Sonnenbrand, Melancholie, und immer wieder der Parcours zur Picknickdecke: Eine Wiederholungstäterin berichtet vom entspanntesten Festival Frankens.

 

Die Wiese ist noch feucht vom Regen vor ein paar Stunden. Die nächste Band macht gerade Soundcheck. Das Publikum – eine Mischung aus jungen Familien und glücklichen Vollblut-Hipstern – sitzt schwatzend auf den mitgebrachten Picknickdecken, manche mit Regenschirmen (gegen die Sonne), viele mit Hut, Club-Mate, einem Brot vom Inklusions-Stand Heimat oder einer der vielen selbstgemachten Sorten Eis am Stiel von Popletas in der Hand.

Viele der kleinen Kinder tragen wie jedes Jahr Kopfhörer, um die laute Musik etwas gedämpfter zu hören. Die Boat Shed Pioneers sorgen für Festivalstimmung. Die Veranstalter sind hibbelig-gut-gelaunt und als ich am Eingang mein zweites Folk-Im-Park-Bändchen entgegen nehme, werde ich mit einem breiten Grinsen und den Worten „Oooh, eine Wiederholungstäterin“ begrüßt. Das Festival fängt gut an.

Joseph, eine aus drei Schwestern bestehende Folk-Band, die in der letzten Dreiviertelstunde für gute Laune gesorgt hat, überlässt die Bühne gerade Black Oak. Das Duo aus den Niederlanden macht gute Musik, die aber eher im Hintergrund plätschert. Jetzt gilt es erstmal, sich einen Überblick zu verschaffen.

Um bei Folk im Park von A nach B zu kommen, muss man eine Art Parcours meistern: Hüpfend, gehend, kleinen Kindern und Sonnenbrillen ausweichend nicht die Orientierung verlieren und zur angepeilten Picknickdecke finden. Wenn der Wind allerdings gerade aus Richtung der Foodtrucks bläst und einem plötzlich der Geruch von Pizza, Stampf, Burritos oder ähnlichem in die Nase steigt, ist der ein oder andere Umweg unumgänglich.

 

Kurzurlaub auf der Picknickdecke

Nachdem wir uns Essen besorgt haben, kommt der erste persönliche Höhepunkt: Hein Cooper. Der junge Australier mit dem lustigen Namen sieht aus, als käme er gerade vom Surfen. Ein bisschen so klingt auch seine Musik: leicht, entspannt, manchmal mit einem Hauch von Minimal. Er liebt das Publikum, das Publikum liebt ihn. Spätestens als Hein Cooper The Real anstimmt, eines seiner bekanntesten Lieder, bleibt einem nichts weiter zu tun, als die Sonnenbrille aufzusetzen, sich auf den Rücken zu legen oder wenigstens zurückzulehnen und glücklich am Buttermilch-Zitrone-Eis zu nuckeln. Ganz einfach. Vorne, irgendwo zwischen Bühne und Kinderbereich, tanzen zwei kleine Mädchen in Sommerkleidern. Die Hitze erreicht ihren Höhepunkt, die Luft ist ein bisschen feucht. Vielleicht schläft irgendjemand auf der Wiese gerade ein und wacht mit einem Sonnenbrand wieder auf.

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Orientierungshilfe bei “Folk im Park”. Foto: Lena Thiemann

Umbau. Aufstehen, Beinevertreten. Mal zum Merchandise-Stand gucken. Checken, wie lang die Schlange vor den Dixi-Klos ist. Überlegen, ob man sich doch nochmal was zu essen holt. Schließlich überwältigt mich der Duft von frischem Kaffee. Beim Warten reden und Gesprächsfetzen auffangen. Man spricht über das Wetter, das Essen, auch über die Zukunft, aber das nur kurz. Mit der Tasse in der Hand wieder balancieren, um zur richtigen Picknickdecke zu kommen.

 

Von Britishness und Regen

Irgendwann stehen wieder die beiden Organisatoren auf der Bühne, um die nächste Band anzukündigen: In stilvollendetem Fränglisch wird uns berichtet, dass wir nun die Ehre haben werden, „Mässiu änd sie ätläss“ live zu sehen. A Draum! Die wunderbar britische Band, die von Anfang an eine wunderbare Mumford´sche Melancholie ausstrahlt, betritt die Bühne, stellt sich zur Sicherheit nochmal als Matthew And The Atlas vor, beginnt zu spielen und das Publikum versinkt in der einzigartigen Stimme von Matthew. In England regnet es öfter als in Australien und das Leben ist dort auch ein bisschen schwerer. Nicht weniger schön. Nur muss jedes Lied ein bisschen Wehmut, ein bisschen Moll und viel Gänsehaut enthalten.

Das Festival hat sich verändert. Vor Hein Cooper war die Musik noch Hintergrund, das Drumherum war wichtiger. Jetzt sitzen alle still und gebannt auf den Decken. Jeder Ton wird gewürdigt. Die Sonne steht jetzt tiefer und sorgt dafür, dass es warm ist, aber nicht mehr heiß.

Nach einer Stunde britischer Melancholie vom feinsten gibt es tosenden Applaus für Matthew and the Atlas. Dann wieder Umbau. Leere Tassen werden abgegeben. Wir laufen wieder übers Festivalgelände, wo ein Teil der versprühten Melancholie hängen geblieben ist.

Die nächste Band ist die letzte: The Slow Show, ebenfalls britisch, aus Manchester, ist der Headliner. Die Vorankündigung klingt gut: “Wir haben The Slow Show damals auf Haldern Pop gesehen”, so einer der Organisatoren, “und es hat geregnet. Und wir wussten, dass diese Band hier spielen muss.”

Rob Goodwin, Sänger von Headliner "The Slow Show" in seinem Element. Foto: Lena Thiemann
Rob Goodwin, Sänger von Headliner “The Slow Show” in seinem Element. Foto: Lena Thiemann

Klingt logisch. Fun Fact zu Folk im Park: Es regnet IMMER. In der Regel gegen Ende. Und wenn der Sänger von The Slow Show mit seiner Stimme, die immer kurz vorm Wegbrechen zu sein scheint, das Lied Augustine singt (jetzt kann nichts mehr die Melancholie toppen), muss es einfach regnen.

Hat es aber nicht.

Auch schön.

Stattdessen genießt das Publikum im Licht der untergehenden Sonne noch die Stimme, die ein bisschen nach fieser Erkältung, Sarkasmus und gebrochenem Herzen klingt und lernt dabei, dass genau diese Mischung verdammt gut klingen kann.

Fast zwei Stunden später sind die Instrumente eingepackt, die Decken zusammengerollt, die Ohrwürmer haben sich in den Köpfen eingenistet. Mittlerweile braucht man wieder eine Jacke. Der Tag ist wieder viel zu schnell vorbeigegangen. Aber Folk im Park 2017 kann kommen. Auch ohne Regen.

 

von Hannah Schabert