Das Theater Erlangen ist zurück! Johanna berichtet euch, was dort aktuell zu erleben ist, und welche Projekte das Theater für die Zukunft plant.

 

Aufführungsfoto aus “Aufruf an Alle!” – 100 Jahre Sophie Scholl (Copyright: Jochen Quast)

Mit der Gastronomie, dem Einzelhandel und den Herzen der Menschen öffnet nun auch die Kultur Erlangens wieder ihre Pforten. Als einer der wichtigsten Stützpfeiler der kulturellen Szene ist das Theater Erlangen nach über einem halben Jahr Pause zurück und lädt zu anmutender Unterhaltung mit vielen neuen theatralen Projekten. In diesem Monat feiern unter anderem die Stücke „Aufruf an alle!“ 100 Jahre Sophie Scholl“ und „So oder so – Hildegard Knef“ ihre Premieren.

Zu meiner Schande muss ich gestehen – ich bin bis jetzt kein großer Theatergänger gewesen. Lange trug ich in meinem Kopf beim Thema Theater die Assoziation älterer Herrschaften und dieser einen einfachen Abfolge herum: Hinsetzen, sitzen, applaudieren, gehen. Mir fehlte da die Action. Die Auseinandersetzung mit dem Theater Erlangen jedoch zeigt mir: Hier hat sich etwas grundsätzlich verändert. Die Stücke, die Vermarktung und die vielseitigen modernen Konzepte des Theaters schreien Revolution. Nicht zuletzt durch die Corona-Krise haben sich die Verantwortlichen des Hauses in der Pflicht gesehen die Sichtbarkeit und das Bild ihres Theaters in der Bevölkerung zu verändern. Mit Spannung habe ich Intendantin Katja Ott und der leitenden Dramaturgin Karoline Felsmann bei ihrer letzten Pressekonferenz gelauscht, als diese von der Theater-Arbeit während des Lockdowns erzählten und motiviert ihre Pläne für die Zukunft vorstellten.

Intendantin Ott blickt hoffnungsvoll in die neue Spielzeit 2021/22. Mit dreizehn neuen Produktionen möchte man endlich wieder mehr Theater in das Leben der Erlanger bringen. Um dieses Vorhaben erfolgreich umzusetzen, haben sich die Verantwortlichen lange Gedanken gemacht, was den Zuschauer:innen gezeigt werden sollte, wenn Live-Theater endlich wieder möglich ist. Auch wenn für die kommende Saison keine Spielplanposition festgelegt wurde, um als Sprachrohr der Kunst flexibel auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren, zeigen die Stücke inhaltlich einen klaren Schwerpunkt: die Frage danach, wie wir als Gesellschaft bestehen und als Menschen leben wollen.

Gestartet wird im September mit der turbulente Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“, die für Ott „Theater pur“ bedeutet und die Zuschauer:innen mit viel Humor und Opulenz abholen soll. Das historische Liebes- und Verwechslungsspiel zeigt viele Anspielungen auf Diversität und trifft damit den Puls der Zeit. Die fantasievolle Oktober-Premiere „Glückliche Tage“ wiederum hinterfragt den Umgang mit den eigenen Lebensumständen, die für die Protagonistin, ähnlich wie für uns während des Lockdowns, durch eingeschränkte Mobilität und das ständige Schwelgen in Erinnerungen geprägt sind, ohne jedoch jemals die Lust am Leben zu verlieren. Mit dem Stück „Volksfeind for Future“, welches im Januar 2022 anläuft, wird es dann klimapolitisch. Zwei Fridays-for-Future-Geschwister streiten mit ihrer grünen Oberbürgermeisterinnen-Mutter um gefälschte Ökobilanzen, während ein Jugendchor zur Stimme der FFF-Bewegung wird und Videospots ihre Demonstrationen lebendig werden lassen. In „GRNDGSTZ“ (Start: März 2022) wird auf die Geschichte und Gegenwart des Grundgesetzes geblickt und auf spaßig-ernste Weise der Umgang mit der deutschen Verfassung hinterfragt. Besonders seit Beginn der Corona-Krise wird immer wieder über eine konkrete Auslegung des Grundgesetztes diskutiert. Schutz auf Leben oder Freiheitsrechte? Mit dem Stück möchte das Theater Erlangen die Zuschauer:innen zu einer Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung animieren.

Neben den beiden festen Spielstätten, dem Marktgrafentheater und der Garage, hat das Theater Erlangen seit Januar 2021 eine neue dritte feste Spielstätte – Die Bühne Digital. Vor allem während des Lockdowns bot das Online-Angebot die Möglichkeit Theater-Kultur auch von zuhause aus weiter zu genießen. Die Bühne Digital, so Dramaturgin Felsmann, soll eine weitere Möglichkeit der Theater-Unterhaltung darstellen und kein Ersatz für den Live-Betrieb sein. Mit der neuen Spielstätte möchte man die Räume in denen Theater stattfinden kann erweitern und neue innovative Formate schaffen, die nur in der digitalen Welt funktionieren. Bisher wurden dafür Aufführungen als klassische Video-On-Demand-Angebote zur Verfügung gestellt, mit dem Publikum interaktive Zoom-Inszenierungen realisiert, Online-Lesungen und digitale Gesprächsformate geschaffen und ein eigener Podcast kreiert. Doch damit nicht genug. Im neu-entwickelten Instagram-Live-Detektivspiel „Panopticon“ wurde das soziale Netzwerk zur Bühne der Erlanger Schauspieler:innen, wobei die Zuschauer:innen durch investigatives instagrammen an der Lösung eines Kriminalfalls  forschen konnten. In Anklang an andere Location-based-Games wie beispielsweise Pokémon Go entstand außerdem das Smartphone-Spiel „Theater in Stücken“, in dem mit Hilfe einer mobilen Karte überall in Erlangen kleine Rätsel gelöst werden müssen, um das zersplitterte Theater wieder zusammenzufügen.

