Wer einen kleinen Crashkurs zu „Diet Culture“ braucht, ist hier genau richtig! Worum es dabei geht und wie man anfangen kann sich davon zu befreien, könnt ihr im Folgenden lesen.

Der englische Begriff „Diet Culture“ und der Kampf gegen diese ist zurzeit auf allen Sozialen Medien zu finden. Es handelt sich bei „Diet Culture“ um die Überzeugung, dass ein sehr spezifisches optisches Erscheinungsbild – v.a. Schlankheit – über Gesundheit und Wohlbefinden zu setzen ist. Diese Überzeugung behauptet, dass eben dieses Schönheitsideal (welches nicht sehr inklusiv ist) zu körperlicher und geistiger Gesundheit führt und man nur durch das Erreichen dieses Ideals wirklich glücklich wird bzw. glücklich sein darf. Zudem ist das Erreichen dieses Idealkörpers, wie ihn nachretuschierte Models auf Magazincovers besitzen, durch starke Kalorienrestriktion und Kategorisierung von Lebensmittel in „gut“ und „schlecht“ motiviert. „Diet Culture“ setzt unerreichbare Ziele und normalisiert negativen „self-talk“. Hierbei handelt sich um einen inneren Monolog, bei dem man sich im besten Fall kritisiert und im schlimmsten Fall beschimpft und niedermacht.

Diese Beschreibung ähnelt dem einer Sekte und genau das ist das Problem. Man ist gefangen in einer der übelsten Arten von gesellschaftlichen Zwängen und ist womöglich sogar der Meinung, es sei gesund. „Diet Culture“ ist seit Jahrzehnten ein normaler Teil unserer Gesellschaft und ist überall zu finden – so sehr, dass es wahrscheinlich ist, dass auch du, liebe:r Leser:in, schon von ihr geknechtet bist. Machen wir ein kleines Experiment. Ich wette, du hast dir schon mal eines der folgenden Aussagen gedacht:

  • Meine Oberschenkel/Bauch/Doppelkinn/Po ist/sind zu groß.
  • [Beliebiges Lebensmittel] hat zu viele Kalorien!
  • Ich sehe dick aus in [beliebiges, wahrscheinlich sehr hübsches Kleidungsstück].
  • Ich war „böse / ein Versager“. Ich hätte [beliebiges Lebensmittel] nicht essen sollen.
  • Ich habe heute noch nichts gegessen – Ich darf mir das jetzt gönnen!
  • Ich habe heute Sport gemacht – Ich darf mir das jetzt gönnen!
  • Hoffentlich merkt keiner, dass ich zugenommen habe.
  • Ich muss wieder mehr Sport machen, über die Feiertage war ich zu verfressen!
  • [Person, die angeblich schlanker ist] hat so Glück! Wenn ich so essen würde, würde ich zunehmen.
  • Wenn ich so aussehen würde wie [Person, die übergewichtig ist], würde ich nicht so viel essen!

Und, hatte ich recht? Von ganzen Herzen hoffe ich, dass deine Antwort nein lautet. Gleichzeitig weiß ich, dass es höchstwahrscheinlich ja ist. Man kann sich also mit „Diet Culture“ nicht nur selbst schaden, sondern auch anderen. Obwohl „Diet Culture“ ein präsentes Thema ist, hört man es komischerweise nicht so oft in der deutschen Sprache. Das ließ mich vermuten, dass wir noch keinen solchen Terminus im Deutschen besitzen. Nach kurzer Recherche musste ich mich jedoch vom Gegenteil überzeugen lassen. Im Deutschen ist „Diätkultur“ ein etablierter Begriff, der auch im deutschsprachigem Raum v.a. in Verbindung mit der Body-Positivity-Bewegung verwendet wird. Es ist sehr schade, dass diese Anti-Diätkultur-Bewegung in Deutschland noch nicht ganz angekommen ist, aber du kannst noch heute (wir stellen uns eine 80er Jahre Werbemusik im Hintergrund vor) damit beginnen, dich selbst und andere vor den Einflüssen und Auswirkungen der Diätkultur schützen.

