Lea empfiehlt das Buch “Der Balkanizer”, weil es nicht nur über die Erfahrungen eines “Ex-Jugos” in Deutschland erzählt, sondern auch viel Spaß zu bieten hat – zum Beispiel in Form von Schimpfwort-Lehre!

 

“Einen wunderschönen dobar dan* und herzlich willkommenčić!”

Mit diesem Satz begrüßte der Moderator Danko Rabrenović elf Jahre lang die Kultradiosendung „Balkanizer“ des WDR. Dort lud Danko jahrelang Menschen aus dem Balkan ein, um ihre ganz persönliche Deutschlandgeschichte zu erzählen oder jegliche Fragen, die mit dem Balkan zu tun haben, zu stellen.

(Kurze Randnotiz: Der Balkan hat zwar keine festen Grenzen, aber dazu zählen meistens die ehemaligen jugoslawischen Länder wie Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Slowenien.)

Die Höhen und Tiefen seiner eigenen Integration als (Ex-)Jugoslawe in Deutschland besingt er in seinen Songs und erzählt davon in seinem Buch „Der Balkanizer“ (2010) – gleichnamig zu seiner Radiosendung. Als selbsternannter „Stammgast bei der Ausländerbehörde“ beschreibt er im Buch nicht nur, wie er alle denkbaren Aufenthaltstitel der deutschen Behörde sammelt, sondern wird auch immer wieder mit den Differenzen des Jugoslawischen und Deutschen konfrontiert.

So empfindet er die deutsche Sprache als sehr reiche und präzise Sprache, welche ideal für philosophische und technische Zusammenhänge geeignet ist. Jedoch erscheint diese ihm zugleich auch als sehr auf das Individuum fixiert und gefühlslos. Dahingegen sei die Balkan-Sprache sehr gemeinschafts- und emotionsorientiert und verfüge über ein facettenreiches Repertoire an Schimpfwörtern.

An diesem Punkt kommen wir zu einer der amüsantesten Passagen seines Buches, nämlich der Diskrepanz zwischen jugoslawischen Kraftausdrücken und deren misslichen Übersetzung ins Deutsche.

Seiner ausgefallenen Auffassung nach schimpfen die Deutschen „analfixiert“, indem sie Wörter wie „Arsch“, „Schisser“ oder „Klugscheißer“ als Kraftausdrücke verwenden. Diese könnten theoretisch genauso in den jugoslawischen Sprachen übersetzt verwendet werden und wirken dort sogar noch ziemlich harmlos.

Die Jugos (Jugoslaw:innen) müssen natürlich, sobald es um die eigene Sprache geht, extraordinärer sein. So beschreibt Rabrenović die vulgäre Ausdrucksweise der Balkanesen als „eindeutig genitalfixiert“. Hierbei führt er vor allem die Verwendung der Geschlechtsorgane der Familie beim Fluchen auf, welche eigentlich als gesellschaftliche Tabuzone gelten.

Auf dem Balkan ist es Gang und Gebe „Boli me kurac!“ -im Sinne von „Es ist mir egal“- zu sagen, welches übersetzt „Mein ‚Schwanz‘ tut mir weh“ heißen würde und natürlich keinen Sinn ergibt.  Der übliche Begriff „Hoću kurac“ (übersetzt „Ich will meinen ‚Schwanz‘“), welcher so viel bedeutet wie „Ich will nicht“, würde für Nicht-Balkanesen genauso abstrakt klingen. Oftmals müssen auch Lebensmittel, Haushaltsgegenstände oder Haustiere daran glauben, wie z.B., wenn man den ebenso gängigen Begriff „Jebo ti pas mater“ benutzt. Diesen Ausdruck sollte man lieber nicht wörtlich übersetzten, sinngemäß verdonnert man aber den Hund zum Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Beschimpften.

Zu erwähnen ist natürlich, dass je nach Situation und Gesprächspartner, diese Ausdrücke keinen zwangsläufigen (ver-)fluchenden oder beleidigenden Charakter haben müssen und somit nicht gleich Schimpfwörter sind, sondern lediglich alltägliche Ausdrucksweisen.

Dementsprechend fällt Danko Rabrenović auf, wie unterschiedlich Sprachen eigentlich funktionieren und wie sehr sie die dazugehörige Mentalität widerspiegeln. Nicht nur die jugoslawisch stämmigen Leser müssten sich beim Lesen dieser Beispiele höchst amüsieren, sondern genauso auch die „Nicht-Jugos“, welchen der ein oder andere Begriff vielleicht selbst schon einmal zu Ohren gekommen ist. So manch einer kann sich bestimmt mit den fehlgeschlagenen Übersetzungsversuchen der Schimpfwörter identifizieren.

To put it in a nutshell: Das Buch „Der Balkanizer“ ist eine absolute Empfehlung, sowohl für „Jugos“ als auch „Nicht-Jugos“, und bietet neben Rabrenovićs Integrierungsgeschichte eine sehr belustigende Auffassung der Gegenüberstellung des Deutschen und (Ex-) Jugoslawischen.

 

*dobar dan = Guten Tag

 

Von Lea Tadić

Beitragsbild: Instagram (Danko Rabrenović)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*-Guten Tag-