Das 75-minütige Stück fasst zusammen, was Period Shaming für Menstruierende bedeutet und warum eine offene, schamfreie Diskussion über die Periode so wichtig ist. Dabei ist der Ernst der Thematik sehr spaßig verpackt.
Beim Einlass wird das Publikum mit drei jungen Frauen begrüßt, die zu Fergalicious Aerobic machen. Eine davon strahlt durchgehend frisch wie in diesen unsäglichen „20 Minute Fat Burner“-Videos auf YouTube, eine boxt sich durch, die dritte ist zunehmend aus der Puste. Was sie da tun? Sie befolgen einen Tipp, den sie in einem Video von zwei YouTubern gefunden haben, das schön mansplained, wie man angeblich die „Periode austricksen kann“.
Wenig später wird der Selbstversuch Sport aufgegeben und sich so richtig schön ausgekotzt. Es wird kein Blatt vor den Mund genommen, denn das ist das Ziel des Abends: Eine offene Diskussion über die Periode. Erfahrungen werden ausgetauscht und mit wichtigen Statistiken angereichert. Es geht um das ewige Versteckspiel der roten Flecken, die leidigen sexistischen Witzeleien, das Gehänseltwerden. Es geht um Verhütung, die immer noch zur Aufgabe der Frauen gemacht wird, Periodenprodukte als Luxusgüter und lächerliche Euphemismen für die Periode (welche, in Anlehnung an die Silhouette Challenge auf TikTok, in rotem Licht untermalt mit pulsierender Musik serviert werden).
So ernst alle diese Themen sind, wird es doch spätestens dann sehr lustig, als zum ersten Mal die dämlichen Fragen ausgepackt werden, die Menstruierenden mitunter gestellt werden (die nur von cis-het Männern stammen können, und nein, es tut mir nicht leid, das so zu schreiben – wer würde denn sonst fragen, ob Mann während der Periode besser nicht zu fest umarmen sollte, weil doch das Blut aus der Vagina schießen könnte wie bei einer Ketchupflasche, die zu doll gedrückt wird).
Zum Schreien komisch sind auch die Videosequenzen mit dem Battle of Generations: während zwei Frauen mittleren Alters Werbung für auslaufsichere Binden und einen (total absurden) Tampongreifer machen, die das Verbergen und Verdrängen der Periode leichter machen sollen, erzählt eine junge Influencerin auf Instagram offen über Menstruation und Endometriose. Auch historische Figuren kommen zu Wort, mit eher fragwürdigem Expert*innenwissen, das noch mehr Gelächter auslöst.
Es gibt außerdem eine herrliche Gesangs- und Tanzeinlage zu I See Red von Everybody Loves An Outlaw und eine Lehrstunde zum Anfassen: das Publikum – insbesondere der Anteil, der nicht menstruiert – bekommt die Gelegenheit, Binden und Tampons in der Hand zu halten. (Ich will niemandem etwas unterstellen, aber es könnte für manche tatsächlich das erste Mal gewesen sein – aufregend!)
Mir persönlich sind die wenigsten der präsentierten Fakten und angestoßenen Gedanken neu, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich nun mal selbst Betroffene bin und mir oft genug anhören muss, dass ich ja wieder mal besonders „emotional flexibel“ sei. Ob ich wohl meine Tage habe, hm? Nein, einfach nur die Schnauze voll, Jürgen! Genauso wie die drei jungen Frauen auf der Bühne. Es ist schön, wie sie mir voller wütender Energie mein eigenes Leid reflektieren, es mit mir teilen und mich verstehen. Alle anwesenden Menstruierenden, so fühlt es sich an, können sich über diesen „Insider“ Periode in seiner humorvollen Umsetzung großartig amüsieren, eben weil wir alle dieses monatliche Elend kennen.
Ich hoffe inständig, dass noch ganz viele Menstruierende sich ein Herz fassen und mitmachen bei diesem offenen Umgang, der sich für nichts entschuldigt. Ich hoffe, dass sich diese Schamlosigkeit noch weiter ausbreitet und sich die Bildung zum Thema Periode für alle Geschlechter verbessert. Auch wenn noch sehr, sehr viel Nachholbedarf besteht, mit diesem Stück kann man schon mal einen guten Anfang machen.
(Fun Fact: ich besuche die Vorstellung am letzten Tag meiner Periode. Sorgen machen, dass ich eventuell auslaufen könnte, muss ich mir nicht. Und selbst wenn: Das Gostner hat Menstruationsprodukte in den Toiletten zum Mitnehmen und Weitergeben deponiert – hätte ich welche gebraucht, the Gostner had my back.)
„I Do The Same Job Bleeding”
am Gostner Hoftheater
Text & Performance: Fleur Grelet, Antonia Joséphine Meier, Anja Rüegg, Mira Wickert, Nina Vieten
Regie, Konzept & Musik: Nina Vieten
Bühne & Kostüme: Una Jankov
Termine & Tickets gibt es hier.
Text: Svenja Plannerer
Beitragsbild & Fotos im Text: Kurt Preinl