Wie bei fast allen sozialen Problemen ist der erste und allerwichtigste Schritt ein persönliches Umdenken. Man wird nicht von heute auf morgen große Veränderungen erzeugen können oder einen systemischen Wandel einleiten. Ein persönliches Umdenken kann dich jedoch von den Ketten der Diätkultur befreien und wenn eine:r anfängt vorzuleben, springt der Funke häufig über. Die effektivsten Methoden zur Verminderung der Diätkultur-Einflüsse sind für euch im Folgenden zusammengefasst.

Erstens: Sei nett zu dir selbst und versuche dir gegenüber Liebe und Verständnis aufzubringen. Ja, ich weiß es ist ein Klischee, aber es ist der Schlüssel zu allem. Sei empathisch und achtsam dir selbst gegenüber, denn du hast es verdient. Wenn du dich beim negativen „self talk“ erwischst, sei geduldig und erinnere dich daran, dass du es wert bist, gut behandelt zu werden. Wie andere dich behandeln kannst du leider nicht steuern. Was du aber steuern kannst, sind deine Verhaltensweisen. Mach das meiste daraus und werde zu deinem:deiner eigenen größten Verbündeten.

Der zweite Tipp geht Hand in Hand mit dem ersten: Versuche deine Fotos nicht zu stark zu retuschieren – wenn möglich gar nicht. Mit den zahllosen Filtern auf Instagram ist es heutzutage sehr einfach Fotos zu bearbeiten, sodass man aussieht, wie man es sich wünscht, statt wie man es eigentlich tut. Ich entschuldige mich für ein zweites großes Klischee, aber du bist wirklich (wirklich wirklich) schön, so wie du bist. Indem man lernt, seine Fotos und sein Aussehen so zu akzeptieren, wie sie eben sind, lernt man auch, sich selbst schöner zu finden. Wäre es nicht wunderbar, wenn man in den Spiegel schauen würde und eigentlich immer ganz zufrieden wäre? Es ist möglich – es braucht nur Übung! Werden wir wie Heidi Klum, Kylie Jenner und Naomi Campbell aussehen? Nö. Ist das schlimm? Nö! Sie haben Teams von Stylisten und trotzdem werden ihre Bilder nachretuschiert. Unter den Bedingungen würden auch wir Mauerblümchen die Cover der Cosmo zieren können. Außerdem repräsentieren Schauspieler:innen, Musiker:innen und Models nur einen kleinen Teil der Körperformen, die es gibt.

Drittens: Schlankheit ist nicht gleich Gesundheit. Wenn ich das sage, bedeutet es nicht, dass Menschen mit einer starker Adipositas immer gesund sind. Es bedeutet lediglich, dass man nicht erst dann gesund ist, wenn man einen Körperfettanteil von 3 Prozent hat. Frauen haben beispielsweise von Natur aus ca. 10 Prozent mehr Fett als Männer. Das bedeutet nicht, dass Frauen ungesünder sind als Männer, sondern der erhöhte Körperfettanteil bei Frauen ist wahnsinnig wichtig, sodass es bei zu hohem Verlust zu lebensbedrohlichen Situationen kommen kann. Es ist zudem eine absolute Frechheit, dass uns Diätkultur einredet, dass große Brüste und volumenöse Kurven „weiblich“ sind, aber gleichzeitig Frauen mit „ein paar Pfunden zu viel“ (wieder ein gutes Beispiel für Diätkultur Lingo) nicht schön sind. Gegen solche Anforderungen kann man nicht gewinnen.

Die letzte Empfehlung des Tages ist, bewusst auszusuchen, welche Medien man konsumiert. Folgst du Instagram-Seiten, die dir immer das Gefühl geben, du seist hässlich oder nicht gut genug? Dann entfolge ihnen. Umgib dich mit Menschen und Inhalten, die dir ein positives Gefühl geben, die dich aufbauen. Denn darum geht es schließlich bei der Anti-Diätkultur-Bewegung: sich wohl zu fühlen, glücklich in seinem Körper zu sein und selbst entscheiden zu dürfen, wie man aussehen möchte.

von Julia Schaab

Beitragsbild: Nelly Watt, zu finden hier