Alle guten Dinge sind drei, so sagt man zumindest. Nachdem zwei, im Schimmer meiner Hoffnung strahlende Versuche bereits gescheitert sind, steht nun der dritte Versuch an: Begleitet mich mit dieser Kolumne durch die wundersam beschissene Zeit eines Nikotinentzugs.

 

Damit ihr euch ein Bild davon machen könnt, wieso ein dritter Versuch überhaupt notwendig ist, hier ein paar Hintergrundinfos über die ersten zwei Versuche:

Der Erste scheiterte in einer ausgelassenen Partynacht, mit noch ausgelassenerer Stimmung. Das Weinglas (oder auch die Flasche) zu viel weckte ein lange verdrängtes Verlangen in mir, welches die Tatsache von fünf rauchfreien Monaten in den Hintergrund meines Kopfes schob. Unter dem Vorwand „frische Luft zu schnappen“ begab ich mich ins Freie, durchdrang dicke Rauchschwaden und verinnerlichte deren grässlich gewohnten Geruch. Eine Ausnahme wollte ich mir gönnen, zur Feier der Nacht, doch schon der erste Zug entflammte meine Liebe zum Nikotin erneut.

Natürlich blieb es, wie es mit Ausnahmen immer so ist, nicht bei diesem einen Fall. Aus der Fluppe, die ich mir auf Partys schnorrte, wurde in wirklich kurzer Zeit ein selbstgekauftes Päckchen Tabak, welches ich zunächst heimlich qualmte. Es mag verrückt klingen, als erwachsener und selbstständiger Mensch inkognito zu rauchen, aber wenn es eine Sache gibt, die mir unangehmer als ein Nikotinentzug ist, dann, vor anderen mein Scheitern zuzugeben.

Vor allem deshalb, weil mir viele Menschen den Rauchstopp zutrauten, sie kannten meinen Dickschädel und meinen eisernen Willen und waren sich einig, dass ich es – motiviert wie ich war – sicherlich packen würde.

 

“Freiwillig” den Müll rausbringen

Gerade deshalb fühlte ich mich nicht, als ob ich mir mit dem erneuten Tabakkonsum schaden wollte, sondern störte mich vor allem daran, die Erwartungen und Hoffnungen meines ganzen Umfeldes enttäuscht zu haben. Irgendwann war es dann so weit, ich hatte genug von der Heimlichtuerei, genug vom Hände waschen und panischen kauen von vier Kaugummis nach jeder einzelnen Kippe.

Vor allem aber hatte ich genug von einem bestimmten Ritual, welches sich in meiner Beziehung eingebürgert hatte. Entweder brachte ich „freiwillig“ den Müll ‘raus oder hatte etwas ganz wichtiges in meinem Auto vergessen um anschließend, nach der Kippe versteht sich, ganz dringend aufs Klo zu müssen – Zähne putzen – und dann, wegen des verdächtigen Zahnpastageschmacks, in der Küche einen kleinen Snack zu mir zu nehmen, um wirklich alle üblen Gerüche und Geschmäcker beseitigt zu haben. Erst dann konnte ich mich mit schlechtem Gewissen wieder zu ihm auf die Couch legen und mir Gedanken über meine nächste Zigarette machen. Mit dem Küssen wartete ich dann ein Weilchen und mit der nächsten Tabakdosis gar so lange, bis mein Freund irgendwann schlief.

Zugegeben, diese Geschichte (während ich sie niederschreibe fühle ich mich wie ein Agent, der ein Doppelleben verheimlichen muss) hört sich selbst für mich noch viel verrückter an, als die Tatsache, überhaupt heimlich geraucht zu haben und zeigt mir deutlich auf, wie krank so eine Sucht doch ist. Nach und nach gestand ich es den Personen in meinem Umfeld und selbst, wenn mir einige Freund*innen Mut zusprachen, es erneut zu probieren, zeigten ihre Blicke vor allem eins: Mitleid.

Ich erntete Mitleid, weil sie genau wussten, dass ich es wie die Pest hasse, zu versagen, ich nebenbei wirklich sehr gerne Nichtraucher wäre und alles in allem durchschaut haben, dass ich mir nicht mal selbst mit meinen „Darum-rauche-ich-wieder“-Ausreden etwas vormachen konnte.

