Vergangenes Semester war unsere Reporterin Mona ein halbes Jahr in Südkorea und hat in Monas monatlicher Kolumne von ihren Erfahrungen berichtet. Diese Tradition werde ich nun fortsetzen: Herzlich willkommen bei ‚Hannah InDonesien’!

Zur Zeit lebe ich in Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens, wo ich ein Praktikum in der Bibliothek des Goethe-Instituts mache. Ich befinde mich auf der Insel Java, in den tropischen Gebieten der Südhalbkugel, im größten muslimischen, zweit-artenreichsten und gleichzeitig viert-bevölkerungsreichsten Land der Erde. Es sollte also spannend werden. Ich werde euch auf dem Laufenden halten und circa alle vier Wochen von meinen Erlebnissen berichten.

 

Vor mehr als einem Monat bin ich in Frankfurt in ein Flugzeug gestiegen, das mich nach Indonesien gebracht hat und nun lebe ich hier, in Jakarta, meinem wunderbar chaotischem verwirrenden bunten neuen Zuhause.

Wayang - das traditionelle Schattentheater ist eines der Mysterien Indonesiens. Foto: Hannah Schabert
Wayang – das traditionelle Schattentheater ist eines der Mysterien Indonesiens. Foto: Hannah Schabert

„Hattest du schon einen Kulturschock?“, fragt mich der Deutschstudent lächelnd mit unüberhörbar indonesischem Akzent. Es ist der erste Tag im Goethe-Institut und schon nutzen die Sprachkursteilnehmer die Chance, denn sie sollen mit deutschen Muttersprachlern Interviews führen. Das Thema ist Heimat. Ich zögere und lächle daher erstmal zurück. Mein Interviewer und sein Freund lächeln zurück zurück, noch breiter. Was soll das überhaupt sein, ein Kulturschock? „Eigentlich jetzt nicht, nee“, antworte ich. Mein Deutsch war auch mal besser. „Der Verkehr ist natürlich anstrengend, aber das Klima mag ich ganz gerne…“ Die beiden Jungs, deren Namen ich leider vergessen habe, lächeln immer weiter und machen sich Notizen. Wir sitzen in der klimatisierten Bibliothek des Goethe-Instituts, umgeben von Kafka, Herrendorf und Frank Schätzing, alle sprechen Deutsch. Es ist ziemlich schwer, hier drin einen Kulturschock zu haben.

Draußen ist es leichter. Wärmer, feuchter, lauter, indonesischer. Draußen ist der Gehweg voller Schlaglöcher und die Straße voller Motorräder und der indonesischen Version von Tuktuks. Mittendrin fahren dünne Verkäufer mit dem Fahrrad ihren Warung (Straßenstand) durch den Smog. Ab und an ein paar ziemlich teuer aussehende Autos neben unfassbar langsamen und unfassbar vollen Bussen, den Kopajas, die keine Türen haben, sondern stattdessen Haltegriffe, an denen sich oft noch ein paar Menschen festhalten.

Allein das ist bestimmt Grund genug, um einen ordentlichen Kulturschock zu bekommen. Seit Wochen setze ich mich nun schon dem täglichen Wahnsinn aus, lebe in einem paradoxen Zweiweltenmodell, das wie eine unlösbare mathematische Gleichung das kühle, westliche Goethe-Institut von der faszinierenden Reizüberflutung der indonesischen Straßen trennt. Noch immer hatte ich (glaube ich zumindest) keinen Kulturschock. Ich könnte jetzt ein paar bedeutungsschwangere Sätze über Asien raushauen wie zum Beispiel: Hier kommt man mit einer völlig anderen Lebensweise in Berührung. Oder: Hier siehst du Armut, die du aus Europa nicht kennst. Oder, der Klassiker: Man kommt nicht mehr als dieselbe Person zurück. Und irgendwie haben diese Sätze auch ihre Richtigkeit, weil sie ja alle so ein bisschen stimmen.

Rücklichter, glänzende Autos und viel Kaffee in Jakartas exklusiver Parallelwelt am Bundaran HI.  Foto: Hannah Schabert
Rücklichter, glänzende Autos und viel Kaffee in Jakartas exklusiver Parallelwelt am Bundaran HI.  Foto: Hannah Schabert

Andererseits ist Jakarta eine Großstadt, die trotz Asien, trotz Bajajs und Ojeks und Linksverkehr und einem eigenen Rhythmus doch auch einfach irgendwo eine ganz normale Großstadt ist: Denn sobald sich ein bisschen Routine eingespielt hat, und das ist der Fall, ist der Verkehr nicht mehr so überfordernd, es gibt wie in jeder Stadt diesen einen Donut-Shop, den man nach der Arbeit mit Freunden ansteuert, es gibt Malls und Starbucks und Forever 21 und es gibt sogar Parks, in die man sich abends setzen kann, um den Tag ausklingen zu lassen. Außerdem gibt es 1000 stylishe Coffee-Shops, traumhaftes Essen an den Straßenständen, unschlagbar günstige und spannende Museen, es gibt Streetart und Straßenmusik und wundervolle Menschen, mit denen man all das erleben kann. Hätte schlimmer kommen können.

Jakarta wird von Indonesiern gerne „Big Durian“ genannt – die nette kleine Anlehnung an Big Apple bedeutet allerdings übersetzt so viel wie „Große Stinkfrucht“. Oft passt der Name. Ein indonesischer Freund von mir meinte neulich: „Jakarta ist groß, hässlich und stinkt.“ Obwohl diese Aussage durchaus ihre Richtigkeit hat, mag ich mein Leben hier. Denn jeden Tag passieren neue kuriose Dinge, die einen zuweilen vor den Kopf stoßen oder schockieren, einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern oder einfach nur etwas verwundert zurück lassen. Man nehme den Gecko namens Peter, der ungefragt in mein Zimmer gezogen ist. Oder die – Zitat – kognitive Geschmacksverwirrung, die unausweichlich ist, wenn man einen Peanutbutter-Ovomalitine-Kokos-Banana-Cheddar-Pancake isst. Oder den Kopi Luwak, dessen Besonderheit mir vor kurzem von meinem Mitpraktikanten erklärt wurde („Der Kaffee is so teuer, weil da gibt’s diese Katze, die isst die Kaffeebohnen und scheißt sie dann wieder aus und dann macht man Kaffee draus.“).

Ich könnte jetzt noch ein bisschen weitermachen, aber ich denke, ihr versteht, worauf ich hinaus will: Es gibt unglaublich viel zu entdecken hier und jeder Tag ist eine Wundertüte: manchmal ist Glitzer drin, manchmal Pups.

von Hannah Schabert