Ein Kommentar einer deutschen Polin über ein zwiegespaltenes Land.
Polen, Juli 2020: Der konservative Präsident Andrzej Duda wurde wiedergewählt. Ein Ergebnis vor dem sich viele gefürchtet haben. Inklusive mir. Ehrlich gesagt hatte ich selten das Gefühl, dass mich die Politik meines Herkunftslandes direkt betrifft. Ganz schön naiv, denn plötzlich war es doch der Fall. Eine Ideologie, die meinen liberalen Normen nicht entsprach, formte Polen.
Schon in den letzten Wochen stand fest, dass das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl eine Richtungswahl sein wird. Für ein liberales und modernes oder naja, nennen wir das Kind beim Namen, ein von Homophobie geprägtes Polen.
Andrzej Dudas Wahlkampf war aggressiv und baute auf die Unterstützung der konservativ-katholischen Bevölkerung, die vor allem in ländlichen Gegenden und im Süd-Osten des Landes anzutreffen ist. Dort gilt der Großteil der Gemeinden als LGBTQ-freie Zone. Mittlerweile werden rund 100 von Polens Ortsschildern durch ein „LGBTQ-Free Zone“ Schild komplimentiert und es regnet Aufkleber, auf denen der bunte Regenbogen, das Symbol der LGBTQ-Community, lieber vor Kindern abgeschirmt wird.
All die Bemühungen Polens, sich an des westliche Europa anzutrauen, scheinen nun auf der Kippe zu stehen. Partnerstädte polnischer Gemeinden stellen Ultimaten oder kappen die Zusammenarbeit mit LGBTQ-freien Zonen endgültig, wie die französische Gemeinde Saint-Jean-de-Braye zu Tuchów.
Als in Deutschland geborene Tochter polnischer Eltern ist es für mich nicht verwunderlich, dass die Kirche der größte Antrieb homophober Ideen ist. Rund 90% der Pol*innen gehören der römisch-katholischen Kirche an. In keinem anderen Land der Welt ist der Anteil an Katholik*innen so groß wie in Polen, was einer christdemokratischen Partei, wie der Andrzej Dudas, der PiS, sehr in die Karten spielt. Für Schlagzeilen sorgte die PiS mit der Bezeichnung von Homosexualität als „Gender-Ideologie“, die nicht den polnischen Normen entspreche und Familien zerstöre, oder mit ihrer Gleichsetzung zu Pädophilie. Leider erfuhren sie hierbei viel Zuspruch.
Nach so einem Wahlergebnis möchte man erstmal denken, dass die Zukunft dieses Landes nicht kunterbunt aussieht, eher schwarz-weiß, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Für mich ist aber umso klarer geworden, dass der Dialog weitergeführt werden muss. Dass ich in der Verantwortung stehe bei homophoben Kommentaren von Verwandten am Essenstisch nicht wegzuhören, sondern mich für eine offene und liberale Gesellschaft zu positionieren.
Weil es Diskriminierung ist.
Von Viktoria Pachom