Eigentlich als Text über Kommunikationsschwierigkeiten durch unterschiedliche Bildungshintergründe gedacht, geht es jetzt querbeet durch die Herausforderungen der Fachsprache, nötiges Hintergrundwissen bis zum öffentlichen Diskurs in Deutschland.

 

– English below –

Wer mal sehen möchte, wie schnell Kommunikation zur Herausforderung wird, kann sich einfach mal mitten im Semester eine einzelne Vorlesung aus einem anderen Fachbereich anhören—oder das zumindest versuchen. Selbst mit einem Glossar für die Fachbegriffe könnte man der Vorlesung wahrscheinlich immer noch nicht so folgen, dass man am Ende die behandelten Konzepte erklären könnte.

Jetzt kann man natürlich fragen, wen diese Erkenntnis interessieren soll. „Dann setz dich halt nicht in so eine Vorlesung!“ Ja schon klar, das war ja nur ein Beispiel. Das Problem hat schon weitergehende Relevanz, sonst würde ich ja auch nicht drüber schreiben…

Wenn man sich jetzt überlegt, woher dieses Verständnisproblem kommt, gibt es sicherlich viele richtige Antworten. Eine ist aber vermutlich der enorme Wissensunterschied zwischen Dozent:innen und Gasthörer:innen. Denen kommt es so vor, als ob der:die Dozent:in gewissermaßen eine ganz andere Sprache spricht. Genau dieses Gefühl kennen sicherlich die meisten von uns und das natürlich nicht nur in der Uni. Überall da, wo man deutlich weniger über ein Thema weiß als das Gegenüber, wird die Kommunikation problematisch.

Was kann die erklärende Person jetzt machen, um mit dieser Situation umzugehen? Intuitiv würde man sagen, am besten werden alle Fachbegriffe weggelassen. Es ist sicherlich nicht falsch, die themenspezifischen Begriffe so weit wie möglich zu reduzieren. Die Grenze dafür ist aber natürlich, dass die Erklärung durch solche Vereinfachungen nicht falsch werden darf.

Ist man dann fertig? Eher nicht, ansonsten müsste es im Vorlesungs-Beispiel ja völlig ausreichend sein, ein Glossar zu haben in dem man (beliebig schnell) nachschauen kann. Ein Wörterbuch alleine hilft einem ja auch nur begrenzt weiter, wenn man einen Text in einer fremden Sprache lesen möchte. Warum das so ist, darauf können Linguist:innen sicherlich sehr viel fundiertere Analysen geben als ich. Aber vermutlich läuft zumindest eine Erklärung darauf hinaus, dass die Worte eine kontextabhängige Bedeutung haben: Einerseits verwendet man bestimmte Worte in verschiedenen Kontexten anders, andererseits entsteht durch die jeweilige Wortwahl auch ein neuer Kontext.

Genau das findet ja auch in der Fachsprache statt. Wenn zum Beispiel Ingenieur:innen von einem LTI-System sprechen, kennen sie nicht nur die Eigenschaften dieses Modells, sondern auch die Grenzen dieser Modellierung (zum Beispiel sind viele Systeme normalerweise ein LTI-System, aber in besonderen Situationen eventuell nicht). Diese Notwendigkeit von Hintergrundwissen kann man nicht einfach durch „Übersetzungen“ der Begriffe wettmachen. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum im Englisch-Unterricht in der Schule nicht nur die reine Sprache, sondern auch Hintergründe beispielsweise zur Kultur in den USA oder Großbritannien gelehrt werden.

Genau hier liegt die Crux: Echtes Verständnis für ein Gebiet zu erwerben ist ein langsamer Prozess. Nur weil man ein paar Stunden mit echten Profis gesprochen hat, ist man noch selber keiner. Lohnt es sich also gar nicht, mit Menschen über ein Thema zu reden, von dem man viel weniger Ahnung hat? Keine Sorge, darauf will ich natürlich nicht hinaus. Natürlich wird die Kommunikation durch ein Wissensgefälle deutlich schwieriger, wenn man sich dem aber nicht stellt, kann das Gefälle ja auch nicht kleiner werden.

Möchte man jetzt das meiste aus einem Gespräch oder einer Erklärung rausholen, ist schon viel gewonnen, wenn sich alle Beteiligten den Unterschieden im verfügbaren Vorwissen bewusst sind. Im Optimalfall findet man dann ein zweites Thema, mit dem alle etwas anfangen können. Die meisten vermeintlich fachspezifischen Modelle sind mit ein bisschen Abstraktion ziemlich universell. Mit Analogien über dieses „Hilfsthema“ können dann die eigentlichen Modelle und Mechanismen deutlich leichter erklärt werden—und verständnisvolle Rückfragen sind möglich.

