck kommt, wofür die Union steht: Für ein weiterhin florierendes, stabiles, sicheres Land. Da ist natürlich keine Spur von Angriffslust oder der gleichen, aber das ist auch Aufgabe der politischen Herausforderer.
Zum CSU-Spot: Den finde ich definitiv besser, weil die Bürgernähe von Seehofer zum Ausdruck kommt und das sind nicht nur Floskeln: Er sagt immer, er sei in einer Koalition mit der Bevölkerung und orientiert sich wirklich sehr daran. Natürlich kommt in dem Spot auch der Anspruch, ein gewisses Stück Bayern in die Republik zu übertragen, zum Ausdruck.

 

V: Über das “christlich” im Namen beider Parteien wird viel diskutiert, ob es gerechtfertigt ist oder ob es noch wichtig ist. Findest du es gerechtfertigt? Bist du Christ?

Ich finde es gerechtfertigt. Es geht nicht darum, dass wir ein Christenverein sind, sondern es geht in erster Linie um das christlich-jüdische Menschenbild, das auf Solidarität zwischen den Menschen beruht, wobei der Mensch als freies, selbstverantwortliches Individuum gedacht ist. Persönlich bin ich nicht praktizierender Christ.

 

V: Du hast jetzt schon mehrfach von christlich-jüdisch geredet. Was verstehst du darunter? Für ein christlich-jüdisches Menschenbild sind deine Bespiele Solidarität und ein freies Individuum, denkst du, dass das im Islam nicht so ist?

Wenn ich vom christlich-jüdischen Menschenbild spreche, geht es nicht darum, anderen Religionen abzusprechen, nicht ein ähnliches Menschenbild zu vertreten und da kenne ich mich jetzt auch nicht aus. Sondern es geht darum, dass dieses Menschenbild hier verankert ist, weil wir eine christlich-jüdische Geschichte haben.

 

Tim Belz auf der Terrasse der Hauptbibliothek. Foto: Carla Ober

 

Steckbrief

Name: Tim Belz

Alter: 23

Geschlecht: männlich

Studienfach: Politikwissenschaft, gerade im Übergang zum Master

Berufswunsch: Öffentlichkeitsarbeit

Herkunft: Neumarkt in der Oberpfalz

Beruf der Mutter: Krankenschwester

Beruf des Vaters: Einzelhandelskaufmann

Würdest du dich als Arbeiterkind, Kind der Mittelschicht oder Kind des Bildungsbürgertums bezeichnen? Mittelschicht

Geschwister: Eine ältere Schwester

Familienstand: In einer Beziehung

Hetero oder LGBTQI? Hetero

 

Das Interview führte Carla Ober.

 

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Hinweis: Die Auswahl der Parteien sagt nichts über die politische Meinung der Redaktion aus. Wir hatten das Ziel, alle größeren oder im Moment wichtigen Parteien zu behandeln und haben zusätzlich Parteien aufgenommen, von denen wir zufällig Wähler unter unseren Freunden hatten oder die auf uns zu kamen. Leider können wir aus Kapazitäts- und Zeitgründen keine weiteren Interviews mehr führen.

Die Reihenfolge der Interviews stellt ebenfalls keine politische Aussage dar und ist allein davon abhängig, in welcher Reihenfolge unsere Autoren und die Gesprächspartner Zeit hatten.