Jetzt wird es heiß! Hier kommt ein neuer Beitrag der Kolumne zum Ehrenamt Feuerwehr. Dieses Mal nehme ich euch mit auf eine Reise hinter die Kulissen. Ich erzähle euch eine Geschichte, die noch nicht einmal meine Kamerad*innen kennen. Na, neugierig geworden?

 

Die Einsätze sind nicht beendet, wenn man im Feuerwehrgerätehaus ankommt. Die Einsätze sind auch nicht beendet, wenn die Schutzklamotten sauber im Spind verstaut sind. Manche Einsätze vergisst man noch auf dem Weg nach hause, während man sich an andere sein ganzes Leben lang erinnern kann. Szenen oder Sequenzen aus dem Einsatz spielen sich nocheinmal im Kopf ab, man erinnert sich an bestimmte Bilder oder einzelne Sätze, die gesagt oder gefunkt wurden. Oder es kommen einem Fragen in den Sinn wie „Was ist aus den Menschen geworden, denen man damals geholfen hat?“.

In sämtlichen Berichten wird das alles verschwiegen. Das Interesse der Öffentlichkeit für den Einsatz scheint mit der Abfahrt der Einsatzfahrzeuge schon wieder verschwunden zu sein. Doch ich schreibe keine Berichte. Ich erzähle meine Geschichte. Und dieser Ausschnitt ereignete sich ein gutes halbes Jahr nach einem bestimmten Einsatz unserer Wehr…

„ … die Mutter schüttelts Bäumelein, da fällt herab ein Träumelein. Schlaf, Kindlein, Schlaf.“

Das Kind vor mir gähnte ausgiebig. „So, und jetzt wird geschlafen“, sagte ich sanft, zog die Decke höher und deckte das kleine Mädchen zu. „Noch ein Lied“, versuchte die Vierjährige das Schlafen noch hinauszuzögern. „Ich hab schon drei Lieder gesungen, mehr gibt es heute nicht“, lehnte ich ab und musste schmunzeln. Doch die Kleine quengelte noch ein bisschen und so einigten wir uns, dass sie noch eine Geschichte bekommt.

„Welche Geschichte möchtest du denn hören?“

„Ein Märchen.“

„Wo ist denn das Märchenbuch?“

„Das gibt es nicht mehr.“

„Wie, das Märchenbuch gibt es nicht mehr?“

„Wir hatten es im Urlaub dabei.“

„Und dann habt ihr es dort vergessen?“

„Nein, es ist kaputt gegangen.“

„Wie kaputt gegangen?“

„Weißt du, Feuer und Wasser sind nicht gut für Bücher. Da ist es halt kaputt gegangen.“

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die Familie, bei der ich ab und an Kindermädchen war, hatte in der Nähe von meinem Wohnort Urlaub gemacht. Doch durch das Kaminfeuer begann ein Teil vom Haus zu brennen. Dem Mädchen und der Mutter war nichts passiert und der Vater musste wegen einer leichten Rauchvergiftung ins Krankenhaus.

„Und welche Geschichte möchtest du dann hören?“

„Ein Märchen. Eines, das ich noch nicht kenne.“

„Dann muss ich mir eines ausdenken.“

„Ja.“

Ich setzte mich wieder zu ihr auf die Bettkante und begann zu erzählen: „Es war einmal vor langer, langer Zeit ein Königreich…“

„Mir ist kalt, legst du dich bitte zur mir ins Bett? Biiiiiiiittttttteeeeeeee!“

Ich seufzte tief und legte mich dennoch zu ihr ins Bett. Die kleine Maus kuschelte sich an mich. Ihre weichen Haare kitzelten ein wenig an meiner Wange. Sobald wir es uns bequem gemacht hatte, erzählte ich das Märchen weiter. „ … Der Prinz lud die wunderschöne Küchenmagd zu sich ins Schloss ein. Er hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt. Freudestrahlend nahm sie die Einladung an… “

„Was, der Prinz soll die schöne Küchenmagd bekommen?! Nee, die Küchenmagd will doch lieber einen richtigen Mann!“, unterbrach mich das Mädchen.

