Johanna musste nach dem Umzug nach Erlangen erstmal ein paar Sprachbarrieren überwinden – denn zwischen Rosenheim und Erlangen bestehen eben doch ein paar Unterschiede, auch wenn beide in Bayern liegen…

Nur zur Erklärung: Ich bin in Rosenheim in Oberbayern geboren und aufgewachsen, bin dann aber für das Studium nach Erlangen ins Studentenwohnheim gezogen. Ich spreche kein Bayrisch, sondern eigentlich einwandfreies Hochdeutsch – dachte ich jedenfalls. Wo in Bayern dann wohl doch so mancher sprachlicher und kultureller Unterschied besteht, habe ich aber sehr schnell herausgefunden…

Ein Tag aus meiner ersten Studienwoche (vor Corona): Ich stehe morgens auf, mache mich fertig, packe meine Sachen und laufe zur Bushaltestelle. Der Busfahrer sagt „Diget bidde!“ Ich blicke ihn verständnislos an, kapiere erst nach einem kurzen Moment und zeige ihm mein Ticket auf dem Handy. Ich setze mich auf einen Platz und schaue aus dem Fenster: Siemens Health, Siemens Health, FAU, Siemens Health – die Gebäude ziehen draußen vorbei. In der Innenstadt angekommen, beschließe ich, mir noch einen Kaffee und ein Croissant zu holen – eine einfache Sache könnte man meinen? Falsch gedacht. Die Bäckereifachverkäuferin blickt mich auf meinen Wunsch hin an und fragt: „Ein Bamberger?“ Ich antworte: „Nein, ein Croissant.“ „Ham wa hier ned.“ „Aber da liegen doch Croissants“, sage ich irritiert. „Also wollen sie doch ein Bamberger?“, fragt sie erneut. Endlich macht es klick und ich verstehe, dass es sich hier um ein weiteres Sprachproblem handelt: „Ja, ein Bamberger, bitte.“ Die Verkäuferin sieht mich noch einmal schief an und schüttelt leicht den Kopf, also nehme ich meinen Einkauf und fliehe schnell aus dem Laden.

An der Uni angekommen wähne ich mich in Sicherheit, die anderen Studenten scheinen dialektfrei zu sprechen. Aber irgendwie ist da doch was komisch: immer wieder verirren sich ds an Stellen, an denen ich ein t erwarte und das p scheint gar nicht zu existieren. „Soweit so gut“, denke ich mir und konzentriere mich auf die Vorlesung. Auf dem Weg zum Mittagessen lerne ich zwei Mitstudierende kennen, beide aus der Region. Unweigerlich nähert sich das Thema dem Fußball, schließlich findet am Wochenende das große Lokalderby FCN gegen Greuther Fürth statt. Ist doch klar! Ich verschweige lieber, dass ich FC Bayern Fan bin…

Kaum in der Mensa angekommen, das nächste Problem: Was sind denn bitte Baggers?! Leicht verzweifelt wende ich mich an meine Begleiter und frage hinter vorgehaltener Hand, was denn Baggers seien. Die beiden versuchen sich nicht anmerken zu lassen, wie amüsiert sie über mein Unwissen sind, und erklären mir, dass es sich um gebratene Küchlein aus Kartoffeln handle. „Ach so, Reiberdatschi!“, seufze ich erleichtert auf und ernte verständnislose Blicke. „So heißt das bei uns“, rechtfertige ich mich leicht eingeschüchtert und beschämt. Ich wähle also lieber die Nudeln, zumindest die nennt man hier auch so.

Auf dem Rückweg zur Uni kommen wir an einem Spielplatz vorbei und ich laufe sofort zur Vogelnestschaukel und rufe meinen beiden Mitstudierenden zu: „Könnt ihr mich antauchen?“ „Äh, meine Taucherbrille hab ich jetzt nicht dabei…“, antwortet der eine. Entgeistert blicke ich ihn an. „Wozu denn eine Taucherbrille?“ „Naja, du hast doch gesagt, wir sollen dich antauchen, aber ich find das jetzt auch schwierig so ganz ohne Wasser…“ Langsam dämmert es mir: „Sagt ihr hier etwa nicht antauchen für anschubsen?“ Die beiden lachen: „Nein, das sagt hier keiner, noch nie gehört!“ Ich resigniere und klettere von der Schaukel. Ich muss wohl noch viel lernen…

Nach der letzten Vorlesung steige ich wieder in den Bus zum Studentenwohnheim und als ich dort ankomme, bin ich froh, ein Stimmengewirr in verschiedensten Sprachen und Dialekten zu hören. Inzwischen lebe ich seit zwei Jahren in Erlangen und habe gelernt, Gebäckstücke zu unterscheiden, weiß, was „Drei im Weggla“ sind und kenne sogar ein paar Clubspieler beim Namen. Vielleicht werde ich ja doch noch eine waschechte „Frängin“.

von Johanna Neumeier

Beitragsbild: Martin Scherbakov