Schnipp, Schnapp, Haare ab – und ran an die Perücke! Unsere ehemalige Chefredakteurin Sabrina berichtet, wie Haare spenden funktioniert.

 

Nicht mal eine Minute braucht die Schere, um den dicken Zopf abzutrennen. Kristin Löchle (26) sitzt auf dem Friseurstuhl und schaut gespannt in den Spiegel. Die Friseurin schneidet zielstrebig den langen Pferdeschwanz ab. Wo die Schere schon ihre Arbeit geleistet hat, fallen die blonden Haare locker runter. Ganz bis zur Schulter reichen sie jetzt nicht mehr, sondern umspielen die Ohren.

Es ist kein normaler Friseurbesuch, denn Kristin ist hier, um ihre Haare zu spenden. Zuvor hatte sie ihre Haare fast ein Jahr lang „gezüchtet“, damit sie lang genug sind. Denn für eine Haarspende werden ca. 25-30 cm Haarlänge benötigt. „Für mich sind meine Haare nicht so wichtig, wie sie vielleicht für andere Menschen sein können, zum Beispiel für Leute die krebsbedingt keine oder nur noch wenige Haare haben. Warum sollte ich diesen Menschen dann nicht helfen? Und mir ist es egal, ob meine Haare lang oder kurz sind.“ Erzählt mir Kristin nach dem Friseurtermin.

Es wird ernst. Foto: Sabrina Ahmed

Echthaarperücken haben viele Vorteile gegenüber Kunsthaarperücken. Neben der natürlichen Optik bieten Echthaarperücken auch einen speziellen Tragekomfort. Das Haar liegt genauso am Kopf wie echtes Haar, da Echthaarperücken oft mit einem (Teil-)Monofilament mit Filmansatz ausgestattet sind. Monofilament ist ein feiner Tüll, an den die Haare geknüpft werden, sodass es aussieht, als ob die Haare direkt aus dem Tüll wachsen, wie bei einer echten Kopfhaut. Dadurch hat der/die Träger*in nicht das Gefühl, eine Kappe auf dem Kopf zu haben.

Echthaarperücken sind weicher und anschmiegsamer als das Pendant aus Kunsthaar und können außerdem gestylt werden wie echtes Haar, da sie eine natürliche Rauheit besitzen. Hochsteckfrisuren, Föhnfrisuren, Locken und Färben… alles ist möglich. Ein weiterer Pluspunkt: die Perücken aus Echthaar sind sehr lange haltbar und verfilzen nicht so schnell.

25 bis 30 cm sollte der Zopf für eine Haarspende lang sein. Foto: Sabrina Ahmed

Doch die aufwendige Herstellung der Echthaarperücken spiegelt sich auch im Preis wieder. 800-3000 Euro und mehr kann man für eine Echthaarperücke zahlen. Die Haare müssen per Hand nach Wuchsrichtung sortiert werden, um dem Verfilzen vorzubeugen. Bei hochwertigen Perücken wird dann Haar für Haar händisch mit der künstlichen Kopfhaut verknüpft. Das sind 80.000-100.000 Knoten, denn so viele Haare benötigt eine Perücke. Jede Perücke besteht je nach Haarqualität aus bis zu 10 Zöpfen.

Alternativ gibt es auch sogenannte Tressen. In diesem Fall werden die Haare maschinell auf das Tüllband genäht. Das ist zwar kostengünstiger, aber gleichzeitig geht der natürliche Look verloren. Viele Perücken bestehen mittlerweile aus einer Kombination der beiden Varianten, wobei nur am Hinterkopf Tressen verwendet werden. Damit Krankenkassen die Kosten übernehmen, muss die Notwendigkeit für eine Echthaarperücke oftmals therapeutisch von einem Arzt/einer Ärztin verordnet werden.

Kristin spendete ihre Haare bei www.haare-spenden.de. Diese Organisation verarbeitet das gespendete Haar zu Echthaarperücken für erkrankte Menschen. Diese müssen dann nichts oder kaum etwas für die Perücke zahlen, da der Preis für die Haare nicht in die Herstellungskosten eingerechnet wird. Zusätzlich spendet haare-spenden.de ab einer Haarlänge von 30 cm einen bestimmten Geldbetrag an eine Hilfsorganisation. Die Höhe der Spende rechnet sich nach der Qualität, der Länge und dem Gewicht der gespendeten Haare.

 

“Was aber wirklich merkwürdig ist, ist, wenn man dann den Zopf mit den eigenen Haaren in der Hand hat. Das ist ein eigenartiges Gefühl. Das fühlt sich einfach nicht mehr wie ein Teil von mir an.” Foto: Sabrina Ahmed

 

Der Spendevorgang ist sehr einfach und auf der Webseite genau beschrieben. „Die Haare in den Briefumschlag, zugeklebt, abgeschickt, fertig! Ich hab‘ das innerhalb von 2 Minuten erledigt.“ erklärt Kristin. Für sie war es besonders wichtig, dass der Empfänger der Perücke nichts für die gespendeten Haare zahlen muss.

Vorher und nachher. Foto: Sabrina Ahmed

Und Kristin ist sich sicher, dass gerade die kalte Jahreszeit die perfekte Zeit zum Haarespenden ist: „Ich bin jetzt sehr glücklich mit meinen kurzen Haaren, weil ich im Winter eh lange Haare sehr unpraktisch finde. Zum Beispiel wenn man einen Schal anhat und sich die Haare dann verknoten oder man quetscht sie im Reißverschluss der Jacke ein.“ Außerdem betont sie, dass man sich bei Zweifeln immer vor Augen führen sollte, dass die Haare ja wieder wachsen. Selbst wenn einem die Kurzhaarfrisur nicht so gut gefällt, hat man nach ein paar Monaten wieder lange Haare.

Ihre Entscheidung bereut Kristin nicht. Sie hat vor, ihre Haare in Zukunft nochmal zu spenden. Und den Sommer über hat sie ja jetzt auch wieder genug Zeit zum Haare „züchten“.

 

Von Sabrina Ahmed