Mithilfe einer Projektion konnten die Macher*innnen von „Sündenfälle – und wie man der Schwerkraft entgegenwirkt“ die Räumlichkeiten des „Kreuz + Quer“ am 20.06.19 in eine plastische und interaktive (Traum-)Landschaft verwandeln und damit die Zuschauer*innen in ihren Bann ziehen.

Nachdem der kleine Raum mit Menschen gefüllt ist, startet das Ensemble zuerst mit einer einstudierten Szene. Eine Schauspielerin tritt vor, eingehüllt in ihre Jacke. Verwunderung macht sich im Publikum breit, das aufgrund der Hitze schon die ersten Schweißperlen verliert. Während eine weitere Schauspielerin anfängt im Hintergrund einen Text von Kleist vorliest, beginnt sich der Raum zu wandeln. Ein Projektor wirft eine abstrakte Winterlandschaft auf eine durchsichtige Leinwand in der Mitte des Raums. Unterlegt mit einem stimmungsvollen Geigenspiel änderte sich die Atmosphäre schlagartig. Den Zuschauer erreicht eine kalte Briese, obwohl weit und breit kein Ventilator oder offenes Fenster zu sehen ist.

Foto: Arena / Tim Lassmann (Instagram: @teeatakesphotos)

Nach etwa fünf Minuten stoppt die erste Szene und zum Erstaunen des Publikums wenden sich die Schauspieler*innen ihnen direkt zu. Es werden persönliche Gegenstände gesammelt, die im folgenden Teil der Performance genutzt werden. Außerdem werden Themen und Vorgaben für eine Improvisation erfragt, die schlussendlich in einer Szene mit dem Titel „Des Teufels tonnenweise Konfekt“ resultieren. Wie sich später herausstellen wird, ist das nicht nur der wesentlich längere Teil der Performance, sondern auch der inhaltlich und gestalterisch Überlegenere.

Es beginnt ein verrücktes und mitreißendes improvisiertes Spiel in dem es um Löwen, den Teufel, Konfekt, Liebe und noch vieles mehr geht. Alltägliche Gegenstände aus dem Publikum wie Zigarettenpackungen werden durch die Projektion zunächst zu einem verschlüsselten Brief, der von einer Schauspielerin dechiffriert werden kann, dann zu abstrakten Formen, mit denen die Schauspieler interagieren oder kämpfen. Obwohl die Kulisse scheinbar nur aus einer großen durchsichtigen Leinwand besteht, ändert sich das Szenenbild im Sekundentakt.

Die drei Schauspieler*innen (Uta Zech, Miriam Sachs und Max Howitz) wechseln sich immer wieder ab, spielen vor und hinter der Leinwand und geben sich Vorlagen, setzten Anreize und interagieren. Soweit, so üblich für das Improvisationstheater. Doch noch eine weitere Dame (Kristina Feix) wirkt bei diesem Gesamtkunstwerk mit. Sie sitzt an einem Tisch im Hintergrund, hält die eingesammelten Gegenstände vor eine Kamera und projiziert sie auf die Bühne. Gerahmt wird das gesamte Spiel durch die weichen aber prägnanten Klänge (Kerstin Kaernbach) einer Geige, einer singenden Säge und einem Theremin, die auch zur Koordination aller Akutere des Spektakels dient.

Foto: Arena / Tim Lassmann (Instagram: @teeatakesphotos)

Die Gefahr, dass die Inhalte angesichts der Vielfalt an Akteuren, Bewegungen Formen und Musik in den Hintergrund rücken, ist man bewusst eingegangen. Auch, dass von einem Schauspieler eingebrachte Impulse von den anderen Akteuren nicht aufgegriffen werden, schlicht, weil sie in der Fülle der Eindrücke untergehen. Nichtsdestotrotz schafft die Gruppe „Film Riss Theater“ das Publikum nicht nur im Moment der Improvisation an die geschaffene (Traum-)Welt zu fesseln. Selbst Stunden nach der Aufführung hallen die zauberhaften Laute, Formen und Eindrücke noch nach.

 

Von ARENA/Selim Kücükkaya

 

Die Festivalzeitschrift von Arena… of the young arts, das diese Woche stattfindet, erscheint auf unserem Onlineblog. Ihr lest alle Artikel hier.