Verpönt, umstritten und doch am häufigsten verschrieben. Die gute alte Pille.

 

Früher oder später sieht sich fast jede:r mit der Frage konfrontiert, wie man die Familienplanung ein ganzes, weites Stück in die Zukunft verschieben kann oder, ganz ehrlich formuliert, wie man den Spaß ohne die Verantwortung kriegt.

Vor allem in festen Beziehungen stolpert man relativ schnell über die wohl bekannteste hormonelle Verhütungsmethode. Die Anti-Baby-Pille.

Anmerkung: Der Artikel ist auf die Verhütung innerhalb fester Beziehungen bezogen, in denen sich die Übertragung von sexuellen Krankheiten ausschließen lässt.

 

Obwohl es mittlerweile eine Vielzahl an Verhütungsmitteln gibt, gehört die Pille zu den am häufigsten verwendeten in Deutschland. Rund die Hälfte der sexuell aktiven Erwachsenen vertrauen auf die kleinen runden Tabletten – ironischer Weise gelten diese aber als umstrittenste Lösung der Empfängnisverhütung.

Migräne, Gewichtszunahme, Akne, depressive Verstimmung und ein erhöhtes Thromboserisiko – dies sind nur wenige der Stichwörter, die bei einem Brainstorming zum Thema „Pille“ mit einer Gruppe von 10 Frauen rapide fallen würden. Meistens reichen auch nur zwei Frauen für dieses Experiment aus. Oder eine. Die hat auch schon was über ihre persönliche Erfahrung mit der Pille zu erzählen.

Mit anderen Worten: die Pilleneinnahme als gängige Verhütungsmethode ist eine so allgegenwärtige Debatte, dass manchen Frauen wissenschaftliche Studien eher wie ein eigener Tagebucheintrag vorkommen.

Foto: Viktoria Pachom

 

Zu Beginn der 60er galt die Pille noch als Sinnbild der Emanzipation der Frauen, heute fühlen sich viele Frauen mit dem Thema Verhütung allein gelassen. Studien zur hormonellen Verhütung beim Mann wurden wegen auftretenden Nebenwirkungen abgebrochen, von der WHO nicht weiter finanziert und von Pharmaunternehmen nicht gefördert, da kein potenzieller Markt in Aussicht ist. Wie vermutet müssen die in der Studie festgestellten Nebenwirkungen also weiter von Frauen alleine ertragen werden.

Ein erster Schritt wäre es, männliche Verhütungsmethoden, die über das Kondom hinausreichen, in unseren stupiden Aufklärungsunterricht zu integrieren, um Perspektiven zu schaffen und Möglichkeiten zu thematisieren, die einen Markt überhaupt erst zulassen.

Eine Gesellschaft, die Männer aus der Verantwortung von sexueller Gesundheit ausschließt, lässt zeitgleich Millionen von Frauen im Dilemma zwischen Kosten, möglichen Nebenwirkungen und der tatsächlichen Umsetzbarkeit.

 

Auch die scheinbar positiven Effekte der Pille haben bei genauerem Hingucken einen bitteren Beigeschmack.

Neben dem primären Vorteil, selbstbestimmt über die Familienplanung als Frau entscheiden zu dürfen, können Regelschmerzen und PMS gelindert beziehungsweise reduziert werden. Leider werden hiermit die Symptome der Regelblutung in der Gesellschaft problematisiert, anstelle sie als natürlichen Prozess des weiblichen Körpers zu akzeptieren.

Spoiler Alert: Sie sind in erster Linie das Problem unserer Leistungsgesellschaft und meistens erst dadurch das der Frau.

Tampons und Binden landen dank Abbruchblutung bei 7-tägiger Pause bei Einnahme einer Kombipille immer noch reichlich im Einkaufskorb – obwohl keine medizinischen Vorteile oder Notwendigkeit dieser künstlich hervorgerufenen Blutung besteht.

 

Klar ist, dass es keine universelle Antwort auf die Frage nach dem perfekten Verhütungsmittel gibt. Die Pille wird trotz ihrer kritischen Stellung weiterhin Abhilfe leisten und sich noch viele Jahre bewähren. Momentan müssen also Kompromisse mit dem Partner und sich selbst geschlossen und Risiken abgewägt werden.

Keine:r kann über die Verhütung eines anderen urteilen, weil es kein richtig oder falsch gibt. Von der Pille zum Kondom zu wechseln und dann doch wieder zu Hormonen zu greifen, ist okay. Sich die Kupferspirale einsetzen zu lassen und sich diese wieder zu entfernen zu lassen, ist auch okay.

Kritisches Hinterfragen, Ausprobieren und Umentscheiden ist wohl der einzige Weg, der hoffentlich jede:n irgendwann ans Ziel führt.

 

Von Viktoria Pachom