Vom 23. bis zum 26. Mai 2019 findet die Europawahl statt. Diese Wahl ist so wichtig wie nie, da erstmals Parteien antreten, die sich offen gegen Europa aussprechen. Umso bedeutender ist es, sich an die Gemeinsamkeiten zu erinnern, die Europa verbinden und zu dem machen, was es ist.

 

Jede*r, die*der schon einmal ein Auslandssemester mit ERASMUS gemacht hat, musste danach eine Umfrage zu den gemachten Erfahrungen ausfüllen. Eine Frage blieb mir dabei besonders im Gedächtnis: „Fühlen Sie sich jetzt europäischer als vorher?“ So oder so ähnlich lautete die Frage und ich musste tatsächlich erstmal darüber grübeln.

Im Endeffekt konnte ich sie mit einem klaren “Ja” beantworten. Ich kam aber auch zu dem Schluss, dass ich mich wahrscheinlich europäischer fühlte, weil ich mein Auslandssemester in Ägypten, einem nicht-europäischen Land, gemacht hatte.

Ich kann nicht beurteilen, wie es ist, in einem EU-Land ein halbes Jahr zu studieren, aber außerhalb Europas wurde ich immer wieder auf meine europäische Identität hingewiesen, nach meiner Meinung zur EU-Politik gefragt und danach, welches das schönste Land Europas ist. Aber warum musste ich erstmal ins außereuropäische Ausland fahren, um mir meiner europäischen Identität wirklich bewusst zu werden?

Im Arabischen gibt es den Begriff „Agnabi“. Das bedeutet ausländisch oder fremd. Allerdings werden nur Personen aus nicht-arabischen Ländern als „Agnabi“ bezeichnet. Kommt also zum Beispiel jemand aus Jordanien nach Ägypten ist diese*r dort kein „Agnabi“ – kein*e Fremde*r oder Ausländer*in. Araber*innen untereinander sind eher wie eine Großfamilie, in der die anderen Brüder oder Schwestern sind. Und natürlich gibt es in jeder Großfamilie auch mal Meinungsunterschiede und Streitereien, aber Familie bleibt nun mal Familie und hält zusammen.

Europa kommt mir dagegen manchmal wie eine große Schulclique vor, in die erstmal alle rein wollen und dann auf einmal feststellen, dass Freundschaften doch auch Arbeit erfordern. Und auf einmal überlegen es sich alle anders und wollen wieder raus aus der Clique.

Vielleicht sollten wir in Europa uns auch eher als große Familie betrachten.  Die nationalen Grenzen in unseren Köpfen verschwinden lassen und uns als Europäer*innen zu sehen, statt nur als Deutsche, Franzosen oder Tschech*innen.

Anstatt an die imaginäre Grenze zu denken, über die wir fahren, wenn wir Urlaub in Italien oder Dänemark machen, sollten wir uns vorstellen einfach zu unserer Tante oder unserem Onkel in der Nachbarschaft zu fahren. Wir sollten uns an die Gemeinsamkeiten erinnern, die wir teilen, anstatt die Unterschiede, die uns trennen – um die Schulclique zu überwinden und als Familie zusammenzuwachsen.

 

Von Sabrina Ahmed

 

Dieser Artikel ist aus unserer aktuellen Printausgabe zum Sommersemester 2019 mit dem Thema “Grenzen”. Wegen seiner Aktualität zur Wahl zum EU-Parlament haben wir ihn nun auch direkt online veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findet ihr in der Printausgabe, die wir noch an einigen Terminen verteilen sowie auslegen werden!