Der zweite Beitrag der Kolumne zum Ehrenamt Feuerwehr ist für euch bereit. Viel Spaß beim Lesen!

Piep – piep – piep – piep – piep.

Für Fremde nur das Signal eines Weckers. Für Bekannte das Signal des Funkweckers. Für Feuerwehrleute das Signal für einen Moduswechsel.

Nach der Fünftonfolge ändert sich von einer Millisekunde auf die andere ihr Verhalten. Ihre Herzrate
springt vom Ruhepuls auf 180. Aktuelle Aufgaben werden links liegen gelassen. Statt zum Auto zu
gehen, sprintet sie. Sie muss sich zwingen, nicht einfach über die Straße zu laufen, sondern auf den
laufenden Verkehr zu achten. Statt ihre Kameraden*Kameradinnen gemütlich zu begrüßen und Neuigkeiten auszutauschen, springt sie in Windeseile in ihre Schutzklamotten. Denn wenn der Funkwecker ruft, bedeutet das nur eines: Es wird dringend Hilfe gebraucht.

Mit pochendem Herzen sitzt sie im Mannschaftsraum eines Feuerwehrfahrzeuges. Stück für Stück
stoßen Kameraden*Kameradinnen zu ihr. Die Gedanken sind anders. Die Gespräche sind anders. Streit
und Unstimmigkeiten sind auf Eis gelegt. Denn es ist Einsatz. Und im Einsatz ziehen alle an einem
Strang. Gegenüber sitzt nicht mehr ein Freund von ihr, sondern ein Kamerad. Neben ihr sitzt nicht ein
Mann, denn sie kaum kennt, sondern ein Kamerad.

Meldung, Kommando vom Gruppenführer, das Fahrzeug rollt vom Platz.

„Weiß jemand, was los ist?“, ist die einzige Frage, die in ihrem Kopf ist. Als hätte der Funkwecker alle
anderen Themen ausgeschaltet. Kein Studium, kein Sport, kein Essen oder sonstiges. Alles, das jetzt
wichtig ist, ist der Einsatz. „Brand im Freien, Stadtplatz“, kommt die Antwort von einem ihrer Kameraden retour.

„Was ist meine Aufgabe?“, ist die nächste Frage, die ihr in den Kopf schießt. Als hätte ihr Gehirn durch
die ganzen Einsätze herausgearbeitet, was wichtig ist. Der Gruppenführer gibt die Kommandos nach
hinten. Schnell werden die Aufgaben auf die Mannschaft verteilt. Ihre ist es, die Leitung zwischen
Verteiler und Fahrzeug zu legen. „B-Schlauch, oder?“ Sie ist sich nicht mehr sicher und der Einsatz ist
der falsche Platz für Eitelkeit und Hochmut. „Ja, ich helfe dir“, antwortet ihr der Kamerad rechts am
Fenster.

*

Nach dem Einsatz liegt sie wach im Bett. Der Schlaf will einfach noch nicht kommen. Das ist ganz
normal für eine Alarmierung in der Nacht. Sie weiß haargenau, dass in wenigen Stunden der Wecker
klingeln wird und sie in die Arbeit gehen muss, doch ihr Körper kommt noch nicht zur Ruhe. Die
Augen an die dunkle Decke gerichtet, denkt sie nach. Über den Einsatz, über ihre
Kameraden*Kameradinnen und über ihr erstes Jahr bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Vor zwei Jahren, als die Vorbereitungen für das 150 jährige Jubiläum begannen, hatte sie zum ersten
Mal mit dem Verein zu tun. Der Zusammenhalt war sogar für eine außenstehende Person zu spüren. Sie
war fasziniert davon. Sie respektiert die Männer und Frauen, die eine so wichtige Aufgabe in der
Gesellschaft einnehmen. Langsam begann in ihr der Wunsch zu reifen, auch etwas für die Leute im Ort
zu tun, einen Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten. Und so trat sie vor einem Jahr in den aktiven
Dienst.

Schon nach wenigen Wochen lernte sie kennen, was zwar so unsichtbar wie Luft ist, aber so essentiell
für die Feuerwehr wie die Schutzanzüge. Sie lernte kennen, was die Mannschaft im Inneren
zusammenhält. Ein „stilles“ Extrem. Kein Bild kann es zeigen und das Gefühl lässt sich auch nur
schwer mit Worten beschreiben. Kameradschaft. Bis jetzt war dieser Begriff für sie nicht mehr als eine
leere Hülle. Sie konnte sich nichts darunter vorstellen. Bis sie in den aktiven Dienst der Feuerwehr
getreten ist. Erst dort lernte sie, was dieser blanke Begriff wirklich bedeutet. Kameradschaft ist das
Wissen, dass man Teil einer Mannschaft ist, die zusammenarbeitet und zusammenhält. Dass man nicht
auf sich alleine gestellt ist, sondern Rückendeckung hat. Dass man sich im Ernstfall blind aufeinander
verlassen kann. Wie ein unsichtbares Band, dass sie alle zusammenhält. Sie hat erfahren, dass
Kameradschaft Rückhalt, Sicherheit und Kraftquelle zugleich ist.

 

Text & Bild von Nadja Zeitler