In den letzten Wochen und Monaten machte die Volksrepublik China immer wieder in den deutschen Medien auf sich aufmerksam. Dabei überwiegen negative Themen wie staatliche Überwachung. Der Erlanger Jura-Student Liu Dejun versucht, sich mithilfe einer neuen Internet-Technik gegen die chinesische Regierung zu wehren – und braucht dafür eure Hilfe. Das Ziel: Eine friedliche Revolution in China.

 

Ein „Social Credit System“ ist wohl die neuste Ausprägung des bevölkerungsreichsten Landes der Welt. Von einer „Art Schufa für so gut wie alle Belange des gesellschaftlichen Lebens“ spricht ein Autor von Zeit Online. Sie soll im Laufe der nächsten Jahren wohl jeden der fast 1,4 Milliarden Einwohner Chinas zu komplett „gläsernen Bürgern“ machen. Neben Kameraüberwachung und Gesichtserkennung nur ein weiteres Mittel der chinesischen Regierung, ihre Bevölkerung zu kontrollieren.

Liu Dejun. Foto: Selim Kücükkaya

Der Erlanger Student Liu Dejun hat sich aus solchen Gründen schon lange von der chinesischen Regierung abgewendet. Geboren in der chinesischen Provinz Hubei, begann er schon früh damit, an Demonstrationen teilzunehmen und beispielsweise andere Aktivisten vor Gericht zu unterstützen. Im Zuge dessen gründete er 2007 auch eine Organisation, die Wanderarbeitern über ihre Rechte aufklärte und sie damit versuchte, vor Ausbeutung zu schützen. Damit macht er sich erwartungsgemäß nicht sehr beliebt bei der Regierung: Im persönlichen Gespräch erzählt er von allerlei Repressionen, Gefängnisaufenthalten und sogar einer kurzen Entführung durch die Sicherheitspolizei. Letztere hat auch der weltweit bekannte chinesische Künstler und Aktivist Ai Weiwei im Rahmen einer Dokumentation mitaufgegriffen.

Er erzählt mir von seiner neusten Idee, China zu verändern. Er verfolgt sie seit nunmehr zwei Jahren: Mithilfe von „ZeroNet“ möchte er die Bürger Chinas über Missstände und alternative demokratische Regierungsformen informieren und „aufzeigen, wie eine gewaltfreie Revolution möglich ist“. Ein Hauptproblem für ihn ist, dass einerseits die meisten Chinesen nicht wissen, wie ein demokratisches System funktioniert. Andererseits gibt es jedoch bereits Widerstand gegen die Regierung: Ihm zufolge sogar „jedes Jahr mehr als 200.000 Demonstrationen in China“. Diese fänden jedoch alle getrennt und unabhängig voneinander statt. Es gelte deswegen, diese Kräfte zu verbinden und, „wenn der passende Tag kommt, zu einer Revolution aufzurufen“.

„ZeroNet“ ist – einfach erklärt – eine Software, mit der man frei und unzensiert auf dezentral gespeicherte Websites zugreifen kann. Normalerweise werden Inhalte einer Website auf einem zentralen Server gespeichert. Durch dieses Tool werden PCs, Smartphones und Laptops, die auf die Seite zugreifen, zu eigenständigen Servern und helfen damit bei der Verbreitung. Die Folge: Je mehr PCs mitmachen, desto schneller können andere PCs auf die Seite zugreifen. Für autokratische Regime ist es durch diese Technik fast unmöglich, eine Seite „vom Netz zu nehmen“. In diesem Programm spielen verschiedene moderne Technikentwicklungen wie Bitcoin Kryptographie, Tor Browser und BitTorrent-Netzwerke zusammen und werden verschmilzt.

 

Liu greift mit einem alten Laptop über Zeronet auf seinen Blog zu. Foto: Selim Kücükkaya

Liu hat mittlerweile zwei Websites erstellt, die nur über „ZeroNet“ erreichbar sind: Zum einen ein Blog, auf dem sich allerlei generelle Informationen, Videos und sogar eine Anleitung, wie man aus Haushaltsgegenständen eine Maske zum Schutz vor Tränengas baut, finden. Zum anderen ein digitales Archiv mit vielen verschiedenen Büchern, beispielsweise über Demokratien und gewaltlosen Widerstand. Die meisten Texte auf seinen Seiten sind auf Chinesisch – aber auch einige englische und wenige deutsche findet man. Im „clearnet“ – also mit einem normalen Internetbrowser erreichbar – betreibt er außerdem den Blog freeinchina.org.

 

Ein Beitrag in seinem Blog: „Waging Nonviolent Struggle: 20th Century Practice and 21st Century Potential“. Foto: Selim Kücükkaya

 

Auch eine Anleitung, wie man eine Schutzmaske gegen Tränengas baut, findet man auf seinem Blog. Foto: Selim Kücükkaya

Bei diesem Projekt ist Liu Dejun jedoch auf die Hilfe Anderer angewiesen. Wie bereits erwähnt: Je mehr Leute auf seine Seiten zugreifen und damit bei der Verbreitung helfen, desto schneller laden die Inhalte. Das ist gerade in einem Land wie China wichtig, wo seine Zielgruppe sitzt es faktisch kein „freies Internet“ gibt und man deswegen auf langsame Internettools wie den Tor-Browser oder VPN-Services angewiesen ist. Deswegen ruft er über Facebook und Twitter dazu auf, ihm alte Smartphones zu überlassen um sie umzufunktionieren. Dieses Vorgehen trägt sogar erste Früchte: Durch seine Aufrufe ist er mittlerweile an fünf Smartphones gekommen – von denen jedoch bisher nur eins wirklich gut funktioniert. Falls ihr Zuhause noch ein altes, nicht benötigtes Smartphone oder einen alten Laptop habt und ihr Liu bei seiner Arbeit unterstützen möchtet, könnt ihr ihn über liudejun2011@gmail.com kontaktieren.

Liu Dejun gelangte durch ein Stipendium bei der Menschenrechtsorganisation Front Line Defenders im Juli 2013 zuerst für drei Monate nach Dublin. Nach einigen bürokratischen Hürden bekam er anschließend ein Visum und bis 2016 ein „Writers in Exile“-Stipendium in Deutschland beim PEN-Zentrum und konnte nach Nürnberg ziehen. Mittlerweile wohnt er aufgrund seines Studiums der Rechtswissenschaften an der FAU in Erlangen.

Nachtrag: Kurz nach der Veröffentlichung dieses Artikels hat uns Liu informiert, dass er keine gebrauchten Smartphones mehr braucht. Durch ein kostenloses Angebot eines großen Cloud-Server-Anbieters kann er die Funktionen von Smartphones und anderen Computern ersetzen und damit seine ZeroNet-Websites besser weiterverbreiten. Dadurch können Menschen in Ländern wie China nun noch schneller auf seine Seiten zugreifen!

 

Von Selim Kücükkaya