In den nächsten Wochen bis zur Bundestagswahl am 24. September veröffentlichen wir regelmäßig Beiträge zum Wahlkampf. Hauptsächlich wird es eine Interviewreihe geben, in der wir Studierende an der Uni Erlangen-Nürnberg fragen, warum sie die von ihnen favorisierte Partei wählen. Die Aussagen der Interviewpartner stellen deren politische Meinung und natürlich nicht die Meinung der Redaktion dar. Heute stellen wir euch Julian vor, der die Grünen wählt.

 

V: Warum wählst du bei der kommenden Bundestagswahl Bündnis 90/Die Grünen?

Das hat vor allem drei Gründe. Der erste davon ist, aktueller denn je – unsere Umwelt. Tropenstürme werden durch warmes Wasser extrem angeheizt und richten dadurch noch mehr Schaden an. Ebenso sind Millionen von Menschen wegen Nahrungsmittelknappheit, die durch schlechte Ernten verursacht wird, auf der Flucht. Auch die Dieselaffäre ist ja gerade in Deutschland sehr aktuell.

Ein weiterer, für mich sehr wichtiger, Grund ist soziale Gerechtigkeit. Gerade wegen Kinderarmut und Altersarmut liegt noch viel Arbeit vor uns. Drittens, eine tolerante Gesellschaft. Die Ehe für alle war schon ein guter Anfang, allerdings muss gerade bei queeren Personen noch viel getan werden.

 

V: Zum Thema Dieselaffäre. Die Grünen sprechen sich ja für eine Erhöhung der Kraftstoffsteuer aus. Wäre es nicht unfair, hier wieder den Verbraucher zur Kasse zu bitten?

Das wichtigste wäre zunächst eine Umrüstung der betroffenen Autos mit Katalysatoren und Filtern. Menschen, die Diesel im Vertrauen darauf gekauft haben, dass sie der Umwelt etwas Gutes tun, zahlen zu lassen, finde ich unfair. Eine gute Idee wäre es, diejenigen höher zu besteuern, die sich erst jetzt – nachdem klar wurde, dass Diesel die Umwelt stärker schädigt – für Diesel entscheiden.

 

V: Was hat dich von den Grünen überzeugt?

Für Umweltschutz interessiere ich mich schon lange, damit hat dann auch meine Interesse für die Grünen begonnen. Außerdem traue ich es keiner anderen Partei zu, bezüglich dieser Themen im Bundestag einen Fortschritt zu bringen. Und wie vorhin schon gesagt: Das Thema soziale Gerechtigkeit.

 

V: Bist du Parteimitglied?

In der Partei an sich noch nicht. Allerdings in der Grünen Jugend Nürnberg-Fürth. Dort bin ich Vorstand und politischer Geschäftsführer.

 

V: An wen richten sich die Grünen?

Man kann eigentlich sagen: An alle Menschen, da Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit jeden von uns betrifft. Ausschließen würde ich aber homophobe, rechtsradikale oder frauenfeindliche Menschen.

 

V: Wer ist der größte Sympathieträger in dieser Partei?

Puh, eine echt schwierige Frage! Am sympathischsten sind mir eigentlich die linksorientierten unter den grünen Politikern. Also beispielsweise Claudia Roth, Anton Hofreiter oder Katharina Schulze.

 

V: Wen findest du unsympathisch? Und warum?

Boris Palmer finde ich unsympathisch. Er fordert eine Obergrenze für Flüchtlinge, das passt nicht mit der Parteipolitik zusammen und stieß (zum Glück) auf viel Gegenwind.

 

V: Was stört dich an den Grünen?

Beispielsweise, dass 2014 von verschiedenen Ländern, in denen Grün mitregierte, die Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer eingestuft wurden, obwohl Menschen dort unter inhumaner Behandlung und schlimmen Verhältnissen leiden.

 

V: Welche andere Partei findest du gut, welche schrecklich und wieso?

Also allgemein bin ich eher linken Parteien zugeneigt, was wohl daran liegt, dass ich eher utilitaristisch denke und will, dass es allen gut geht.

Schrecklich sind AfD und NPD. Da für sie nicht Humanität an erster Stelle steht, sie die Klassengesellschaften fördern und einzelne Personengruppen abwerten.

 

V: Ein zurzeit sehr brisantes Thema ist islamistischer Terror. Wie kann man sich dagegen wehren?

Erfolgreiche Integration heißt das Konzept, hier muss man präventiv vorgehen. Sprachkurse sind wichtig und das Eingliedern von Flüchtlingen in unsere Gesellschaft. Außerdem muss Ghettoisierung verhindert werden.

 

V: Was wollt ihr für Studierende tun?

Wir fordern elternunabhängiges Bafög, damit man nicht auf die Zustimmung seiner Eltern angewiesen ist, um studieren zu können. Außerdem ist auch das Fehlen einer verfassten Studierendenschaft hier in Bayern ein wichtiges Thema, das müssen wir ändern und dafür setzen wir uns auch ein.

