Das Stück “Stummes Land” von Thomas Freyer setzt sich mit Deutschland post-1945 auseinander, das nicht so “antifaschistisch” ist, wie es sich gibt.

Der kleine Saal des Gostner Hoftheaters ist komplett gefüllt. Als sich das Publikum zu Beginn des Stücks in seinen Sitzen niederlässt, ist hier und da gespanntes Geflüster zu vernehmen. Eines ist klar: „es wird politisch“, aber sonst scheint es allen schwerzufallen, sich eine Vorstellung zu machen von dem was uns wirklich erwartet.

Im Fokus stehen die vier Protagonist:innen Daniel (Richard Henschel), Esther (Rebecca Kirchmann), Laura (Christin Wehner) und Soska (Matthias Eberle). Sie gehören der Nachwende-Generation an, wuchsen damals in der DDR auf und nach vielen Jahren kommt es nun zu einem großen heiteren Wiedersehen. Sie scheinen alle recht gut im Leben zu stehen, sind finanziell abgesichert, sozial engagiert, politisch liberal und wirken alle aufgeklärt. Doch die Stimmung schwenkt schnell um und wir bekommen einen Einblick in die heimlichen Vorurteile und den unterdrückten Rassismus der Protagonist:innen, welche sich so sicher gewägt hatten, dass die Vergangenheit hinter ihnen liegt und das Deutschland, das sie in Erinnerung haben, doch ein antifaschistisches und „unschuldiges“ war.

Die Darsteller:innen (v.l. Richard Henschel, Christin Wehner, Rebecca Kirchmann, Matthias Eberle) (Foto: Susanne Ullerich)

Das Publikum betrachtet das Spiel durch eine Art metallenen Kasten, welcher an einen alten Fernseherapparat erinnern könnte. Im Hintergrund wärmt ein dunkleres Orange die Szene auf. Durch das verwendete Wellblech lässt sich auch ein Grill oder eine Sauna assoziieren, welche die Protagonist:innen zusehends ins Schwitzen bringen. Die Schauspieler:innen sind komplett in weiß gekleidet und Requisiten sind das auf ein Minimum reduziert oder so gut wie gar nicht vorhanden.

Das Stück ist in zwei Akte geteilt. Im ersten Akt entpacken die Protagonist:innen im Gespräch ihre Ängste und versteckten Vorurteile. Dabei ist die Unterhaltung oft stark verkünstelt und überzeichnet. Die Körper verhalten sich widersprüchlich zum Gesagten. So sehen sich die Protagonist:innen oft nicht an, wenn sie miteinander reden, oder rennen in Panik durch den Raum, während sie beschwichtigend betonen, dass sie völlig ruhig und entspannt seien.

Das Bühnenbild im zweiten Akt (Foto: Susanne Ullerich).

Im zweiten Akt wird es zusehends lauter und hektischer. Das Bühnenbild verändert sich, die Schauspieler:innen treten nach vorne und der Raum wird nach hinten geschlossen. Sie schlüpfen nun in unterschiedlichste Charaktere, um das Trauma und die Absurditäten der Nachkriegszeit zu verkörpern. Die Schauspieler:innen dienen hier als Projektionsfläche und gestalten das minimalistische Bühnenbild dynamisch und lebendig, welches nun im roten Licht eher an ein Schlachthaus erinnert.

Ab einem bestimmten Punkt wirkte das Publikum durch das viele Schreien, Singen, das Lichtspiel, das Stampfen der Protagonist:innen sichtlich erschöpft und überstimuliert. Eine Dame zur meiner rechten hielt sich die Ohren zu.

V.l.: Richard Henschel, Rebecca Kirchmann, Christin Wehner, Matthias Eberle (Foto: Susanne Ullerich).

Trotz wiederkehrender Orientierungslosigkeit und Überstimulation hat mich die schauspielerische Leistung sehr beeindruckt. Die Schauspieler;innen, ebenso wie das Spiel mit Licht und Projektion, meistern es Widersprüche hervorzuheben und starke Bilder zu entwerfen. Das Stück ist trotz seiner minimalistischen Stilmittel so stark mit Details und Anspielungen angereichert, dass es sich sogar sicher lohnen würde, es sich noch ein zweites Mal anzuschauen.

„Stummes Land“ von Thomas Freyer

am Gostner Hoftheater

Mit: Matthias Eberle, Richard Henschel, Rebecca Kirchmann, Christin Wehner

Regie: Frank Siebenschuh

Bühne & Kostüme: Jörg Zysik

Termine und Tickets findet ihr hier. Für Studierende gibt es am Gostner Hoftheater ein Studi-Special: mittwochs und donnerstags gibt es für Eigenproduktionen wie “Stummes Land” zwei Karten zum Preis von einer.

von Nancy Hein

Beitragsbild & Bilder im Text: Susanne Ullerich