Und man tüftelt weiter an Ideen. Denn beim diesjährigen fünften Regienachwuchswettbewerb wird gezielt nach einem Konzept für eine Aufführung im digitalen Raum gesucht. Hierbei sind der Kreativität keine Grenze gesetzt, einzige Vorgabe ist das Ziel Theater und Digitalität intelligent zu vereinen. Bewerben können sich Theaterkünstler:innen oder -kollektive mit entsprechender Ausbildung bis zum 30.11.2021. In dem Wettbewerb sehen Ott und Felsmann großes Potential für die neue Spielstätte, denn Expert:innen für digitales Theater sind momentan noch rar.

Mit Blick auf die Veränderung des Spielbetriebs durch die Corona-Hygienevorschriften hofft Intendantin Ott, dass die Freiheit auf der Bühne und im Zuschauerraum schnell zurückkehren wird. Auch wenn aufgrund der niedrigen Inzidenz aktuell kein Corona-Test für einen Theaterbesuch notwendig ist, gilt weiterhin eine Maskenpflicht während der Vorstellung. Auch für die Spieler:innen bedeuteten die neuen Regeln einiges an Umstellung. In Proben darf nicht geschrien werden, Abstände müssen eingehalten werden, Berührungen sind untersagt. So standen auch Regisseur:innen vor der Aufgabe ihre Produktionen coronakonform anzupassen. Besonders die Umsetzung analoger Stücke ins Digitale gestaltet sich sehr aufwendig und verlangt allen Beteiligten viel Arbeit ab. Vor vier Kameras ein Stück zu spielen ist eben etwas ganz anderes als dies vor Live-Publikum zu tun. Doch die Anstrengung lohnt sich. Mit dem Anlaufen der digitalen Bühne schafft das Theater Erlangen eine weitere Möglichkeit für Zuschauer:innen sichtbar zu sein. Durch die neuen Formate entstehen zudem weniger räumliche Einschränkungen, Zuschauer:innen können sich von überall auf der Welt einklicken und das Theater ist auch außerhalb regulärer Spieltage verfügbar. Dazu trägt auch eine weitere Neuerung des Theater Erlangen bei: der Theaterbus. Ein ehemaliger Regionalbus wird zu einer kleinen fahrbaren Bühne umgebaut werden, um damit verschiedene Orte in Erlangen und der Region anzusteuern, damit mobile Monologe, Lesungen und andere Formate auch an Zuschauer:innen gelangen, für die der Weg ins Theater nicht selbstverständlich ist.

Bei all den Angeboten und kreativen Konzepten, für die das Theater Erlangen steht, freut mich jedoch am meisten wie viele Möglichkeiten für echte Partizipation an der Arbeit des Theaters geschaffen werden. Da wäre zum einen die Bürgerbühne, die durch den Aufruf spielfreudiger Erlanger:innen auch dieses Jahr wieder ein Rechercheprojekt realisiert haben, dessen Ergebnis den Namen „Ich* Die neue Uni*Diversität“ trägt und am 26. Juni seine Premiere feiert. Dazu kommt der Spielclub Neuland, der durch die Theaterpädagogik betreut wird und sich an Theaterinteressierte zwischen 16 und 25 Jahren richtet. Hier werden gemeinsam Vorstellungen besucht, diskutiert und einmal wöchentlich an einem eigenen Stück gearbeitet. Mir hat es besonders der Afterwork-Club „FÄM“ angetan, der sich speziell an Frauen richtet und in dem feministisches Gedankengut diskutiert wird. Den regelmäßigen Sitzungen wird durch Fach-Theoretikerinnen aus Psychologie und Historik beigewohnt.

Das Wichtigste bleibt jedoch zu erkennen, mit wie viel Leidenschaft die Mitglieder des Theater Erlangens für ihre Kunststätte arbeiten und aus der Krise mit all ihren Unannehmlichkeiten viel mehr herausgeholt haben, als diese bloß zu überbrücken.

Wenn ihr Lust bekommen habt eine Aufführung des Theater Erlangen zu besuchen oder euch über die weiteren spannenden Projekte informieren möchtet, besucht doch ihre Webseite http://www.theater-erlangen.de/de oder folgt ihnen auf YouTube, Facebook, Twitter oder Instagram. Viel Freude beim Staunen!

 

von Johanna Ernst

Beitragsbild: Jochen Quast