Bunt eingefärbte Tauben, ein Raum voll mit Betonmischern und Kieseln, in ihrer Ganzheit gepresste Büsche – samt Wurzel – und in sich zusammenfallende Kakteen: und das alles in Erlangen. Da kann nur von einem einzigen Ort die Rede sein: Vom Kunstpalais.

 

Um noch präziser zu sein: Das alles findet man in der neu angelaufenen Ausstellung “I’m afraid I must ask you to leave” von Julius von Bismarck und Julian Charrière, die sowohl Rauminstallationen und Fotographien, als auch mehrteilige Videoinstallationen präsentiert. Sie wurde Anfang Dezember eröffnet und läuft noch bis zum 24. Februar 2019. Es kommt sogar noch besser: es feierten zwei neue, vorher noch nie gesehene, gemeinsam geschaffene Werke der beiden Künstler Premiere.

Das besondere an der Ausstellung ist, dass es sich zwar nicht um eine Gruppenausstellung handelt, aber auch nicht um ein Duo, das nur gemeinsame Kunstprojekte ins Leben ruft. Von beiden Künstlern werden individuelle Werke präsentiert, aber eben auch einige gemeinsame Arbeiten. Das macht die ganze Angelegenheit noch viel spannender.

Julius von Bismarck und Julian Charrière kennen sich seit ihrem Kunststudium in Berlin und sind seitdem ziemlich gut befreundet. Dieser Umstand führt sie wohl auch gemeinsam auf die waghalsigsten Reisen, auf denen auch gerne das ein oder andere Kunstwerk entsteht.

Beide rücken bei ihrem Werk ähnliche Themen in den Fokus: Es geht um das Verhältnis von Mensch und Natur. Das klingt erstmal wie eine Thematik, die in der zeitgenössischen Kunstszene gerade wahrlich Konjunktur hat. Aber durch ihre aberwitzige und kreative Herangehensweise treffen die beiden Künstler den Nagel so richtig auf den Kopf – und lassen den/die Betrachter/in so schnell nicht mehr los. Nicht zuletzt ist der internationale Erfolg der jungen Künstler höchstwahrscheinlich auch eben dem Umstand geschuldet, dass sie sich mit individueller, pulsierender Handschrift vom – salopp gesagt – “Rest” abheben.

Julian Charrière ist bei seinen Arbeiten vorranging an geologischen Prozessen interessiert und vor allem daran, wie der Mensch in ebenjene natürlichen Prozesse eingreift und sie verändert – und dabei meistens nicht am längeren Hebel sitzt. Oder doch? Geht es vielleicht genau darum, dass der Mensch denkt, er säße am längeren Hebel und könnte die Natur in die Knie zwingen? Oft genug wurden wir daran erinnert, dass dem nicht so ist – oder besser gesagt: eher früher als später bekommen wir die Folgen zu Genüge zu spüren.

Charrière schneidet beispielsweise archiviertes Videomaterial von Baumfällungen zusammen und beleuchtet den Moment der Schwerelosigkeit – kurz bevor jahrhundertealte Bäume innerhalb von Sekunden krachend zu Boden fallen. Das tut dann schon ein bisschen weh. Und schon im nächsten Moment fragt man sich, wie viel Collegeblöcke aus Papier man denn letztes Semester so verwendet hat? Und ob das nötig gewesen wäre?

Julius von Bismarck hingegen stellt in einer seiner Installationen gepresste Pflanzen und sogar Tiere – ja, sie sind ihrem natürlichen Schicksal erlegen – aus. Eine erweiterte, ad absurdum geführte Version eines Herbariums sozusagen. Zeigt er uns die Absurdität auf, in der wir sammeln und konservieren? Der Künstler spielt außerdem mit der zweidimensionalen Perspektive, die für den/die Betrachter/in durchaus ungewohnt ist – zumindest wenn es um Tiere geht – und erweitert unsere Wahrnehmung in gewisser Weise. Er macht sich dazu die Gesetze der Physik zu Nutzen und entwickelte eigens für “I like the flowers” ein Hochdruckpressverfahren – von Bismarck bezeichnet sich selber als Hobby-Physiker.

In einer anderen Serie peitschte der Künstler mächtig erscheinende Naturspektakel und -Monumente aus – die Ausstellung zeigt beispielsweise eine Fotografie, auf der er reißende Meereswogen auspeitscht. Selbsterklärend, dass der Mensch im Vergleich zu den riesigen Wellen eher weniger mächtig wirkt – und das Meer sich vermutlich auch nicht sonderlich von den Peitschenhieben beeindrucken lässt.

Der Betrachter fühlt sich sofort ertappt: wie lächerlich, dass wir denken, die Natur beherrschen oder bestrafen zu können. Die augenscheinliche Deutlichkeit und bei längerer Betrachtung doch unglaubliche Vielschichtigkeit ist einer der faszinierenden Aspekte der Kunstwerke der beiden: sie sind so nah am realen Leben und stellen ohne großes Um-die-Ecke-Gedenke erste Interpretationsmöglichkeiten bereit.

Dennoch sind die Werke in hohem Maße eben doch unglaublich vielschichtig – sodass man sich nach längerem Um-die-Ecke-Gedenke vor möglichen Interpretationen und Gedanken garnicht mehr retten kann: und das ist in diesem Sinne nur positiv gemeint. Für ihr neues Projekt nahmen von Bismarck und Charrière mal wieder eine weite Reise auf sich und schufen wahrliche Naturmonumente – nur um sie im nächsten Moment ihrem natürlichen – oder vielleicht doch nicht natürlichen? – Schicksal zu überlassen.

Für eine detailliertere Ausführung des neuen Werkes müsst ihr euch dann schon auf den Weg in das Kunstpalais machen (das nebenbei erwähnt äußerst studierendenfreundliche Eintrittspreise verlangt).

Die beiden Künstler thematisieren mit ihren Kunstwerken sozusagen die Kernaussage des Anthropozäns: den Menschen, der die Zukunft des Naturreichs maßgeblich mitbestimmt und in die Entwicklung der Umwelt wohl unwiderruflich involviert ist. In der Ausstellung übertreffen sich die Kunstwerke immer wieder selbst. Die Greifbarkeit des menschlichen Einflusses und die daraus resultierende Absurdität steigern sich korrespondierend zu der Reihenfolge, in der man die Räume betritt, klimaxartig.

Am Ende bleibt nur noch eine Frage zu stellen: Wer bittet hier eigentlich wen, zu gehen? “I’m afraid I must ask you to leave.” Vorerst verlässt man dann erstmal nur die Ausstellung – ganz und gar beeindruckt von den ausgestellten Kunstwerken von Julius von Bismarck und Julian Charrière.

 

Die Ausstellung läuft noch bis zum 24. Februar 2019.

(Bild: Julius von Bismarck, “Punishment #7”, 2011, Inkjet-Druck auf Hahnemühle Museum Etching, 100 x 150 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Courtesy alexander levy)

 

Von Louisa Behr