Unsere Autorin Annette gibt einen spannenden und umfassenden Einblick in die Framing-Forschung, ein Gebiet der Psychologie, das sich mit sprachlicher “Einrahmung” und ihrem Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Erleben befasst.

Menschen sind keine rein rationalen Wesen. Wenn wir uns eine Meinung bilden, werden wir davon beeinflusst, in welchen Worten und mit welchen (Teil-)Informationen wir über ein Problem informiert werden. Mit den Einflüssen von Sprache auf das Denken, Fühlen und Verhalten beschäftigt sich die Framing-Forschung. „Framing“ bedeutet wörtlich „Einrahmen“. Die sprachliche Einrahmung einer Information sagt meinem Gehirn, welche Teilaspekte eines Problems ich gerade betrachten sollte und welche Argumente dafür wichtig sind.

Ein Beispiel: In den USA wurde in den 2000er Jahren anhand zwei verschiedener Frames diskutiert, ob die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert werden soll. Die Gegner:innen sprachen von „family values“, die durch „gay marriage“ angeblich in Gefahr gebracht würden. Die Befürworter:innen argumentierten hingegen, das Recht zu heiraten, sei ein „civil right“, das jedem:r Bürger:in zustehen sollte. Das Problem: Mit dem Begriff „civil right“ konnten viele Wähler:innen nicht viel anfangen, er war zu abstrakt. Die Erwähnung von „Familie“ lösten jedoch direkt Gefühle aus, die jedem:r wichtig sind. Besonders konservative Wähler:innen wurden davon angesprochen.

Da griffen die Befürworter:innen der gleichgeschlechtlichen Ehe in einem Bundesstaat zu einem klugen Trick: Auch sie nutzten auf einmal den Frame „family values“. Sie betonten, dass viele homosexuelle Paare, genau wie heterosexuelle Paare, heiraten wollten, weil sie gemeinsam eine Familie gründen wollten. „Family values“ wurden plötzlich zu einem Argument für die gleichgeschlechtliche Ehe. Und siehe da, plötzlich stimmen viel mehr Wähler:innen der gleichgeschlechtlichen Ehe zu. 2004 wurde im ersten Staat der USA die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert, 2015 in allen. Framing war sicherlich nicht der einzige Faktor, der hier eine Rolle gespielt hat – aber diese Geschichte zeigt, dass Framing selbst bei stark polarisierten Themen einen Einfluss auf die politische Meinung haben kann. Wenn ich über ein bestimmtes Thema rede, macht es einen Unterschied, welche Informationen ich herausgreife oder welche sprachlichen Bilder ich dabei nutze.

Aber auch zwei Personen, die genau über dasselbe Thema sprechen und logisch äquivalente Fakten anführen, können trotzdem durch die Wahl ihrer Worte bei den Zuhörer:innen ganz unterschiedliche Assoziationen hervorrufen. Die klassischen Experimente dazu stammen aus den 80er-Jahren von den israelischen Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky. Sie ließen ihre Proband:innen abstimmen, ob eine bestimmte Behandlung zur Bekämpfung einer fiktiven Pandemie eingesetzt werden soll. Die Behandlung wurde entweder so beschrieben, dass (A) die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patient:innen bei 80% lag oder dass (B) die Sterbewahrscheinlichkeit bei 20% lag. Beide Formulierungen haben natürlich logisch gesehen denselben Inhalt, 80% der Behandelten leben und 20% sterben. Trotzdem entschieden sich viele Proband:innen eher für die Maßnahme, wenn der Fokus auf „Leben“ lag (A) und eher gegen die Maßnahme, wenn der Fokus auf „Sterben“ lag (B).

Auch Politiker:innen nutzen Framing, um ihre Zuhörer:innen zu beeinflussen und sie von ihrer Meinung zu überzeugen. Wie in dem Experiment von Kahnemann und Tversky können sie einen sprachlichen Fokus strategisch wählen – sie können von demselben Problem mit einer Betonung auf die positiven oder die negativen Seiten sprechen. Und sie könnten damit ganz leicht Erfolg bei den Wähler:innen haben! Schon subtile Variationen in der Sprache können politische Verhaltensintentionen beeinflussen. Ein Beispiel dafür ist der sprachliche Fokus, der häufig genutzt wird, wenn Menschen über soziale Ungleichheit sprechen.

Wenn über soziale Ungleichheit gesprochen wird, ist oft die Rede von den Benachteiligungen, die eine bestimmte Gruppe erfährt: „Menschen mit ausländisch klingenden Nachnamen werden seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.“ „Schwarze Personen werden häufiger Opfer von Polizeigewalt.“ Viel seltener wird aber über die Privilegien anderer Gruppen gesprochen. Ich habe noch nie irgendwo gelesen, dass Menschen mit deutsch klingendem Namen übermäßig häufig zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden oder, dass Weiße Personen selten Opfer von Polizeigewalt werden. Das blendet aber aus, dass Benachteiligungen und Privilegien zusammenhängen. Soziale Ungleichheit kann nicht verringert werden, wenn nicht gleichzeitig Benachteiligungen abgebaut und Privilegien in Frage gestellt werden.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Über Benachteiligungen zu sprechen, ist wichtig. Es wird darauf aufmerksam gemacht, wie Menschen diskriminiert werden und zeigt Ansatzpunkte auf, wo gehandelt werden muss. Aber es reicht eben nicht aus, immer nur über Benachteiligungen der einen Gruppe zu sprechen und nicht über die Privilegien der anderen. Es kann den Bemühungen, soziale Gerechtigkeit herzustellen, sogar schaden.