 

V: Wie wollt ihr elternunabhängiges Bafög finanzieren?

Wir haben einen großen Haushaltsüberschuss. Außerdem fordern wir eine “Reichensteuer”, deren Einnahmen auch dann unter anderem dafür verwendet werden könnten.

 

V: Seid ihr eine Verbotspartei?

Das wird uns wirklich häufig unterstellt. Wir verbieten nicht mehr als andere Parteien, das wird nur so aufgefasst. So ähnlich ist das auch, wenn man Vegetarier ist, da gehen viele Leute dann davon aus, dass man ihnen Fleischkonsum verbieten will, obwohl das nicht der Fall ist.

 

V: Das war bei dem Vorschlag zum „Veggie-Day“ aber anders, oder?

Ja. Aber sowas unter Zwang durchsetzen zu wollen finde ich dumm. Ich bin über jeden froh, der sich vegetarisch oder vegan ernährt, aber mit Zwang erreicht man bei diesem Thema nichts.

 

V: Wie würdest du eine schwarz-grüne Koalition finden?

Mir wäre eine rot-rot-grüne Koalition viel lieber, auch wenn das eher unwahrscheinlich ist. An sich ist das Thema schwarz-grün auch in der Partei sehr umstritten. Ich bin ebenfalls eher kritisch, da wir mit der Union eher wenige Übereinstimmungen haben. Andererseits bin ich froh über jede grüne Forderung, die umgesetzt wird.

 

V: Wenn man an die Legislaturperiode denkt, als SPD und Grüne zusammen regiert haben, erinnert man sich meistens an die Agenda 2010. Bist du auch froh, dass diese Forderung umgesetzt wurde?

Naja, da besteht auf jeden Fall großer Besserungsbedarf! Der Sinn damals war ja eigentlich, Menschen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Aber auch die Parteispitze hat erkannt, dass dafür neue Lösungen gefunden werden müssen.

 

V: Hast du ein Lieblingswahlplakat?

Jap, dieses:

Quelle: Bündnis 90/ Die Grünen am 21.07.17 auf Twitter

 

 

V: Wie findest du den Wahlwerbespot der Grünen?

Gerade die ersten Bilder sind schon etwas reißerisch und dazu da, dass die Leute nicht sofort wegklicken. Die Inhalte danach finde ich allerdings sehr gut. Für Nürnberg haben wir sogar einen eigenen Werbespot gedreht, das hat echt Spaß gemacht und wir erreichen viele Menschen damit. (Hier gehts zum Nürnberger Werbespot)

 

V: 1983 sind die Grünen mit Bart, Strickpulli und langen Haaren in den sonst sehr prüden Bundestag eingezogen. Mittlerweile kann man sie kaum noch von anderen Abgeordneten unterscheiden. Haben die Grünen an Glaubwürdigkeit verloren?

Das würde ich nicht sagen. Es ist eine persönliche Entscheidung, wie sich die Abgeordneten anziehen. Vielleicht hat die Partei auch mehr Akzeptanz und Mitglieder aus der Mitte gewonnen, weshalb die Bundestagsabgeordneten auch seriöser auftreten, aber die Inhalte haben sich wenig verändert.

 

Foto: Christoph Wusaly

Steckbrief

Name: Julian Meroth

Alter: 19

Geschlecht: männlich

Studienfach: Bis zum SS ’17 Archäologie an der FAU, wechselt aber jetzt an die OHM, um Bauingenieurswesen zu studieren

Berufswunsch: Bauingenieur

Herkunft: Fürth

Beruf der Mutter: Lehrerin

Beruf des Vaters: Hat sein Studium nicht beendet und arbeitet jetzt in der IT-Branche

Würdest du dich als “Akademikerkind” bezeichnen? Ich würde sagen wir gehören zum Mittelstand, weswegen ich gute Chancen und Möglichkeiten hatte, was Bildung angeht. Aber genau deshalb setze ich mich für soziale Gerechtigkeit ein.

Geschwister: Eine Schwester

Familienstand: ledig

Hetero oder LGBTQI: Hetero

 

 

 

Das Interview führte Christoph Wusaly.

 

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Hier geht’s zur ÖDP.

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Hier geht’s zur V-Partei³.

Hier geht’s zu DIE PARTEI.

 

Hinweis: Die Auswahl der Parteien sagt nichts über die politische Meinung der Redaktion aus. Wir hatten das Ziel, alle größeren oder im Moment wichtigen Parteien zu behandeln und haben zusätzlich Parteien aufgenommen, von denen wir zufällig Wähler unter unseren Freunden hatten oder die auf uns zu kamen. Leider können wir aus Kapazitäts- und Zeitgründen keine weiteren Interviews mehr führen.

Die Reihenfolge der Interviews stellt ebenfalls keine politische Aussage dar und ist allein davon abhängig, in welcher Reihenfolge unsere Autoren und die Gesprächspartner Zeit hatten.