Diese Frage wird auch in dem aus Bowie-Songs bestehenden Musical keine Antwort finden. Für jemanden wie mich, die sich mit dem Werk des britischen Sängers ohnehin nicht besonders gut auskennt, war auch das Warten auf eine klar verfolgbare Handlung vergeblich. Insgesamt passiert nämlich nicht besonders viel, und das was passiert, ist seltsam. Merkwürdig. Scheinbar unwirklich.


Das Musical „Lazarus“ hat eher das, was man als einen „vibe“ bezeichnen würde. Es ist atmosphärisch, düster und mysteriös. Da tauchen Figuren aus dem Nichts auf und gehen genau da wieder hin. Ein loser Zusammenhang wird zwar kreiert, dennoch ist er nicht sofort erkennbar. Wer Bowies Musik schon einmal gehört hat, der dürfte wohl vertraut sein mit diesem Gefühl, dass man zwar etwas verstanden hat, aber nicht genau weiß, was man da verstanden hat. Alles in diesem Stück und dieser Inszenierung bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Wahrheit und Fantasie, Traum und Realität.

„Lazarus“ ist inspiriert vom Buch und der dazugehörigen Filmadaption „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (1976). In der Geschichte kommt ein Alien auf die Erde, um für die restlichen Bewohner seines ausgetrockneten Heimatplaneten eine Transportmöglichkeit zum Blauen Planeten zu finden. In seiner menschlichen Camouflage nennt er sich Thomas Jerome Newton. Dank seiner empathischen und telepathischen Kräfte, sowie seiner Intelligenz gelingt es ihm, ein Milliardengeschäft aufzubauen. Doch der Versuch, sich an das Leben in einer rücksichtslosen, schnelllebigen und oberflächlichen Welt anzupassen zerstört Newton; er verfällt dem Alkohol und wird, als seine Identität auffliegt, von CIA und FBI untersucht. Die an ihm durchgeführten Experimente führen schließlich dazu, dass er erblindet.

An diesem Punkt setzt das Musical an. Newton (Sascha Tuxhorn) ist allein, hat nur eine Assistentin, Elly (Lea Sophie Saalfeld). Die wenigen Menschen, die ihn überhaupt zu Gesicht bekommen, wissen, dass an ihm irgendetwas anders ist: er scheint kaum zu altern. Da taucht ein Mädchen auf (Pauline Kästner), die ihm Gehör schenkt und ihm verspricht, mit ihm ein Raumschiff zurück nach Hause zu bauen. Doch es stellt sich die Frage: Wer ist sie überhaupt? Warum sollte ausgerechnet sie Newton helfen können?

Dieser Inszenierung dabei zuzuschauen, wie sie sich entfaltet, ist in jedem Fall etwas Besonderes. Befindet man sich zu Beginn noch in einer Art Wartehalle, wie man sie an jedem beliebigen Bahnhof sehen kann, begleitet man Newton in seine Wohnung und beobachtet wenig später eine wilde Party in einem Nachtclub. Dabei spielt für die beeindruckende Optik das an die Decke gespiegelte Bühnenbild eine große Rolle, aber auch die Nutzung verschieden hoher Bühnenebenen, die beklebt, bekritzelt, verwüstet werden. Am Ende wohnt dem entstandenen Chaos eine große, traurige, resignierte Ruhe inne.
Wenn man also erst einmal über die generelle „Weirdness“ hinweggekommen ist, kann man sich am Besten einfach zurücklehnen und die großartige gesangliche Leistung und die ebenso wundervolle Live-Musik genießen.

 

Von Svenja Plannerer

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„Lazarus“ im Schauspielhaus am Staatstheater Nürnberg
Regie: Thilo Nest
Darsteller: Frank Damerius, Sascha Tuxhorn, Lea Sophie Saalfeld, Amadeus Köhli, Anna Klimovitskaya, Vera Mohrs, Süheyla Ünlü, Marie Nest, Pauline Kästner, Nicolas Frederick Djuren, Sascha Finn Nolting
Musik: Kostia Rapoport, Vera Mohrs, Denis Cuni, Martin Krechlak, Daniel Randlkofer, Sascha Finn Nolting, Moritz Graf, Daniel Treimer
Wiederaufnahme: 06.11.2019, weitere Termine: 12.11., 19.12./31.12.2019, weitere im neuen Jahr
Dauer: ca. 120 Minuten, keine Pause
Studenten erhalten an der Abendkasse gegen Vorlage des Studentenausweises 40% Rabatt, im VVK 25%. Mehr Info, einen Trailer zum Stück und Kartenreservierung auf der Webseite des Staatstheaters Nürnberg.