„Sex and the City“: Vier verschiedene Frauen, vier verschiedene Leben. Wie sich mein Blick auf die Kultclique nach 10 Jahren verändert hat.

 

Mädelsabend. Meine Mitbewohnerin und ich sitzen auf meinem Bett und wühlen uns durch Netflix auf der Suche nach einem geeigneten Film. Dabei stoßen wir auf „Sex and the City“. Und seien wir doch mal ehrlich, was wäre besser geeignet für einen Mädelsabend als die beiden „Sex and the City“-Filme. Obwohl wir die Filme natürlich schon lägst gesehen haben, entscheiden wir uns dafür, sie noch einmal anzuschauen.

Die Serie „Sex and the City“ dreht sich um die vier Freundinnen Carrie, Charlotte, Miranda und Samantha, die in New York leben und lieben. Jede hat ihren ganz speziellen Charakter und andere Merkmale. Sie spiegeln sozusagen verschiedene Frauentypen oder auch Klischees wieder.

Es dreht sich allem um Liebe, Beziehungen und eben Sex. In die Kinos kamen die Ladies erstmals 2008. Dabei ging es um die Hochzeitsplanung von Carrie und Mr. Big, ihrem langjährigen Schwarm, mit dem sie immer wieder eine On-/Off-Beziehung führte.

Zwei Jahre später kam dann der zweite Spielfilm raus, in dem die Clique Abu Dhabi unsicher macht. Das verspricht doch praktisch schon Unterhaltung pur.
Doch als der Abspann läuft, besteht bei meiner Freundin und mir großer Rede- und Diskussionsbedarf. Wir mussten beide feststellen: Unser Blick auf die Hauptrollen hatte sich extrem verändert.

Als wir die Filme zum ersten Mal sahen waren wir beide ungefähr 13 Jahre alt. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Wir sind älter geworden, vielleicht auch reifer. Zumindest hat sich unsere Einstellung zu Beziehungen und Liebe stark gewandelt, was uns nun ganz deutlich vor Augen geführt wurde. Aber gehen wir die vier Figuren einzeln durch:

 

Charlotte, das naive Ding:

Da wäre die brünette, hübsche Charlotte, die immer gut gekleidet ist, nie Schimpfwörter benutzt und auch sonst das brave Mädchen von nebenan ist. Bei den verrückten Liebesabenteuern von Samantha rümpft Charlotte meistens nur die Nase oder lässt einen vorwurfsvollen Kommentar ab. Sie selbst wünscht sich nichts sehnlicher als einen Ehemann zu finden und eine Familie zu gründen.

Ihre erste Ehe geht zu Bruch. Dann verliebt sie sich ausgerechnet in ihren Scheidungsanwalt. Nach ihrer Hochzeit mit dem Anwalt versucht sie, schwanger zu werden, was einfach nicht funktionieren will. Daraufhin adoptieren sie und ihr Mann ein kleines Mädchen.

Mit 13 Jahren: So wie Charlotte muss man es machen! So wie sie muss man sein, um Glück in der Liebe zu haben. Immer gut gepflegt, immer hübsch gekleidet. Die Lebensziele eine Frau sind auf jeden Fall, den Traumprinzen zu finden, Kinder zu kriegen, in ein tolles Haus zu ziehen und einfach die perfekte Familie zu haben.

Und selbst, wenn etwas mal nicht so läuft, wie geplant, nie die Hoffnung aufgeben, stets positiv denken und nicht die guten Manieren vergessen. Am besten verhält man sich immer wie die perfekte Freundin, dann merken die Jungs schon, was sie an einem haben.

Mit 23 Jahren: Ach Charlotte, ist das dein Ernst?! Du gibst einfach alles auf für einen Kerl? Kaum ist sie verheiratet, kündigt sie ihren Job als Galeristin, taucht komplett in das Leben der perfekten Hausfrau und Mutter ab und ist nach kurzem restlos überfordert. Die perfekte Fassade bröckelt und ich kann nur den Kopf schütteln, wenn ich der naiven Charlotte zusehe.

Bei den Treffen mit ihren Freundinnen ist ab sofort immer ihre kleine Tochter dabei. Ihr Mann könnte ja auch mal die Kinderbetreuung übernehmen? Ach nein, lieber eine Nanny einstellen, Kindererziehung ist einfach eine Frauensache. Zeit für sich scheint Charlotte gar nicht mehr zu haben. Ist das etwa alles, was eine Frau im Leben erreichen kann? Jahrelang durch die City zu tigern auf der Suche nach Mr. Perfect – nur um dann, sobald man ihn gefunden hat, sich komplett selbst aufzugeben und nur noch in zwei Rollen – Hausfrau und Mutter – zu funktionieren?

