Vor circa einem Jahr hat Ayman auf unserem Blog von seinem Weg nach Deutschland berichtet, es war einer unserer beliebtesten Artikel. Er hat beschrieben, wie die Bewerbung auf seinen Studienplatz und sein Visum liefen und er hier ankam. Nun könnt ihr die Fortsetzung lesen: So geht es Ayman nach eineinhalb Jahren in Erlangen.

 

“Es scheint nicht so einfach zu sein”, war mein erster Gedanke, nachdem ich die ersten Seminare und Vorlesungen in meinem Masterstudium an der Uni besucht hatte. Ich erkannte, dass das Studium hier in Deutschland nicht einfach und viel schwieriger als in meinem Heimatland Ägypten ist. Ich war mit vielen Aufgaben am Anfang des Studiums überlastet.

Am Ende jedes Semesters musste ich drei Hausarbeiten schreiben. Dies sind insgesamt fast 60 Seiten. Das war für mich als Nicht-Muttersprachler etwas Schwieriges, aber das war nicht das Hauptproblem. Das größte Problem war, dass ich nicht wusste, was eine Hausarbeit ist, wie sie aussieht, wie man sie gestaltet, Literaturrecherche dazu macht und die Literatur in der Hausarbeit angibt. Ich habe das damals an meiner Uni in Kairo nicht studiert.

Ich musste ebenfalls auch keine Bachelorarbeit in meinem Studium schreiben. Das ist normalerweise nicht der Fall an vielen ägyptischen Universitäten, aber in meinem Fall war es einfach so. Ich dachte, bei einer Hausarbeit soll ich meine eigenen Gedanken zum Thema schreiben, ohne Literatur dazu zu verwenden, aber das wird dann als keine wissenschaftliche Arbeit betrachtet.

Ayman ist inzwischen seit eineinhalb Jahren in Deutschland und hat seitdem auch seine Familie nicht wieder gesehen. Foto: privat

Ich habe dann zum Glück festgestellt, dass es dazu Bücher gibt, von denen ich lernen kann, wie man eine wissenschaftliche Hausarbeit richtig schreiben kann. Ich musste es mir selber ohne Hilfe beibringen und ich lerne es immer noch. Das war sehr mühsam.

Am Anfang meines Aufenthalts hier versuchte ich mich gesellschaftlich zu engagieren, denn das wäre ein Weg für mich, mehr über das Land und seine Regeln zu erfahren. Daher habe ich mich ehrenamtlich beim Projekt ASB-Dolmetscherpool engagiert und Menschen geholfen, die aus dem arabischen Raum kommen und über wenig oder keine deutschen Sprachkenntnisse verfügen.

Ich habe Sie manchmal zum Arzt oder Rathaus begleitet und bei ihren Angelegenheiten als Sprachvermittler geholfen. Das hat mir sowohl Spaß gemacht, als auch neue Erfahrungen in einem neuen Land gebracht. Je mehr ich gesehen habe, desto mehr habe ich vom Land erfahren und gelernt.

Als ich mich für mein Studium hier an der Uni beworben habe, habe ich den Namen meines Vaters, nämlich Khaled, als Nachnamen angegeben. Das habe ich auch bei allen Institution hier gemacht, als ich nach Erlangen gekommen bin. Unter einem Nachnamen habe ich den Namen verstanden, der sofort nach meinem persönlichen Namen kommt.

Als ich meine erste Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland erhalten habe, stand der letzte Name, also der Name meiner Familie, in meinem Reisepass als Nachname, nämlich Arafa. Daher musste ich das alles nochmal bei den Institutionen ändern. Viele hatten dafür Verständnis, dass ich es am Anfang nicht richtig verstanden habe. Andere jedoch warfen mir vor, den Namen einer anderen Person für mich genommen zu haben.

Gesetzliche oder private Krankenversicherung? Eine Teilzeitbeschäftigung oder Minijob? Arbeit im Bereich der Logistik, Gastronomie? Was ist deine Steuer-ID und Sozialversicherungsnummer und welche Steuerklasse bist du? Was soll das alles sein? Google war und ist immer mein engster Freund, von dem ich immer eine Antwort gekriegt habe oder mich zumindest auf den Weg zur Antwort gewiesen hat.

Dass ich einen ausländischen, nicht deutsch klingenden Namen habe, reicht schon, um vielleicht bei einem Job automatisch abgelehnt zu werden und nicht einmal eine Antwort auf die Bewerbung zu bekommen. Ich bin ein Ausländer und spreche die Sprache mit einem Akzent. Ich stellte fest, dass ich manchmal anders und sogar rassistisch behandelt werde.

Bevor ich die Entscheidung traf, in Deutschland zu studieren und hier zu leben, hatte ich ein ideales Bild von Deutschland: Dass alles schön und einfach ist und die Menschen hier mit ihrem Leben glücklich sind. Ich habe aber erkannt, dass Deutschland auch verschiedene Probleme hat und dass sich die Menschen hier auch über bestimmte Angelegenheiten beschweren und auf soziale und gesellschaftliche Verbesserungen hoffen. Es gefällt mir hier vieles, aber vieles auch nicht.

Zwischen zwei Kulturen, die sehr weit voneinander entfernt sind, fühle ich mich manchmal verloren. Ich bin immer noch auf der Suche nach einer persönlichen Identität. Nach meiner Vergangenheit und meiner Gegenwart befinde ich mich in einer Identitätskrise, welche mein Leben schwierig gestaltet. Wer und wie ich sein soll? Ich versuche natürlich einen Kompromiss zu finden, jedoch befinde ich mich häufig in einem schweren innerlichen Konflikt.

Meine Familie, die ich seit eineinhalb Jahren nicht gesehen habe, bleibt das einzige Motiv für mich, den Weg weiter zu gehen und nicht aufzugeben, aber manchmal bin ich enttäuscht, denk viel nach und frage mich, ob sich das alles lohnt/lohnen wird? Am Ende jedoch lasse ich mich nicht so einfach unterkriegen, auch wenn es nicht so einfach scheint.

 

Von Ayman Arafa