Happy Birthday Egon Schiele! Der Geburtstag des österreichischen Künstlers jährt sich heute am 12. Juni 2022 zum 132. Mal!

Früher lebte der Künstler in Armut in seiner Heimat Wien, heute erzielen seine Werke auf Auktionen Preise in Millionenhöhe.

Zu Lebzeiten wurde er der Pornographie und Sittenwidrigkeit bezichtigt, heute werden seine Aktzeichnungen in Museen weltweit ausgestellt.

Kaum ein anderer Künstler hat es geschafft, sich post mortem so zu einer Ikone des Wiener Jugendstils zu entwickeln. Er brachte in einer Zeitspanne von lediglich circa 10 Jahren über 3000 Werke auf Papier und malte circa 300 Gemälde. 

Der österreichische Maler wird 1890 geboren und findet schon früh zur Kunst. Im Jugendalter besucht er in Wien die Kunstgewerbeschule und wechselt anschließend auf die Wiener Kunstakademie. Allerdings widersprachen die konservativen akademischen Lehren seiner Vorstellung von Kunst und er verließ die Akademie. Schiele wurde kurz darauf zum Anführer und Sprecher einer Generation von jungen Künstler*innen und wendete sich vom Altbekannten ab. Seine lebenslängliche Freundschaft mit seinem Mentor und Künstler Gustav Klimt beeinflussten seine Kunst. Klimt distanzierte sich ebenfalls früh von klassischen Vorstellungen und entwickelte seine eigene Richtung. Über Klimt lernt Schiele auch seine langjährige Muse Wally Neuzil kennen, welche er in zahlreichen Werken verewigt.

Egon Schieles Leben war von Skandalen durchzogen. Seine Kunst führte schon früh zu Aufregung in der Wiener Gesellschaft. So zeigen schon seine ersten Werke eine seiner minderjährigen Schwestern, unbekleidet und in erotischer Pose. 1912 wurde Schiele, aufgrund des Verdachts von sexuellen Übergriffen auf eine Minderjährige, verurteilt. Allerdings stellte sich die ganze Szenerie als ein Missverständnis heraus. Das Mädchen wurde lediglich von Schiele und Wally für drei Tage bei ihnen aufgenommen, da sie von ihrem Elternhaus weggelaufen ist.

Die Kunst Schieles veränderte sich jedoch nach diesem Vorfall. Er malte weniger Aktzeichnungen und fokussierte sich mehr auf die Darstellung seines Selbst und seiner Muse Wally.

1918 stirbt Egon Schiele wie zahlreiche andere an der Spanischen Grippe. Er wird lediglich 28 Jahre alt.

Egon Schiele: Schiele, ein Aktmodell vor dem Spiegel zeichnend. 1920, Wien, Albertina.

Schiele gilt heute als einer der frühesten Vertreter des aufkommenden österreichischen Expressionismus. Seine Kunst ging gegen Tradition und veraltete Werte und Normen und wand sich zur Hässlichkeit, zur puren Emotion hin. Die ausgeprägte Gestik und Mimik der Figuren seiner Werke bilden die Wirklichkeit ab und stellen ihre reinen Gefühle zur Schau.

Im Zentrum seiner Kunst steht außerdem die Reflexion seiner eigenen Existenz. In zahlreichen Selbstportraits können wir heute den Werdegang seiner Psyche betrachten. Einschneidende Erlebnisse seines Lebens spiegelt er in seinen Portraits wider und zeichnet sich einmal in bunten Farben und mit heiterem Ausdruck, und Jahre später mit zerfurchtem Gesicht und dunklen Farben.

Bei Schiele finden sich zahlreiche Analogien zur Realität des Wienerlebens zu Beginn des 20. Jahrhundert. In Wien florierte die Entwicklung der Psychologie, des Theaters oder der Literatur. Psychologen wie Sigmund Freud thematisierten in ihren Werken das Wesen der Menschen und analysierten deren Selbstverständnis. Künstler wie Oskar Kokoschka zentrierten viele ihrer Werke ebenfalls auf die Frage nach dem Selbst.

Schiele war Voyeur. Seine Werke zeigen sich selbst und andere in intimen Situationen. Er bricht damalig vorherrschende Tabus und zeigt in seinen Werken Masturbation, Homosexualität und die reinste Form der sexuellen Lust. Schieles Kunst will provozieren. Sie ist ein Spiegel der damaligen Gesellschaft und stellt einige der geheimen Sehnsüchte der Menschen dar.

Doch Schiele erhielt nie die, meiner Meinung nach, verdiente Anerkennung. Wahrscheinlich war seine Kunst zu revolutionär, zu echt, zu schonungslos. Schiele beugte sich nicht dem Ideal und der Konformität. Er drückte sich visuell durch seine Kunst aus und brachte sein eigenes Innenleben so pointiert auf den Punkt, dass seine Bilder nicht einfach nur reines Anschauungsmaterial bieten, sondern zum Nachdenken anregen.

Die menschliche Psyche ist vielschichtig und differenziert und lässt sich nicht in Schwarz oder Weiß einteilen. Schiele erkannte dies und zeigte es offen in seinen Werken.

Egon Schiele umgeben viele Kontroversen und schadende Gerüchte. Zugegebenermaßen, in der heutigen Gesellschaft wäre er aufgrund seiner Aktzeichnungen minderjähriger Mädchen schon längst als pädophil und als Verbreiter von Kinderpornographie deklariert. Und auch ich, als bekennender Schiele Fan, bin sehr vorsichtig, ihn gänzlich wertfrei zu betrachten. Jedoch ist es meiner Meinung nach möglich, seine Kunst und sein künstlerischen Geniegeist separat von seinem damaligen negativen Ruf zu betrachten und sein Werk als reine Form der Selbstdarstellung zu würdigen.

Zu sehen sind Schieles Werke hauptsächlich im Leopold Museum und im Belvedere in Wien.

von Carlotta Leitner

Titelbild: Egon Schiele: Selbstbildnis mit herabgezogenem Augenlied. 1910. Wien, Albertina.