Wir haben eine neue Kolumne: Update aus dem Patriarchat. Als erstes schreibt Johanna, warum #pinkygloves nicht nur ein unnötiges Produkt ist, das wir doch auch einfach nicht kaufen können, sondern warum wir dieses vor allem kritisch sehen sollten.

 

Es ist wahr. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mir die Facebook-Kommentarspalte des Pinky-Gloves-Artikels aus der Emma durchlas, hatte ich mich aus politischen Diskussionen eher rausgehalten. Ich dachte immer, dass ich größere Probleme hätte und mich das Ganze einfach nicht betrifft. Wieso großartig aufregen und abkämpfen?

Mir geht es doch im Grunde gut, dachte ich. Ich habe ein Dach über dem Kopf, was zum Essen im Kühlschrank und einen Job in Aussicht. Doch wie es uns die philosophische Strömung des Existenzialismus so schön lehrt, bedeutet Menschsein eben nicht nur, sich mit den Umständen des Lebens abzufinden und fröhlich vor sich her zu irren. Viel eher bedeutet es Verantwortung für sich selbst, die anderen und die gesellschaftlichen Zustände um uns herum zu übernehmen.

Und so entbrannte schließlich auch in mir eine ungehemmte Wut, als ich las, wie man Frauen, die sich dafür einsetzten, dass sie wegen ihrer Periode nicht diskriminiert werden, als „selbsternannte Feministinnen“ herabwürdigt, die doch am besten wieder in ihre Löcher zurückkriechen sollten.

Wieso aber diese Wut? Wieso überhaupt Feminismus, könnte man da auch fragen, wenn man den vielen Hater:innen, die ihren Müll unter den Emma-Artikel setzen, glauben mag.

Der Artikel kritisiert das Produkt zweier Kandidaten aus der TV-Show „Höhle der Löwen“, mit dem die beiden „Frauenversteher“ die Perioden-Hygiene der Damenwelt leichter machen wollten. Damit hatten die Unternehmer im Netz einen Tsunami der Empörung ausgelöst, wobei nicht wenige der virtuellen Schlachten zur Bühne frauenfeindlicher Beleidigungen und Unterstellungen wurden.

Bei dem umstrittenen Produkt „Pinky“ handelt es sich um einen pinkfarbenen Einweghandschuh, mit dem gebrauchte Tampons entnommen, durch Umstülpen im Handschuh aufgefangen und durch einen simplen Knoten verschlossen werden können. Laut den Erfindern sei dies eine Möglichkeit, benutzte Tampons „fachgerecht“ zu entsorgen, denn die herkömmlichen Wege, also beispielsweise das Einrollen in Toilettenpapier, oder die Benutzung bereits erhältlicher Hygienebeutel, würden nicht ausreichen. Da das Papier im Mülleimer häufig durchnässt, bildeten sich Gerüche, die, wie die beiden Erfinder deutlich machen, „unangenehm“ und „unzumutbar“ seien.

Es ist nicht inaktuell und auch nicht weltfern zu sagen, dass Frauen wegen ihrer Periode diskriminiert werden. Weil unsere Realität nicht in Stein gemeißelt, sondern abhängig von den Handlungen jedes Einzelnen ist, kann ich mit Sicherheit behaupten, dass die Verbreitung eines Produkts, welches suggeriert, dass der Geruch und die Berührung benutzter Tampons mit den bloßen Händen nicht in Ordnung ist und hierfür eine andere Lösung geschaffen werden muss, für die zukünftige Bewertung der Menstruation in dieser Gesellschaft mehr als ausschlaggebend wäre.

Doch spielen wir das Ganze einmal durch: Was würde passieren, wenn es auf einmal normal wäre für die Periodenhygiene Pinky Gloves zu verwenden? Warum ist es nicht in Ordnung, „Pinky“ als nette kleine Erfindung zu verharmlosen, die man doch einfach nicht kaufen muss?

Sicher würden sich einige der hassverbreitenden Personen bestätigt fühlen, die lautstark ihre Meinung zum Emma-Artikel und vielen anderen Meldungen mit #pinkygate kundtun. Man würde beispielsweise denjenigen Recht geben, die Hundekot und Ejakulat mit dem eigenen Blut gleichstellen, die meinen, jede Frau würde ihr Blut wie wahnsinnig auf öffentlichen Toiletten verteilen, die beim Thema Periode von ekligem Zeug sprechen, das schrecklich stinkt und durch jegliche Barriere „durchsuppt“ und die jegliche Meinungskontrahent:innen zu untervögelten und frustrierten Opfern erklären, auch, wenn diese nichts anderes tun, als den Hinweis zu geben, dass schon die regelmäßige Entleerung des Badezimmer-Mülleimers „Pinky“ überflüssig machen würde. Diese Menschen würden in ihrer Überzeugung gefestigt werden, welche sie an ihre Kinder und Kindeskinder weitergeben.

In einer solchen Welt will ich nicht leben und darum möchte und werde ich diese Ansichten auch niemals hinnehmen. Weil unsere Werte mehr denn je umkämpft sind und heute jede:r Idiot:in mit einer Kamera andere beeinflussen kann. Deswegen! Von der ökologischen Bilanz, die ebenfalls massiv negativ für Pinky Gloves ausfällt, möchte ich an dieser Stelle nicht anfangen.

Zum Glück wurde diese Gefahr abgewendet und die Unternehmer haben verkündet mit ihrem Produkt aufzuhören. Schnell sprießte wieder eine Welle der Empörung, da die beiden Erfinder massiv beleidigt worden waren und von einigen Kritiker:innen sogar Morddrohungen erhielten hatten. Bei aller Verurteilung von Gewalt, kann ich jedoch ehrlich gesagt nur gähnen, wenn ich mir überlege, mit welchen Mitteln Männer im Verlauf der Geschichte ihre Interessen durchgesetzt haben. Und ich kann nur Mitleid empfinden für diejenigen, die in ihrer Erziehung immer wieder gesagt bekommen haben, dass ihre Körper einmal im Monat etwas Dreckiges und Schlechtes produzieren, wofür man sich schämen müsste. Nein. Dagegen kann man nicht nur versuchen anzukämpfen. Man muss es sogar.

 

Von Johanna Ernst

 

Beitragsbild: Elena Koycheva on Unsplash