Selbst wenn man diesen „common ground“ hat, ist manchmal trotzdem spezifisches Hintergrundwissen nötig. In diesem Fall gibt es eine einfache Lösung: Man kann diese Hintergründe erklären. Am Ende haben dann die Zuhörer:innen womöglich tatsächlich ein grundlegendes Verständnis für das Thema entwickelt und müssen nicht nur Vertrauen in die Aussagen der —vermeintlichen— Fachleute stecken.

Gerade im öffentlichen Diskurs hätte das einige Vorzüge. In Diskussionen über ein Thema haben oft alle Beteiligten schon völlig verschiedenen Grundannahmen. Würde man mehr „ground work“ leisten, könnte anschließend auch eine deutlich zielgerichtetere Debatte geführt werden, als wenn jeder erstmal seine Folgerungen präsentiert und danach rausgefunden werden muss, auf welchen Annahmen diese Folgerungen beruhen.

Wahrscheinlich würden sich die Folgerungen dann auch schon deutlich weniger radikal unterscheiden. Dazu müssten sich aber mehr Expert:innen darum kümmern, Hintergrundwissen sauber zu kommunizieren und nicht nur in den Medien irgendwelche mehr oder weniger sinnvollen Forderungen zu stellen. Gleichzeitig müssten die Bürger:innen auch diesen Anspruch an Expert:innen und Politiker:innen haben, dass zuerst die Fakten und dann die Folgerungen kommen.

 

– English – 

Originally intended as a text about communication barriers as a consequence of different educational backgrounds, now everything from challenges through technical language over required background information to the public discourse in Germany is looked at.

To experience that communication can become difficult very fast, just attend a single lecture from another department at university and try to understand it. Even with a glossary for specific terminology, you probably wouldn’t be able to explain the concepts dealt with in the lecture.

Of course, you could ask “who is interested in this insight, just don’t attend such a lecture”. Yes, that would obviously solve this problem, but there’s more to it—otherwise I wouldn’t need to write about it…

When you ask “What’s the cause of this problem?”, there are many correct answers. However, one of them is probably the dramatic difference in knowledge between lecturer and guest auditor. The latter almost feels like the lecturer speaks a whole different language. We’ve all experienced this in the past and not only at university. Whenever we knew a lot less about a certain topic than the person we talk to, our communication became quite difficult.

So what could the explaining person do to handle this challenge? Intuitively, you might suggest to simply not use any technical terms. That’s obviously true, at least as long the explanation doesn’t become wrong as a consequence of these simplifications.

Everything’s fine now? In all likelihood not, otherwise a glossary should’ve helped in the introductory example, at least if you were able to look up terms arbitrarily fast. A dictionary wouldn’t enable you to read a text in a foreign language, either. Why this is true, linguists can certainly explain better than me. However, at least one reason could be that words are context-dependent: On the one hand, you’d use certain words in different contexts differently, on the other hand you create a new context by choosing a specific word.

Exactly this is what happens with technical language as well. When engineers talk about LTI systems, they are not only aware of the properties of this certain model, but also its limits (e.g. many systems are usually LTI systems, but in certain circumstances they are not). This required background information of a topic cannot be replaced by simple “translations”. That’s probably one of the reasons why foreign languages are usually taught together with background information about the countries the language is spoken in.

Exactly here’s the problem: Gaining deep understanding about a topic is a slow process. Just because you talked to some real experts about it, you aren’t one yourself. So is it still worth the hassle to talk about something you don’t have much knowledge of? Yes, absolutely. Of course, communication is more difficult if there’s a knowledge gap, but without confronting it you can’t reduce it.

Now, if you’d like to get the most out of a conversation or explanation, a lot is already won if everybody is aware of these differences in available knowledge. Ideally, you might even find a second topic in which everyone has some fluency. Most supposedly domain-specific models are pretty universal with some abstraction. Using analogies in this “helper topic”, the actual mechanisms should be far easier to understand—and intelligent questions become possible.

But even if you’ve found this common ground, sometimes specific background knowledge is necessary. In this case, there is a simple solution: This information can be explained! This way, in the end all participants might have developed a solid understanding for the topic themselves so that they don’t have to follow the experts’ opinion blindly.

Especially in our public discourse, this approach would have a lot of benefits. In most discussions all attendees already start with completely different assumptions. With more “groundwork” on these basics, a much more focused debate would become possible than right now, where everybody presents their conclusions and later the underlying assumptions have to be identified.

Probably, most conclusions would even differ a lot less if everybody had the most important facts present. However, this would require more experts to communicate background knowledge and basics instead of presenting more or less useful demands and their own conclusions. Of course, this requires us citizens to demand “Facts First, Conclusions Second” from both politicians and experts.

 

Von/By Bastian Heinlein 

Bild: Pixabay (Mote Oo Education)