Unsere Autorin Sabrina erhält schräge Blicke, wenn sie sich mit einem aus Palästina stammenden Freund allwöchentlich in einem Café trifft. Ein Kommentar.

 

Xenophobie; Xe|no|pho|bie; griechisch ξενοφοβία „Fremdenangst“, von ξένος „Fremder“ und φοβία „Angst“, „Furcht“

 

Mahmud ist 26 Jahre alt.* Er hat schwarze Haare, einen dunklen Bart und braune Augen. Er studiert in Erlangen Maschinenbau im Master. Er arbeitet in einer Fabrik und wohnt in einer kleinen Wohnung. Vor drei Jahren kam er aus Palästina zum Studieren nach Deutschland.

Ich kenne Mahmud seit einem knappen Jahr. Wir treffen uns regelmäßig und helfen uns gegenseitig, die jeweilige Muttersprache des anderen zu lernen. Er bringt mir Arabisch bei, ich ihm Deutsch. In seiner Freizeit besucht er zusätzlich noch Grammatik- und Phonetik-Kurse. In einem Café in Erlangen treffen wir uns einmal die Woche.

 

Während wir uns unterhalten, schaue ich mich manchmal im Café um. Nicht selten sehe ich dann in verstörte Gesichter. Gesichter, die die Stirn runzeln. Gesichter, die verärgert die Augen zusammenkneifen. Gesichter, die mich fragend anschauen. Und manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte ihre Gedanken lesen: „Was macht dieser arabische Junge nur mit dem deutschen Mädchen?!“

 

Xenophobie. Die Angst vor Fremden.

 

Zur Zeit der Höhlenmenschen war sie überlebenswichtig. Damals war die Nahrung begrenzt und häufig wurden Anhänger von anderen Stämmen umgebracht, bevor sie zur Konkurrenz werden konnten. Aus diesem Grund war es für die Menschen notwendig, Fremden gegenüber misstrauisch und vorsichtig zu sein. Immerhin ging es um Leben und Tod.

 

Heute ist diese Angst immer noch in uns verwurzelt. In der Politik wird sie häufig missbraucht und gegen uns benutzt. Gerade in der jetzigen Zeit, in der viele fremde Menschen in unser Land kommen – Menschen, die nicht nur anders aussehen, sondern auch noch anders sprechen und einer anderen Religion und Kultur angehören – versuchen uns manche Politiker weis zu machen: diese Menschen sind gefährlich. Sie klauen uns die Frauen, sie klauen uns die Häuser, sie klauen uns die Jobs.

Die Unterschiede polarisieren, dabei sind diese Anderen gar nicht so verschieden. Auch sie haben zwei Beine, zwei Arme und einen Kopf. Das einzige, was sie anders erscheinen lässt, ist das, was die Gesellschaft aus ihnen macht. Es ist das, womit die Gesellschaft, die Medien und die Politik die Urangst in unseren Köpfen füttern.

 

Aber haben wir uns nicht seit der Zeit der Höhlenmenschen weiterentwickelt? Haben wir nicht gelernt, unser Überleben zu sichern, ohne einen Kampf auf Leben und Tod? Schon als Kleinkinder lernen wir: der beste Weg, seine Angst zu überwinden, ist es, sich ihr zu stellen. Und Neugierde ist eine der besten Eigenschaften, die der Mensch besitzt.

Würden die Leute, die in den Cafés immer nur dumm gucken, den Mut aufbringen, Mahmud kennen zu lernen, statt voreilige Schlüsse zu ziehen? Dann könnten sie das sehen, was ich sehe. Einen jungen Mann wie jeder andere. Der sein Bestes gibt, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Der versucht, die deutsche Sprache bis zur Perfektion zu lernen. Der Freunde finden will in einem Land, in dem er ganz alleine ist, weit weg von seiner Familie. Und der studieren möchte, um irgendwann mal ein gutes Leben zu führen. Und ist es nicht das, was wir alle wollen?

 

Von Sabrina Ahmed

 

*Name und Alter wurden geändert

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe zum Sommersemester 2017 (“Klischees. Was machen wir uns eigentlich vor?”). All unsere vergangenen Printausgaben könnt ihr hier lesen.