 

Versuch No. 2

Monate vergingen und zugegeben, ein Teil von mir – also die Sucht – war natürlich froh darüber, wieder befriedigt zu werden, aber dennoch stieg der Groll meiner Vernunft und Zielstrebigkeit stetig an, bis sich dieser in Versuch No. 2 gipfelte.
Erneut wurde mir von Freund*innen Mut zugesprochen, aber einige, meist selbst rauchende Menschen, rieten mir dazu, am besten gleich weiter zu rauchen, da ich ja schon einmal scheiterte. Schöne Logik, als ob ich wegen einem gescheiterten Versuch zum lebenslangen Sitzen im Gefängnis der Tabakindustrie verpflichtet wäre.

Da ich schon immer ein sehr hoffnungsvoller und zuversichtlicher Mensch war, ließ ich mich nicht davon beirren, suchte nach einem passenden Termin, kaufte die letzte Packung Tabak, lauschte acht Stunden dem Nichtraucherhörbuch, um mir dann die„wirklich“ letzte Kippe anzuzünden.

Ich fasse mich kurz: Es hat geklappt, allerdings nur etwas mehr als 3 Monate, genauer gesagt: Es klappte bis zur Prüfungsphase und dem Moment, als ich in der Hauptbib saß und mich wirklich überhaupt nicht konzentrieren konnte.

 

Klausurenzeit

Also wanderte mein Blick durch die Gegend. Ich beobachtete Menschen beim Lernen, fokussierte durch die Luft tanzende Fussel und landete schließlich bei den rauchenden Menschen vor dem Gebäude. Plötzlich wurde ich neidisch, auf die Menschen, welche nicht mit der Sucht gebrochen hatten und sich nun eine kleine Pause gönnten, den Rauch ihrer Kippe genossen, um anschließend konzentriert weiter zu lernen.

Gleichzeitig wurde ich auch traurig, weil Lernen mit Raucherpausen eine für mich perfekte Mischung war. „Frische Luft“ schnappen, kurz auf andere Gedanken kommen, die Glücksgefühle seiner Sucht genießen und vor allem die Gewissheit: In spätestens 90 Minuten steht die nächste Pause an.

Ich konnte an nichts anderes mehr denken, meine Gedanken kreisten um das Thema Raucherpause, wie Geier um Aas. Die Lösung schien so nah, eine kleine Fluppe und meine Konzentrationsschwierigkeiten, so dachte ich zumindest, wären wie weggeblasen.

 

Der Deal mit mir selbst

Also schloss ich einen Deal mit mir selbst – seltsamerweise mache ich solche Spielchen wirklich oft – und wählte eine mir unbekannte Raucherin aus. Wenn diese mir eine Kippe geben würde, dann würde ich diese eine, einzige Zigarette rauchen. Sollte sie mir keine geben, dann wird eben nicht geraucht – ganz einfach!

Großzügigerweise hielt mit Studentin X auf meine Nachfrage eine prall gefüllte, verlockend schöne Schachtel vor die Finger und startete damit die tolle Idee der „täglichen Lernzigarette“, welche mich – natürlich – erneut in die Sucht stürzen ließ.

Das muss sich für euch alles wahnsinnig dumm anhören und genau so ist es auch. Niemand bringt einen besser dazu, sich und sein ganzes Umfeld zu hintergehen wie eine Sucht. Niemand lässt dich blödere Lügen glauben als eine Sucht. Niemand ließ mich bisher so an meinem eigentlich eisernen Willen so sehr zweifeln wie meine Sucht.

Die Monate vergingen, ich qualmte mehr oder weniger fröhlich weiter, ohne Heimlichtuerei, aber stets mit schlechtem Gewissen meinem Körper gegenüber, denn irgendwann, so war ich mir sicher (bzw. hoffte ich inständig), werde ich diese schreckliche Abhängigkeit wirklich aufgeben.

 

Wie es weiter geht mit meinem Vorhaben, das Rauchen aufzugeben, erfahrt ihr in einiger Zeit auf dem V-Blog!

 

Von Christoph Wusaly