Ich war überrascht und schlug vor: „Wie wäre es mit dem Sohn vom Schmied?“

„Nein, der ist viel zu dreckig und hat ganz viel Hornhaut an seinen Händen. Die Küchenmagd soll sich einen richtigen Mann suchen.“

„Wer ist denn ein richtiger Mann?“

„Na ein Feuerwehrmann!“, posaunte die kleine Maus ohne Überlegen heraus. Als würde sie nicht begreifen, dass ich das nicht wusste.

Von dieser Antwort überrascht fragte ich nach: „Ein Feuerwehrmann?“

„Ja, bei dem kann man sich sicher fühlen. Der passt nämlich auf einen auf und rettet einen, wenn man in Gefahr ist“, erklärte sie mir geduldig.

„Aha. Na da hast du wohl recht.“

„Warst du auch da, als unser Ferienhaus gebrannt hat?“

„Nein, ich war an diesem Wochenende nicht zu Hause.“

„Kennst du die Feuerwehrleute, die unser Haus gelöscht haben? Papa sagt, auf ihrer Schutzkleidung hat auf dem Rücken der Ort gestanden, aus dem du kommst.“

„Dann kann das gut sein. Kannst du sie näher beschreiben?“

„Ja, sie hatten schwarze Stiefel an, Hosen und Jacken in dunkelblau mit gelben Streifen, einen Helm und so Masken, die über das ganze Gesicht gehen. Auf ihrem Rücken waren gelbe Gasflaschen. Wie einen Rucksack haben sie die getragen.“ Das Mädchen kicherte kurz, „und beim Atmen haben sie Geräusche gemacht wie Darth Vader.“ Wir mussten beide lachen. „Eigentlich hätte ich Angst vor ihnen gehabt. Aber im Kindergarten waren auch einmal Feuerwehrleute da und Anna hat gesagt, dass wir keine Angst vor ihnen haben müssen. Und unter den Masken stecken ganz normale Männer und Frauen. Das haben sie uns damals vorgeführt. Kennst du denn jetzt die Feuerwehrleute, die da waren?“

„Bestimmt kenne ich sie.“

„Würdest du ihnen von mir ein Dankeschön ausrichten?“

„Das kann ich machen, wenn du möchtest.“

„Weißt du, die haben nämlich Paul gerettet.“ Paul ist ein Holzpferd, das der Vater des Mädchens geschnitzt hat und mit dem sie so gerne spielt. Es hat die Flammen überstanden. An einer Stelle ist es noch ein bisschen verrußt, doch das stört kaum. Die Kleine fragt weiter: „Ist dein Freund bei der Feuerwehr?“

„Ja.“

„Du Glückliche. Wenn ich groß bin, heirate ich einen Feuerwehrmann. Bist du auch bei der Feuerwehr?“

„Ja.“

„Das ist gut, denn dann kannst du mich richtig gut beschützen, wenn Mama und Papa nicht zu Hause sind.“

„Das mache ich.“

„Nadja?“

„Ja?“

„Du kannst das Nachtlicht ausmachen. Wenn eine Feuerwehrfrau auf mich aufpasst, traut sich kein Monster her.“

In diesem Moment wurde mir warm ums Herz. Mein ganzes Innere schien erfüllt zu sein mit einem unglaublichen Glücksgefühl. Ich fühlte mich gerührt, geehrt und stolz zugleich. Dieses kleine Mädchen hatte so ein vorbehaltloses kindliches Vertrauen, dass wir Feuerwehrleute kommen und ihr helfen, wenn sie uns braucht.

„Gute Nacht“, sagte ich ihr und schaltete das Nachtlicht aus.

Es sind Momente wie diese, die einem zeigen, wie wichtig die Arbeit ist, die man macht. Dass all die unterbrochenen Nächte, Augenringe, Abärgern mit Schaulustigen etc. einen Sinn haben. Weil es Menschen gibt, die darauf vertrauen, dass Hilfe kommt. Weil jeder Einsatz wichtig ist. Weil ein kleines Mädchen ohne Nachtlicht schlafen kann, denn sie weiß, dass sie beschützt wird.

Es ist selten, dass man Geschichten von „Nach-dem-Einsatz“ bekommt. Und diese wollte ich meinen Kameraden und Kameradinnen nicht vorenthalten. Denn Dankbarkeit ist der Lohn des Ehrenamtes.

 

Bild und Text von Nadja Zeitler