Ritalin ist ein Medikament, das eigentlich für Menschen mit ADHS gedacht ist. Eigentlich. Immer wieder hört oder liest man davon, dass vor allem unter Studierenden Hirndoping weit verbreitet sei. Während meiner bisherigen vier Semester an der FAU habe ich davon allerdings nichts bemerkt und das ganze als modernen Mythos abgestempelt. Ich war mir zwar bewusst, dass es bestimmt den Einen oder die Andere gibt, der oder die für den Lernerfolg zur Arznei greift, hielt es aber für wenig verbreitet. Durch einen Zufall lernte ich dann Paula* (24) kennen, die gerade in der Prüfungszeit täglich zu dem Medikament greift. Ich habe sie für euch interviewt.

 

V: Wie bist du dazu gekommen, Ritalin zu nehmen?

Paula: Kurz vor dem Abitur hat mich jemand aus meiner Klasse darauf angesprochen, dann hab ich es ausprobiert. Ich bekomme es auch heute noch von ihm.

 

V: Wie wirkt sich Ritalin auf dich aus?

P.: Wenn ich eine halbe Tablette nehme, also 5 mg, dann kann ich bis zu 5 Stunden am Stück lernen. Wenn ich vor habe, den ganzen Tag zu lernen, nehme ich eben, wenn die Wirkung nachlässt, noch ‘ne Hälfte. Dann kann ich mich total auf eine Sache konzentrieren, bin fokussiert und habe richtig Lust aufs Lernen.

 

V: Hast du schonmal Nebenwirkungen zu spüren bekommen?

P.: Ja, schlechte Laune zum Beispiel, wobei diese natürlich auch mit der Prüfungszeit einher geht, Ritalin kann diese jedoch verstärken. Zusätzlich hat man auch weniger Hunger und es kann zu Schlafstörungen kommen.  [Anm. d. Red.: Weitere Nebenwirkungen findet ihr hier im Beipackzettel des Medikaments.]

 

V: Wie oft nimmst du Ritalin?

P.: In der Prüfungsphase fast täglich, sonst nahezu gar nicht.

 

V: Wie sieht es in deinem Freundeskreis aus, greifen die auch auf Ritalin zurück?

P.: Ein paar, wobei die wenigsten davon Geisteswissenschaftler sind. Die meisten studieren Jura oder Ingenieurswesen.

 

V: Findest du es anderen Studierenden, die auf solche Mittel nicht zurückgreifen wollen oder können gegenüber nicht unfair?

P.: Naja, was heißt schon unfair? Es ist ja auch unfair, wenn Kinder aus akademischen Familien kommen und von vornherein mehr Fachwissen haben oder sich Nachhilfe leisten können oder wenn Studierende spicken. Klar ist es auf eine gewisse Art und Weise nicht fair, aber jeder hat seine Strategie, wie er durchs Studium kommt. Ich will ja nicht, dass andere schlechte Noten schreiben, sondern einfach nur, dass ich bestehe.

 

V: Bist du der Meinung, dass Ritalin legalisiert werden sollte?

P.: Schwierige Frage! An sich bin ich ganz klar für eine liberalere Drogenpolitik, aber nicht dafür, dass man es sich einfach so kaufen kann. Man könnte es legalisieren, aber so, dass man es unter ärztlicher Aufsicht zum Lernen verschrieben bekommt.

 

V: Könntest du ohne Ritalin auskommen, bzw. lernen?

P.: Ja, klar könnte ich. Wobei das natürlich dann nicht mehr so viel Spaß macht. Allerdings würde ich dann nicht mehr auf so kurze Zeit so viel Stoff lernen können. Man hat in einem Semester bis zu 6 Prüfungen, zusätzlich dazu noch Hausarbeiten, da ist es eben nützlich, wenn man 10 Stunden lernen kann.

 

V: Glaubst du, dass das ein Problem unserer Leistungsgesellschaft ist, Studierende dazu zu bringen, sich durchs Studium zu dopen?

P.: Also ich glaube nicht, dass es nur an dem Leistungsdruck liegt, wenn Studierende Medikamente zum Lernen nehmen. Aber an sich trägt das natürlich schon dazu bei. Es liegt ja nicht nur am Studium: Man arbeitet nebenbei, muss soziale Kontakte pflegen und sich um seine Wohnung kümmern. All das unter einen Hut zu bekommen ist natürlich extrem schwierig.

 

V: Wie lange hast du vor Ritalin noch zu nehmen?

P.: Solange ich studiere und eben nur in der Prüfungszeit, es macht ja keinen Sinn, Ritalin einfach im Alltag zu nehmen. Wobei, es kann schon sein, dass ich wieder zu Ritalin greife wenn ich Hausfrau bin und fünf Kinder habe [lacht].

 

V: Willst du zum Schluss noch irgendetwas klarstellen?

P.: Also ich finde, dass man sich mehr mit diesem Thema auseinandersetzen sollte. Es ist ja nicht abstreitbar, dass es ungesund ist, aber an sich sollte man im Allgemeinen viel mehr über Drogenpolitik reden und diskutieren, vor allem auch in der Politikwissenschaft. Es ist ja nichts Neues, dass Menschen so etwas nutzen. Ein Beispiel dafür ist auch Cannabis. Obwohl die Linke, die Grünen und teilweise auch die SPD sich für eine Legalisierung aussprechen, ist das immer noch ein totales Tabuthema.

 

*Name durch die Redaktion geändert.

Das Interview führte Christoph Wusaly.