Warum genau Vincent van Gogh am 27. Juli 1890 mit einer Schusswunde in den Gasthof, in dem er seine letzten Monate verbrachte, zurückkehrte, ist nicht vollständig geklärt. Zwei Tage später starb er. War es Suizid? War es ein Unfall? Auf diese Fragen stößt Armand Roulin, als er Theo van Gogh einen Brief seines toten Bruders überbringen möchte, aber diesen nicht auffindet, weil auch er verstorben ist.

 

Loving Vincent klingt erst einmal nach einer Beleuchtung der Todesumstände eines Ausnahme-Künstlers – ist aber noch viel mehr. Für den Film wurden insgesamt 65000 Einzelbilder von 120 Malern erschaffen – davon sind über 850 im Film zu sehen und es wurden über 120 Van-Gogh-Gemälde ganz oder in Ausschnitten nachempfunden. Selbstverständlich im Stil des niederländischen Malers.

Um die Bilder lebendig werden zu lassen, wurde der Film zuerst mit richtigen Schauspielern vor Blue Screens und Green Screens gedreht. Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen.

Van Gogh malte schnell und spontan, seine Bilder wirken sehr lebendig, aber auch atmosphärisch. Genau das hat der Film geschafft, zu übernehmen. Trotz des eher düsteren Themas und bis auf ein paar schwarz-weiße Aufnahmen, die Vincents Vergangenheit im Film beleuchten, schafft er es, eine sehr energetische, wenn auch nicht glückliche, sondern melancholische, fast wehmütige Ausstrahlung zu transportieren – und in keinem anderen Film spürte ich die Sonne, den Wind und den Regen, als wäre er wirklich da. Ist ein „gemalter“ Film sinnlicher als eine Realverfilmung? Diese Frage lasse ich mal offen.

Was in vielen Kritiken leider kaum Beachtung findet ist das Drehbuch. Für die, die gerne Tod, Verderben und viel Spannung mögen, dürfte die Geschichte nichts sein, denen empfehle ich etwas ganz Anderes. Aber wer auch mit einer moderaten Handlung klar kommt, wird daran sicherlich Freude haben.

Sehr interessant und auch positiv zu erwähnen ist, dass sehr viele verschiedene Perspektiven zu Vincents Todesumständen beleuchtet werden. Auvers-sur-Oise, der Ort, in dem er starb, ist ein kleines Dorf. So entstehen die wildesten Gerüchte und auch von Person zu Person verändert sich das Bild, das wir von Vincent van Gogh haben. Wie genau das stattfindet, könnt ihr euch aber selbst ansehen.

 

Hoffnung auf einen Oscar

Und – fast hätte ich es vergessen – ist der Abspann nicht einfach eine Auflistung der Schauspieler und sonstigen Mitwirkenden, er ist sehr kreativ gemacht, genau wie ich es mag. Hier finden wir noch weitere Informationen über Van Goghs Leben, Sterben und Nachwirken, sowie die Originalgemälde der auftretenden Personen.

Wenn ich ehrlich bin, kann ich nichts Negatives über Loving Vincent sagen. Es lohnt sich auf jeden Fall, noch einmal ins Kino zu gehen – leider ist das aber nur noch in Nürnberg oder Fürth möglich.
Und nun als Letztes: Der Film darf auf einen Oscar in der Kategorie Bester Animationsfilm hoffen. Verdient wäre der zu hundert Prozent!

 

Von Joana Hammerer