Bingo Morihashi und Suwaru Koko nehmen uns mit in die Welt eines Studenten, die so normal aber doch ganz anders ist. Berührend und emotional erzählen sie die Geschichte von Yuji, einem Jungen, der im falschen Körper gefangen ist.
Seit ich elf Jahre alt bin, lese ich schon Mangas. Von Shoujo zu Shounen zu Mistery. Von Naruto zu Tokyo Ghoul bis zu Attack on Titan. Allerdings ist There is no Future in this Love von Bingo Morihashi und Suwaru Koko der erste Manga, den ich lese, mit einer Person als Hauptfigur, die transgender ist. Der Manga ist im Jahr 2021 im Hayabusa-Label des Carlsen Verlags erschienen. Kategorisch lässt er sich unter Slice of Life einordnen, also eine Geschichte, die aus einem Abschnitt des Lebens oder aus dem Alltag einer fiktiven Person erzählt.
Dabei erzählt der Manga vom Studenten Yuji Manase, der im Tokyo der 1980er Jahre lebt. Seiner Familie gegenüber fühlt er sich oft fremd und unwohl und bevorzugt es, alleine zu bleiben. In der Universität gehört er einem Literatur-Club für Science Fiction an, in dem auch sein heimlicher Schwarm und Kindheitsfreund Masaki ist. Schon als Kind hat er sich irgendwie “falsch” gefühlt, weil er “femininere” Dinge und Farben bevorzugt hat. Besonders ein Moment in seiner Kindheit hat ihn traumatisiert: er probierte in dem Zimmer seiner Schwester deren roten Schulranzen an, als sie hereinkam und fragte, was er da mache. Ihren Blick nahm er als verurteilend wahr und hatte den Eindruck, sie würde ihn eklig und abstoßend finden.
Erst später, als Yuji schon ausgezogen ist und alleine wohnt, beginnt er, sich langsam mit seinen Bedürfnissen und Wünschen auseinanderzusetzen, ausgelöst durch einen Besuch seiner Schwester, bei dem sie ihm ein Kleid und eine Perücke für ihren Videodreh am nächsten Tag da lässt. Nur um sie zu ärgern probiert er es an und stellt fest, dass er sich und seinen Körper weniger abstoßend – ja sogar schön – findet. Er sehnt sich nach nichts weiter, als endlich im richtigen Körper zu sein. Zunächst belässt er es dabei, das Geburtstagsgeld seiner Eltern gibt er jedoch für sein erstes eigenes Kleid aus (mit dem Vorwand, er kaufe es für eine Freundin). Neben diesen Problemen, die schon überwältigend genug scheinen, versucht Yuji, seine Liebe zu Masaki geheim zu halten, der als Frauenschwarm und stereotypisch heterosexuell dargestellt wird. Trotzdem scheint Yuji zu hoffen, dass Masaki ihn so akzeptieren würde, wie er ist, sollte er sich ihm irgendwann anvertrauen und die Wahrheit erzählen.
There is no Future in this Love ist eine unglaublich interessante Geschichte, die sanft an dieses sensible Thema herangeht und sich besonders auf Yujis Emotionen und Entwicklung konzentriert. Es geht um Selbstfindung, Liebe, Freundschaft und das Leben im falschen Körper. Yuji Manase ist ein Charakter, in den man sich gut hineinversetzen kann und der vielleicht auch dabei hilft, dieses Thema besser zu verstehen und nachvollziehen zu können.
Bis jetzt habe ich nur den ersten Band gelesen, werde mir den nachfolgenden Band aber definitiv ebenfalls kaufen, um die Geschichte weiterzuverfolgen. Denn viele Momente in dem Manga haben mich zum Nachdenken gebracht, auch über die heutige Situation. Da war zum Beispiel die Situation mit dem roten Schulranzen. Ist es nicht unsinnig, Farben als “typisch männlich”, “typisch weiblich” und neutral einzustufen? Was macht eine Farbe “männlich”? Und was macht sie “weiblich”? Heutzutage ist rot kulturell nicht mehr unbedingt als strikt “feminine” Farbe definiert, aber es gibt immer noch Vorurteile gegen das angeblich so feminine rosa. Der Manga hat hier gut angesetzt und sehr dezent darauf verwiesen, dass diese Problematik, die auch heute noch zu großen Debatten und Diskussionen führt, vor lediglich ein paar Jahrzehnten noch deutlich ausgeprägter war.
Traurig ist, dass mir beim lesen immer mehr bewusst geworden ist, wie relevant die thematisierten Aspekte auch heute noch sind und wie schwierig es sowohl damals als auch heute für Personen ist, die sich nicht dem binären Geschlechterspektrum zuordnen oder sich darin nicht identifizieren können. Doch gerade darüber muss mehr gesprochen werden, um Toleranz zu fördern.
Zwar hoffe ich in der Geschichte auf ein Happy End, in dem Yuji glücklich wird, seinen Weg zu sich selbst findet und sich selbst verwirklichen und akzeptieren kann, so wie er ist. Allerdings fürchte ich, da die Geschichte bis jetzt sehr realistisch konzipiert ist (und mit Hinsicht auf die Zeit, in der der Manga spielt), dass ein glückliches Ende für alle Charaktere, die wir kennenlernen, so nicht möglich ist.
There is no Future in this Love ist ein Manga, den ich nur empfehlen kann zu lesen, egal, ob man direkt von der Thematik betroffen ist oder nicht. Denn es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen und darüber zu lernen. Und es ist noch viel wichtiger, die Darstellung von LGBTQIA+ Charakteren zu normalisieren und sie nicht nur als notwendige Nebencharaktere oder sexualisierte Akteure einzubauen.
von Vanessa Pohl
Beitragsbild: Vanessa Pohl