lost, cringe, wild, fooden, hochsteppen, chillen, multitasken, und so weiter und so fort – unser Autor Martin fasst zusammen, was Anglizismen mit der deutschen Sprache machen.

 

„Hier oben ist es schon wieder geclost worden, lasst uns runtergehen und chillen und dann später wieder hier hochsteppen!“ Nachdem man diesen Satz zu Ende gelesen hat und die anfängliche Schockstarre bereits vorbei ist, kann man sich eine Frage stellen: Was war das? Die Antwort ist recht simpel: Denglisch. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Sorgfalt und welchem Ideenreichtum hier englische Wörter dem Deutschen einverleibt wurden! Das englische Verb ‘to close’ steht übersetzt für ‘schließen’, daher bedeutet auch ‘geschlossen’ auf Englisch einfach ‘closed’. Hier aber wird ein englisches Verb nach den deutschen Grammatikregeln in ein Partizip II verwandelt! Sehr kreativ!

Lesen wir den Satz weiter, so stoßen wir auf den Begriff ‘chillen’. Dieses Wort ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil der deutschen Sprache geworden, man kann es sogar im Duden finden, wenn auch mit den Hinweisen ‘umgangssprachlich’ und ‘Jugendsprache’, als Erklärung steht dort: ‘sich erholen, sich abregen’. Und das ‘Hochsteppen’? Gemeint ist ‘hinaufsteigen’. ‘Hochsteppen’ ist ein Verb, entstanden durch eine willkürliche Mischung auf dem deutschen Präfix ‘hoch’ und dem englischen Verb ‘step’, was als ‚steigen‘ übersetzt werden kann. Diese neue Wortschöpfung ist schon fast bewundernswert!

Sicherlich wird vor allem die Jugendsprache durch unzählige Anglizismen geprägt. So wurde ‚lost‘ zum Jugendwort des Jahres 2020, Silber und Bronze bekamen ‚cringe‘ und ‚wild‘. So mancher Begriff klingt im Englisch einfach kürzer, prägnanter, präziser, so z.B. ‚multitasking‘ oder die Aussage ‚same‘, die ja auch ganz universell einsetzbar ist. Andere Anglizismen wie ‚happy‘, ‚family‘ oder ‚really‘ könnten aber genauso gut durch ihre deutschen Pendants ausgetauscht werden, also ‚glücklich‘, ‚Familie‘ und ‚wirklich‘. Um es an die Spitze zu treiben, könnte man hier auch noch das ‚fooden‘ aufführen, welches scheinbar doch um Einiges trendiger zu klingen vermag als ‚essen‘.

Klingt das Deutsche aber wirklich cooler durch viele Anglizismen? Ja, vielleicht, beim Wort ‘cool’ fängt es schon an! Auf einem Werbeplakat vom E-Werk konnte man vor der Pandemie noch lesen: „Große Party auf drei Floors“. Im Duden steht, das Wort ‚Floor‘ sei maskulin und stehe unter anderem für den Tanzboden. Und was ist mit der Party? Dieses Wort gehört, kaum zu glauben, zum Wortschatz des Zertifikats Deutsch, das steht auf der Dudenseite im weltweiten Verbund von programmgesteuerten, elektronischen Rechenanlagen (gemeint sind natürlich das Internet und der Computer). Können wir nicht einfach diese ganzen Anglizismen durch alte gute deutsche Begriffe ersetzten? Schreiben wir es doch lieber so: „Größeres zwangloses öffentliches Fest auf drei Tanzböden“. Und schon klingt das Ganze nach einer Veranstaltung in der Seniorenresidenz!

Das Englische macht also die deutsche Sprache in einem gewissen Sinne attraktiver, vielleicht auch moderner und lebendiger. Englische Ausdrücke besitzen oft mehr Aussagekraft als ihre deutschen Alternativen und lassen sich häufig nur schwer umschreiben. Nehmen wir z.B. den ‘Brunch’! Richtet man sich nach der Erklärung im Duden, so wird der sonntägliche Brunch zur sonntäglichen, gegen Mittag eingenommenen, ausgedehnten und reichhaltigen Mahlzeit, die aus Bestandteilen des Frühstücks und des Mittagessens besteht.

Haben wir jetzt also ein Recht darauf, englische Begriffe im Deutschen zu verwenden, um bestimmte Wörter verständlicher und kürzer zu beschreiben? Bei dieser Frage spalten sich die Meinungen. Letzten Endes entscheidet jeder für sich, in welchem Ausmaße er von den Anglizismen im Alltag Gebrauch macht. Fest steht, dass man dabei nicht übertreiben und ‘gecloste’ Räume und das ‘Hochsteppen’ von Treppen besser sein lassen sollte. Deutsch ist eine Mischsprache, die sich in einem Wandel befindet und ständig ändert. Es liegt in unserer Hand, wie schnell dieser Wandel vorangeht.

Von Martin Scherbakov

Beitragsbild: Pixabay (Free-Shots)