Die Aktion #allesdichtmachen hat viel Kritik geerntet. Verteidigt wird sie mit Schlagworten wie Kunst- und Meinungsfreiheit. Unser Autor Bastian stellt sich die Frage: nur weil man etwas sagen darf, sollte man es dann auch sagen?

 

“Habt Ihr es auch so erlebt, als wären die meisten Journalisten [im letzten Jahr] plötzlich einem Chor beigetreten?” Diese Frage stellte Jan-Josef Liefers auf Instagram [1] im Rahmen der Aktion #allesdichtmachen. Mir geht es hier und jetzt aber weniger darum, was ich von der Frage halte, sondern um den Diskurs um diese ganze Aktion—also nicht nur um die Aussagen der beteiligten Künstler:innen selbst, sondern um die Gesamtgesellschaft. Da wird plötzlich davon geredet, dass es ja die Freiheit der Künstler:innen sei, ihre Meinung zu sagen. Dass etwas im öffentlichen Diskurs falsch läuft, wenn sie dafür kritisiert werden.

Diesen letzten Teil finde ich sehr schade. Es zweifelt ja wirklich niemand daran, dass es das gute Recht eines jeden ist, die Regierung zu kritisieren, gerne auch überspitzt oder satirisch. Das ist im Sinne der Demokratie nötig und wichtig. Das ist ja nun aber auch nichts Neues, zum Beispiel macht das Matthias Renger seit Monaten [2] oder auch die “Heute Show”, die übrigens auf dem ZDF läuft. So viel zur Gleichschaltung der Medien.

Die Frage, die sich viele aber stellen ist, was man denn unbedingt sagen muss. Nur weil etwas erlaubt ist, muss man es ja nicht tun—oder vielleicht eignet sich zumindest ein bestimmtes Format besser als ein anderes. Das war ja im Übrigen mal die Idee hinter dem, was gerne als “Political Correctness” bezeichnet (oder beschimpft) wird: Sich so zu äußern, dass Menschen dadurch weder beleidigt, verletzt noch gekränkt werden [3].

Vor diesem Hintergrund fragen sich vermutlich viele, ob unbedingt jetzt der richtige Zeitpunkt für pauschale Maßnahmenkritik ist, während Intensivstationen in Deutschland voll laufen, von “weicher Triage” gesprochen wird oder die Behandlung von Krebspatienten in der Qualität deutlich schlechter wird [4]. Besonders wenn diese “Kritik” teilweise völlig losgelöst von der Realität stattfindet. Diese Frage dürften sich auch die beteiligten Schauspieler:innen gestellt haben, zumindest könnte man das von Medienprofis erwarten. Offenbar war es ihnen aber egal oder sogar ganz recht, so zusätzliche Aufmerksamkeit zu bekommen.

Umso wichtiger ist es nun für die Meinungsfreiheit, dass man diese Aktion auch für bescheuert halten darf. Zum Meinungen äußern gehört nun mal auch, dass andere eine eigene Meinung darüber haben können. Diese Kritik mit Verweis auf Kunstfreiheit zu delegitimieren ist dementsprechend ein seltsames Demokratieverständnis, wenn man Widerspruch für ein Problem per se hält.

Aber auch bei der Kritik stellt sich die Frage, was man denn sagen muss. Sind Boykott-Aufrufe zum Beispiel zielführend? Natürlich darf man diese Frage mit “Ja” beantworten, auf der anderen Seite kann man sich aber auch überlegen, ob da nicht besser zwischen Person und Werk getrennt werden sollte.

Wenn wir schon beim Thema “Werk” sind: Offensichtlich erhalten 53 Schauspieler:innen, die man meistens entweder gar nicht oder nur aus der “Tatort”-Vorschau kennt, augenblicklich Aufmerksamkeit, wenn sie nur laut genug grölen. Sogar so viel Aufmerksamkeit, dass sie vom Gesundheitsminister zu einem Gespräch eingeladen werden. Aber wieso eigentlich? Was macht deren Meinung wichtiger als die von anderen?

 

von Bastian Heinlein

Beitragsbild: Pixabay (James DeMers)

Quellen:

[1] https://www.instagram.com/p/CN-u6rqDpiK/

[2] https://twitter.com/matthias_renger/status/1376928859132678144?s=20https://twitter.com/matthias_renger

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Korrektheit

[4] https://www1.wdr.de/nachrichten/corona-intensivbetten-operationen-verschoben-100.html

[5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-04/schauspieler-corona-politik-allesdichtmachen-initiator