Steuern sind eine Maßnahme, die unter anderem dafür sorgen soll, Reichtum gleichmäßiger in einer Gesellschaft zu verteilen. Die US-amerikanische Psychologin Rosalind Chow und ihr Kollege Jeff Galak untersuchten, wann politisch konservative Menschen (die in den USA eher Steuererhöhungen ablehnen und eher ein höheres Einkommen besitzen) bereit dazu sind, Geld von den Reicheren wegzunehmen und den Ärmeren zu geben. Die Forscher:innen legten ihren Proband:innen Informationen über die große Einkommensungleichheit in den USA vor. Die Ungleichheit wurde entweder so beschrieben, dass (A) arme Menschen weniger verdienen als reiche oder dass (B) reiche Menschen mehr verdienen als arme. Formulierung (B) lenkt den gedanklichen Fokus auf die Privilegien der Reichen. Die Proband:innen denken eher darüber nach, ob die Reichen diesen großen Einkommensunterschied wirklich verdient haben. Bei Menschen, die selbst ein höheres Einkommen erhalten, wird vielleicht ein schlechtes Gewissen ausgelöst, weil sie durch die Formulierung dazu gebracht werden, sich mit ihren eigenen Privilegien auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse zeigten: Formulierung (B) führte wirklich eher dazu, dass konservative Proband:innen Steuererhöhungen zuzustimmen als Formulierung (A).

In einer anderen Studie untersuchte Rosalind Chow mit ihrem Kollegen Brian Lowery und anderen Wissenschaftler:innen den Einfluss von Framing auf den Selbstwert. Die meisten Menschen wollen gut über sich selbst und ihre soziale Gruppe denken, sie wollen für gut und moralisch gehalten werden. Nicht über die eigenen Privilegien nachzudenken, ist deshalb praktisch. Wenn ich etwas über die Benachteiligung anderer Menschen höre, löst das vielleicht Mitleid aus – das Ganze hat aber nicht viel mit mir selbst zu tun. Wenn ich aber über meine eigenen Privilegien spreche, muss ich mir plötzlich eingestehen, dass meine eigene Position doch Teil des Problems ist. Chow und ihre Kolleg:innen bestätigten das in ihren Studien. Wenn Weiße Personen sich mit ihren eigenen Privilegien beschäftigten, senkte das ihren gruppenbezogenen Selbstwert. Die Folge: Sie stimmten viel eher Maßnahmen zu, die ihrer eigenen Gruppe schadeten, aber einer benachteiligten Gruppe halfen.

Diese Studien werfen kein gutes Licht auf die Fähigkeit von Menschen, objektive Entscheidungen zu treffen. Sind wir wirklich so leicht beeinflussbar? Was lässt sich aus diesen Forschungsergebnissen mitnehmen? Wie so häufig liegt der richtige Weg irgendwo in der Mitte. Wichtig ist es, sowohl über Benachteiligungen als auch über Privilegien zu sprechen und Sprachgewohnheiten in Frage zu stellen.

Es geht ja gar nicht anders: Wenn ich über etwas spreche, kann ich nie alle Informationen zu einem Thema erwähnen. Erstens, weil ich sie gar nicht alle kenne, zweitens, weil mir niemand mehr zuhören würde, wenn ich in jedem Gespräch erst einen fünfstündigen Monolog halten würde und drittens, weil das menschliche Gehirn gar nicht genug Kapazität hat, um so viele Informationen gleichzeitig im Arbeitsspeicher zu halten, über sie nachzudenken und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Es kann also nicht das Ziel sein, immer über jede Information zu sprechen, die es zu einem Thema zu sagen gibt. Sprache ist immer selektiv.

Aber es lohnt sich, die eigene Sprache und die Sprache der anderen, im Alltag, in Büchern, in den Nachrichten zu hinterfragen. Welche Seiten der Geschichte werden hier gerade herausgegriffen? Welche werden unter den Tisch fallen lassen? Gibt es auch eine andere Perspektive, aus der ich dieses Thema betrachten kann? Welche Gedanken und Gefühle lösen die Wörter und Metaphern in mir aus, die hier gerade verwendet werden?

 

von Annette Malapally

Beitragsbild: Pixabay (Mustafa Kücük)

Quellen

Chow, R. M., & Galak, J. (2012). The effect of inequality frames on support for redistributive tax policies. Psychological Science, 23(12), 1467-1469.

Lowery, B. S., & Wout, D. A. (2010). When inequality matters: The effect of inequality frames on academic engagement. Journal of Personality and Social Psychology, 98(6), 956.

Pan, P. L., Meng, J., & Zhou, S. (2010). Morality or equality? Ideological framing in news coverage of gay marriage legitimization. The Social Science Journal, 47(3), 630-645.

Tversky, A., & Kahneman, D. (1981). The framing of decisions and the psychology of choice. Science, 211(4481), 453-458.

Wehling, E. (2018). Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet-und daraus Politik macht. Ullstein Buchverlage.