Rezension zu: „und alle tiere rufen: dieser titel rettet die welt auch nicht mehr (monkey gone to heaven) – ein requiemmanifesto of extinction“ von Thomas Köck
Es ist zu spät. Der Tipping Point liegt bereits hinter uns. Drauf macht das etwa 75 Minuten lange Monodrama in der Garage des Erlanger Markgrafentheaters aufmerksam. Doch „das hier ist kein Theaterstück,“ erklärt der Protagonist am Anfang von und alle tiere rufen: dieser titel rettet die welt auch nicht mehr (monkey gone to heaven), ein requiemmanifesto of extinction von Thomas Köck. Die Premiere am Abend des 29. Aprils war bis auf ein paar Restplätze ausverkauft.
Der Protagonist, von Hermann Große-Berg gespielt, erklärt auf der Bühne in aller Ausführlichkeit, wie die Menschen, vor allem aber die Europäer, die Welt zerstört haben: von der Ausrottung verschiedener Tierarten über das Hinterlassen von Feinstaub und Plastik bis hin zur Erderwärmung – das von Eike Hannemann inszenierte Stück will aber „nicht informieren,“ sondern „will zu nahetreten,“ „alle vor den Kopf stoßen.“ Es will aufzeigen, dass der Tipping Point schon längst hinter uns liegt, und hinterfragen, warum wir trotzdem weitermachen. „Why did we choose extinction?“
Das Bühnenbild wirkt eindrucksvoll, obwohl es leidglich aus einem Podest, vielen Bildschirmen, die immer wieder verschiedenes aufzeigen und so den roten Faden des Stückes untermalen, und einem Drucker, der gegen Ende des Stücks wie in einer Endlosschleife Listen der bereits ausgestorbenen Tierarten druckt, besteht.
Teilweise kühl und nüchtern, später verzweifelt, enttäuscht und wütend erzählt der Protagonist durch einen Durchbruch der vierten Wand – anfangs noch durch eine Plexiglasscheibe realisiert, die später weggetragen wird – von „Erinnerungen an Dinge, die es nie gegeben haben wird.“
Während den Zuschauenden immer wieder erklärt wird, was „das hier“ nicht sei – nämlich weder Theater, Kultur, die Welt, noch das Wirtschaftssystem oder das Leben – werden bildliche Beschreibungen von längst zerstörten Lebensräumen und ausgestorbenen Tierarten erzählt. Es herrscht eine große Nähe zum und Fokus auf die Zuschauenden, fast, als würden sie für die Menschheit in diesem „Wirtschaftssystem“ stehen.
„Das hier“ ist mal ein Tier, das Stück, die Welt, oder eine Vorstellung von Orten und Tierarten. Mit simpler musikalischer Untermalung ist „das hier“ mal ein Ton, der ein Bild von einem Ort mit unberührter Natur in Afrika malt. Und „das hier“ dann ein Ton, der die Ankunft weißer Siedler darstellt. „Das hier“ wiederholt sich immer und immer wieder, wie die Fehler der Menschheit. Da hilft auch die angestrebte „Nachhaltigkeit“ in der Politik nicht mehr.
Wer ein „Gute-Laune-Stück“ für den Freitagabend sucht, ist hier sicher falsch. Hier wird man frontal mit den Problemen der Welt, der Menschheit, der Vergangenheit und der Zukunft konfrontiert. Gerade darum ist dieses Stück aber so wichtig. Wir können nicht mehr wegsehen. Das Stück macht klar: wie die ausgestorbenen Tiere werden auch wir, die Menschheit, und damit auch du und ich, jedes Individuum, ausgestorben sein.
“und alle tiere rufen: dieser titel rettet die welt auch nicht mehr”, ein requiemmanifesto of extinction von Thomas Köck
am Theater Erlangen
Regie: Eike Hannemann
Bühne, Kostüme & Video: Birgit Stoessel
Musik: Matthias Herrmann
Dramaturgie: Udo Eidinger
Besetzung: Hermann Große-Berg
Termine und Tickets findet ihr hier.
von Emilia Grasme
Beitragsbilder: Pressefotos Theater Erlangen, Kontaktperson: Doreen Urbanczyk