Die beiden Studenten Benjamin Brow und Jonathan B. Reuter bringen das Stück „Draußen vor der Tür“ am 24. und 25. Mai 2018 im Experimentiertheater der FAU auf die Bühne. Über ihren eigenen Zugang zum Werk, die Themen Krieg und Verantwortung und die Zeitaktualität des Stückes hat unsere Autorin und Dramaturgin des Stückes Gesine vorab mit dem Regie-Team gesprochen.
Tagtäglich werden wir medial mit Krieg konfrontiert. Im Fernsehen, Internet und in der Zeitung sind die Kriegsbilder der heutigen Zeit konsumierbar und auf eine Art auch kontrollierbar geworden. Aus den Augen, aus dem Sinn. Was dabei passiert, ist eine Art Entfremdung. Eine Entfremdung zum weltlichen Kriegsgeschehen, zum Leid und der Mitverantwortung. Wie fassbar können diese heute noch für uns sein, in all der räumlichen und zeitlichen Distanz?
„Das ist herrlich, wenn man satt und warm ist, vom Elend anderer Leute zu lesen und so recht mitleidig zu seufzen.“ – Wolfgang Borchert
Diese Entfremdung (der Gesellschaft) zeigt sich auch in dem Stück „Draußen vor der Tür“ (1947) von Wolfang Borchert. Selbst Kriegsheimkehrer aus dem Zweiten Weltkrieg, verarbeitete Borchert im Protagonisten Beckmann seine Rückkehr nach Deutschland. Beckmann sucht nach Anhaltspunkten, Bezugspersonen und Verantwortlichen, denen er die durch den Krieg aufgebürdete Verantwortung zurückgeben kann. Doch bei jeder Tür, an die er klopft, erfährt er Zurückweisung. So bleibt Beckmann auf der Straße zurück – traumatisiert und allein. Ohne Tür, wo er ein Zuhause finden könnte.
V: Das Stück „Draußen vor der Tür“ handelt von…?
Jojo: Dem Kriegsheimkehrer Beckmann, der mit seinem Leben am Ende ist und von Tür zu Tür gehend versucht, die Schuld, das Leid und die Verantwortung, die er während des Krieges gesammelt hat, wieder los zu werden. An den Türen begegnet er uns oder anderen, die mit dem Krieg und/oder mit ihm nichts mehr anfangen können.
V: Warum habt ihr euch entschieden, zu zweit Regie zu führen?
Benny: Jojo und ich hatten letztes Jahr nach ein paar Bier bei der Dernière von ‘Hörsturz’ beschlossen, selbst ein Stück zu inszenieren. Wir wollten das nicht alleine machen, da die Motivation und der Ansporn einfach größer sind, wenn man weiß, dass man gemeinsam die Verantwortung trägt und gemeinsam arbeiten kann. Dabei muss man sich natürlich immer gut absprechen. Aber wir haben uns dadurch auch tatsächlich viel Arbeit aufgeteilt und uns, wie ich finde, sehr gut ergänzt.
Jojo: Das finde ich auch. Bereits von Beginn an war klar, dass Benny und ich sehr gut zusammenarbeiten werden. Die Arbeit zu zweit gibt Sicherheit und man hat immer einen Partner zum Ideen hin und her schießen.
V: Wieso habt ihr dieses Stück ausgewählt?
Jojo: Benny hatte das Stück vorgeschlagen, ich hatte es noch grob in Erinnerung. Hinter der vermeintlich eingestaubten Form besitzt das Stück einen Mitteilungsdrang und eine Aktualität, die faszinieren. Das hat auch viel mit dem Autor Wolfgang Borchert zu tun, der die Urfassung des Stückes in zwei Wochen schrieb. Dieser manische Moment ist das Spannendste an Draußen vor der Tür.