 

Carrie, die Unsichere:

Carrie läuft ihr Leben lang Mr. Big hinterher, in den sie sich auf den ersten Blick verguckt hat. Es ist ein ständiges hin und her, da Big sich einfach nicht binden möchte. Er ist der freiheitsliebende Walstreet-Hengst, der sich von keiner Frau in Ketten legen lässt. Carrie wird mehrmals das Herz gebrochen, nicht zuletzt, als Big sie vor dem Altar stehen lässt.

Sie ist enttäuscht, wütend — und doch verzeiht sie ihm immer wieder. Obwohl sie durchaus auch bei anderen Männern gute Chancen hätte und sogar kurzzeitig mit einem anderen – Eiden – verlobt ist, der sie auf Händen trägt und alles für sie tun würde. Doch diese Verlobung löst sie auf und schlussendlich heiraten Carrie und Big doch, in kleinem Rahmen und sehr spontan.

Mit 13 Jahren: Carrie und Big gehören einfach zusammen. Er, der starke Mann, und sie, die zierliche Frau, die in seinen Armen liegt. Er der Bad Boy, der sich nicht binden will, sie, die einzige Frau, die ihn ändern wird und für sich gewinnen kann. Wie romantisch. Klar, es ist schwierig, sie muss dafür kämpfen und viel wegstecken, aber für die große und wahre Liebe tut man das doch gerne.

Mit 23 Jahren: Wieso tut sie sich das an? Wieso kehrt sie immer wieder zu ihm zurück und verzeiht ihm alles? Warum steckt sie immer ein und warum scheinen ihre eigenen Wünsche überhaupt nicht zu zählen? Carrie möchte eine große Hochzeit in Weiß, Big lieber eine im kleinen Kreis. Am Ende heiraten sie im Standesamt nur mit den engsten Freunden.

Big möchte auf keinen Fall eine konventionelle Ehe und schlägt vor, ein paar Tage die Woche in getrennten Apartments zu leben. Carrie ist geschockt von der Idee und sträubt sich am Anfang dagegen. Am Ende setzten sie seine Idee um.

Warum geht es immer nur um das, was er will? Carrie scheint mir so unsicher zu sein und so große Angst zu haben, ihn wieder zu verlieren oder ihm zu viel Druck zu machen, dass sie ihre eigenen Wünsche in der Beziehung zurücksteckt. Sie verzeiht ihm aus Liebe jeden Fehler, sogar, als er sie vor dem Altar stehen lässt. Ich kann nicht anders, als mich immer wieder zu fragen: Ist er wirklich der Richtige, wenn sie immer wieder ihre eigenen Wünsche hinter seine stellen muss, damit er bei ihr bleibt?

 

Samantha, die Offene:

Die blonde Samantha lebt ihr Leben und gibt einen Scheiß darauf, was andere von ihr denken. Sie hat zahlreiche Liebhaber und One Night Stands und spricht ganz offen darüber. Sie macht keinen Hehl aus ihrer Sexualität und daraus, dass sie sexuelle Bedürfnisse hat. An einer Beziehung ist sie nicht interessiert. Die paar Männer, mit denen sie es tatsächlich versucht, eine ernste Beziehung zu führen, kann man an einer Hand abzählen.

Mit 13 Jahren: Die arme Samantha. Sie hat keine Familie, ihre Freundinnen sind alles, was sie hat. Sie zieht von einem Kerl zum nächsten ohne jemals richtig zu erfahren, was Liebe ist. Sie scheint unfähig zu sein, eine Bindung einzugehen. Außerdem redet sie über nichts anderes als Sex. Das ist traurig. Sie muss wirklich einsam sein.

Mit 23 Jahren: Wow, Samantha ist eine beeindruckende Frau. Sie redet offen über ihre Sexualität und sie zeigt immer wieder, dass auch Frauen – genau wie Männer – sexuelle Bedürfnisse haben und es absolut keinen Grund gibt, sich dafür zu schämen oder diese sogar zu verdrängen.

Frauen wird viel zu oft gesagt, sie müssten schwer zu haben sein oder sie sollten so tun, als ob sie kein Interesse an Sex hätten. Aber warum? Das ist total unnatürlich. Viel gesünder wäre es, zur eigenen Sexualität zu stehen, sie nicht zu verneinen und vor allem, auch darüber zu reden, so wie Samantha es tut.

Und nein, sie muss nicht zwingend einsam sein, nur weil sie keine Beziehung hat. Sie ist offensichtlich zufrieden mit ihrem Leben. Eine Frau braucht keinen Mann, um glücklich zu sein. Samantha lebt ihr Leben, so wie sie es will und nach ihren eigenen Vorstellungen. Sie lässt sich von niemandem etwas sagen und es ist ihr egal, was die Gesellschaft von ihr denkt. Beeindruckend, wie ich finde.

