Achtung: Spoiler-Alarm! Die erfolgreiche Netflix-Serie im Stil eines Heist-Movies durchläuft eine bemerkenswerte Entwicklung. Während die ersten beiden Staffeln den kriminellen Genie-Streich des Professors in Szene setzen, geht es in der dritten Staffel um Systemkritik, um Widerstand und um Solidarität. Schade nur, dass die Serie diesem Stoff nicht gewachsen ist.

 

Die Story von „Haus des Geldes“ ist im Grunde schnell erzählt: Eine Gruppe von mehr oder weniger sympathischen Kriminellen überfällt unter der Leitung des genialen „Professors“ die spanische Bankdruckerei. Das Ziel: Geiseln nehmen, Zeit schinden, die Polizei verwirren und nebenbei durch das Personal der Druckerei Unmengen an Geld drucken lassen.

Die Geschichte erinnert an diverse andere, ähnliche Filme. Nichtsdestotrotz macht „Haus des Geldes“ vieles richtig, was dazu führt, dass die Serie unterhaltsam, spannend und durchaus auch intelligent ist. Im Zentrum stehen dabei die Figuren und deren Entwicklungen, ihre Motive, ihre Kämpfe.

Immer wieder stellen sich die zentralen Fragen: Was bringt Menschen dazu, sich auf so ein Unterfangen einzulassen, und wie gehen sie damit um, wenn es dann tatsächlich so weit ist? Die Erzählung schafft es dabei auch, beim Publikum Sympathien für die Geiselnehmer zu wecken, was zentral ist für Heist-Stories.

Neben der Charakterisierung der Figuren, der sehr viel Zeit geschenkt wird, steht vor allem der Professor und sein Plan im Mittelpunkt: Durch seine Raffinesse, weitblickende Planung und Jahre der Vorbereitung antizipiert er jeden Schritt der Polizei. Dennoch muss er immer wieder Eingreifen, wenn der Plan zu scheitern droht.

Passagenweise muss er mit ansehen, wie sein schöner Plan immer weiter den Bach heruntergeht. Auch hier handelt es sich um eine bemerkenswerte Charakterstudie, besonders, sobald das kriminelle Genie ungewollte Gefühle entwickelt und mit diesen umgehen muss.

Haus des Geldes macht also – wie gesagt – viel richtig. Die ersten beiden Staffeln sind unterhaltsam, spannend und herausfordernd. Die im Juli auf Netflix erschienene dritte Staffel steht jetzt vor der Herausforderung, eine eigentlich abgeschlossene Geschichte weiter zu erzählen. Dies gelingt zu Beginn durchaus glaubwürdig: Nach einem Zeitsprung wird die Geschichte weitererzählt, in sich stimmig mit dem Ende der zweiten Staffel und unter Berücksichtigung der etablierten Charaktere.

Das Problem der dritten Staffel liegt an einer anderen Stelle: Die Sympathie für die Bande soll jetzt ausgeweitet werden in ein neues Narrativ: Es geht nicht mehr darum, Geld zu erbeuten, sondern um Systemkritik, um Widerstand, um Solidarität.

Aus den Verbrechern mit mehr oder weniger nachvollziehbaren Motiven und Charisma werden jetzt Revolutionäre, die für die Freiheit kämpfen; der Professor wird zum stilisierten Robin Hood, der Geld regnen lässt, im Camping-Bus durch die Pampa fährt und Geldkuverts verteilt. Der neue Überfall – diesmal auf die spanische Zentralbank – dient nicht mehr in erster Linie der Bereicherung, sondern der Befreiung eines festgenommenen und gefolterten Kumpanen. Es geht um Freiheit, um Gleichheit, um Menschenrechte und Anti-Establishment.

An dieser Stelle wird die Serie unglaubwürdig, denn die Handlungen der Gruppe stehen im krassen Widerspruch zu den Idealen, von denen uns erzählt wird, dass sie plötzlich wichtig seien. In den ersten beiden Staffeln dient der ganze Überfall nur der eigenen Bereicherung, der Verfolgung eigener Interessen.

Dazu wird in Kauf genommen, dass Personen verletzt werden und sterben. Duzentfach werden Geiseln unter Druck gesetzt, psychisch gefoltert, teilweise vergewaltigt. Teammitglieder werden fast hingerichtet oder ausgeliefert. Und der Professor lässt zu, dass der psychisch instabile, empathielose und egozentrische Berlin in der Druckerei das Sagen hat und seinen Willen durchsetzt, auch gegen den eigentlichen Plan. In Staffel drei setzt sich all dies fort. Der Professor hat nichts aus dem ersten Überfall gelernt und vertraut auf Palermo, der Berlin hinsichtlich seines Verhaltens in nichts nachsteht.

Das macht es zunehmend schwer, die Figuren ernst zu nehmen. Die Themen und Narrative, die in der dritten Staffel aufgemacht werden, passen nicht mehr zu dem, was bei den Überfällen passiert. Zu gewalttätig sind die Akteure, zu rücksichtslos die Pläne, zu egoistisch die Interessen. Die Serie versucht dabei mit allen Mitteln, die vorhandene Sympathie zu kanalisieren und passagenweise eine Art Idealisierung der Figuren, deren Mittel und Ziele zu erwirken.

Auf diese Idealisierung darf man sich als Zuschauer*in trotz mitreißender Inszenierung und tragischen Schicksalen der Protagonisten nicht einlassen, denn eins ist klar: Der Professor und seine Crew sind keine Held*innen.

Von Eric Hartmann