Benny: Das Stück hat mich schon in der Oberstufenzeit beeindruckt! Der Text und Schwerpunkt dieses Werkes ist vergangen und gleichzeitig unglaublich aktuell. Heute, wo wir Krieg und Leid nur noch aus den Massenmedien kennen und dabei immer mehr abstumpfen, ist es umso interessanter, sich mit „Draußen vor der Tür“ zu beschäftigen. Die Direktheit, Schärfe und zynische Ader des Textes eignet sich gut zum Experimentieren und Ausprobieren.
V: Was war beim Inszenierungsprozess Eure Inspiration…?
Jojo: Vieles. Die freie und offene Arbeit mit unseren Spieler*innen genauso wie die intensive Beschäftigung mit Wolfgang Borchert und allem, was wir als thematisch passend assoziiert haben.
Benny: Ich würde sagen, vor allem unsere Gruppe. Es war uns von Anfang an wichtig, sich zusammen mit den Darstellern an diese Inszenierung zu setzen und darüber zu sprechen. Wir wollten wissen, was sie und wir eigentlich denken, und worauf der Fokus des Inszenierungskonzepts gelegt werden soll.
V: Worauf habt ihr bei der Inszenierung Euren Fokus gesetzt?
Benny: Da möchte ich nicht zu viel verraten, aber der Text spielt natürlich eine wesentliche Rolle. Dieser soll mit ästhetischen Momenten und Bildern unterstützt werden, die wir mit möglichst schlichten, aber effektiven Mitteln erzeugen.
Jojo: Genau, eher auf den mutigen und spielerischen Umgang mit dem Text, dabei weniger auf bühnenbildnerische oder anderweitige Überladung. Die Sprache und deren Aneignung durch die Spieler*innen steht im Vordergrund.
V: Was ist Deine Lieblingsstelle im Stück?
Jojo: Die Figur des Todes und die Figur der Elbe bieten sehr schöne Dialog-Momente mit Beckmann.
Benny: Da kann ich mich schwer entscheiden. Der Anfang der 5. Szene ist aber beispielsweise eine Lieblingsstelle. Hier wird das Thema „Nach Hause kommen“ erst richtig real. Die totale Verzweiflung Beckmanns, der in Zynismus überschlägt, trifft hier auf eine nahezu selbstverständliche Ignoranz.
V: Eine Tür ist für mich…?
Benny: Ein Anfang und zugleich eine Grenze. Eine Tür kann offen, halb geöffnet, verschlossen oder zugeschlossen sein. Sie ist ein spannendes Symbol, ein Sinnbild für Neuanfang und Ende.
Jojo: Seit der Arbeit an dieser Produktion ein Paradoxon. Sie ist alles und nichts. Aber auch ein Bild für die Hoffnung des Neuanfangens.
V: Das Spannende/Interessante an unserer Inszenierung ist…?
Benny: … das Spiel mit Rolleninterpretation und Spielebenen.
Jojo: … der Spaß am Spiel und die dynamische Herangehensweise.
V: Warum sollte der Stoff 2018 immer noch gespielt werden?
Jojo: Das Stück hat eine wunderbare Sprache, die trotz einer gewissen Sperrigkeit einen unglaublichen Sog entwickelt. Thematisch an Aktualität kaum zu überbieten, was für den spezifischen Kontext als Nachkriegs- und Heimkehrerstück beachtlich ist.
Benny: 2018 bedeutet nicht nur, dass Wolfgang Borchert schon 70 Jahre tot ist, sondern auch, dass Politik gegen Erinnerungskultur und für das Vergessen des Krieges immer salonfähiger wird. Das Leid aktueller Kriegsleidender wird verdrängt und verharmlost. Da kann dieses Stück aktueller nicht sein.
Von Gesine Allmann
Aufführungstermine am 24. und 25. Mai 2018, Beginn: 19:30 Uhr, Experimentiertheater (Bismarckstr. 1, Erlangen) // Eintrittspreis: 3€
“Draußen von der Tür” ist eine studentische Theaterproduktion unter der Regie von Benjamin Brow und Jonathan B. Reuter.
Dramaturgie: Gesine Allmann
Mit:
Lisa August
Tamira Kalmbach
David Krohne
Oliver Mende