 

Miranda, die Starke:

Miranda, deren kurze rote Haare zu ihrem Markenzeichen wurden, ist eine erfolgreiche Anwältin. Sie setzt sich in einer Männerdomäne durch und lässt sich durch nichts unterkriegen. Von ihrem Exfreund wird sie ungewollt schwanger. Erst möchte sie das Kind abtreiben und entscheidet sich dann doch um. Gemeinsam mit ihrem Exfreund zieht sie ihren Sohn auf und arbeitet weiterhin an ihrer Karriere. Erst viel später heiratet sie den Vater ihres Kindes. Sie bleibt stets ihren Prinzipien treu, kritisiert die Gesellschaft und ist durch und durch Feministin.

Mit 13 Jahren: Miranda ist immer so pessimistisch! Immer muss sie alles kritisieren und ist ständig am Meckern. Ihr Freund ist so süß und würde alles für sie tun. Warum heiratet sie ihn nicht, als sie von ihm schwanger wird? Warum ist ihr ihre Arbeit so wichtig? Es ist doch offensichtlich, dass ihre Familie darunter leidet und sie sollte wirklich mal einen Gang zurückschrauben. Karriere ist schließlich nicht alles im Leben.

Mit 23 Jahren: Miranda hat so Recht. Die Welt ist ungerecht und es gibt so unglaublich viel, was sich kritisieren lässt. Warum müssen nur Frauen es schaffen, eine Work-Life-Balance herzustellen. Warum müssen nur Frauen sich bemühen, Karriere und Familie unter einen Hut zu quetschen und sich zwischen beiden zu zerreißen, und das mit ständig schlechtem Gewissen.

Miranda hat groß Ziele, sie möchte eine erfolgreiche Anwältin sein und dafür tut sie alles. Klar, Karriere ist nicht alles, aber sie sollte das nicht aufgeben müssen, nur weil sie ein Kind bekommt. Sie kann Mutter und Anwältin sein. Und es ist gut, dass sie ihren Exfreund nicht nur wegen des gemeinsamen Kindes heiratet, sondern erst, als sie es wirklich selber möchte. Für mich ist Miranda eine wahnsinnig starke Frau.

 

Fazit

In „Sex and the City” werden vier verschiedene Frauentypen dargestellt. Alle haben ihre guten und schlechten Seiten. Doch was mich wirklich schockiert, ist, wie anders ich die Frauen nach 10 Jahren sehe.

Ich finde es traurig, dass ich mit 13 Jahren tatsächlich dachte, dass eine Frau alles für die Liebe aufgeben muss oder, dass sie für ihren Mann ihre Wünsche zurückstellen sollte.

Ich finde es traurig, dass ich Carries und Bigs Liebesgeschichte romantisch fand oder dass ich dachte, Charlottes Leben wäre die Norm. Ich finde es traurig, dass ich dachte, Samantha und Miranda wären einfach seltsame Ausnahmen, die eben vom Weg abgekommen sind.

Warum ist das so? Warum musste ich mich erst mit feministischer Literatur auseinander setzen, bevor ich realisierte, dass Frauen nicht als einziges Lebensziel haben sollten, einen Mann zu finden?

Unsere Gesellschaft bringt schon kleinen Mädchen bei, dass Frauen dafür da sind, einen Mann zu finden, der ihnen Kinder und eine Familie schenkt. Das wird durch Filme, Magazine und sogar schon durch Kinderspielzeug in die Köpfe von Mädchen gepflanzt.

Wenn ich zurückdenke, haben meine Freundinnen und ich sogar schon in der Grundschule darüber getuschelt, in wen wir „verliebt“ sind. Damals wussten wir nicht mal, was Liebe eigentlich ist. Erst jetzt mit 23 Jahren ist mir nach einigen Panikattacken und Anfällen von Zukunftsängsten klar geworden, dass es nicht das wichtigste im Leben ist, eine/n Partner*in zu finden. Vielmehr sollte man mit sich selbst zufrieden sein.

Carrie, Charlotte, Samantha und Miranda. Das sind vier verschiedene Frauen, die sich für vier verschiedene Leben entschieden haben. Ich bin mir sicher, dass es zu jeder dieser Lebensweisen Frauen gibt, die sich damit identifizieren können. Es muss nur klar sein, dass weder die eine, noch die andere die Norm ist. Dass jede Frau die Möglichkeit haben sollte, sich ihr Leben selbst zu gestalten, wie sie es möchte. Ohne gesellschaftlichen Druck.

 

Von Sabrina Ahmed