Unsere Autorin Carlotta hat sich bei der diesjährigen Bergkirchweih freiwillig als Helferin beim Safe Space für Frauen* engagiert. Wie wichtig es war, dass dieser eingerichtet wurde, lest ihr hier.

„Wieso braucht es auf dem Berg eine Anlaufstelle für Frauen*? Wir sind doch alle ganz lieb, wir sind keine Vergewaltiger. Scheiß Feministenschlampen!“

Ja, wieso braucht es auf der Bergkirchweih einen Safe Space für Frauen*, wenn doch alle ganz lieb sind und ja sowieso alle auf Konsens achten.

Vielleicht, weil es allein 2019 auf dem Berg vier angezeigte Vergewaltigungen an Frauen* gab. Oder vielleicht, weil Kommentare von Frauen* wie „das hätte ich vor zwei Tagen gebraucht“ oder „ich fühle mich allein durch eure Anwesenheit schon sicherer“, keine Seltenheit waren. Oder vielleicht weil Männer* (nicht alle) immer noch denken es sei lustig, uns Frauen* als Feministenschlampen zu bezeichnen. Eine Frage, welche mir beim oben zitierten Kommentar eines Bergbesuchers kam: „Bist du die letzten 10 Tage mal draußen gewesen?“

Uns Frauen* werden Sachen von einer Regierung verboten, die primär aus Männern* besteht. Frauen* mussten jahrhundertelang für ihre Rechte kämpfen, konnten vor etwas mehr als 100 Jahren noch nicht mal wählen, geschweige denn ein freies Leben führen. Also ist die Frage, warum es einen Safe Space für Frauen* gibt absolut unzulässig. Denn wenn wir Frauen* die gleichen Freiheiten und Privilegien wie Männer* hätten und einfach sorglos auf den Berg gehen könnten, dann ja, bräuchte es keinen exklusiven Safe Space.

Ich bin zugezogen. Ich komme nicht aus der Erlanger Region und hatte bis vor drei Monaten noch keine Ahnung, was eine „Bergkirchweih“ ist. Beim ersten Hören dachte ich, es ist wieder was Religiöses aus Bayern. Beim zweiten Mal hören dachte ich, es ist einfach ein normales Volksfest und aus irgendeinem Grund DAS EREIGNIS in Erlangen. Beim dritten Mal hören bekam ich dann schon allerlei Tipps mit, wie man sich auf dem Berg als Frau* schützen kann. Immer eine Hose unterm Dirndl tragen, die Bauchtasche unter der Schürze aufbewahren, nie allein nachhause gehen und bloß immer auf das Getränk aufpassen. Erst bei weiteren Gesprächen hörte ich das Positive des Bergs: die Stimmung, das Essen, die Musik und das Zusammensein.

Beim ersten Nachschlagen des Begriffs „Bergkirchweih“ gelangte ich allerdings bereits nach wenigen Treffern auf Zeitungsartikel, welche von zahlreichen sexuellen Übergriffen auf dem Berg berichteten.

Als mir dann meine Freundin Eva auch noch eine Anzeige des Frauennotrufs schickte, welche ehrenamtliche Mitarbeiter*innen für den neuen Safe Space für Frauen* auf dem Berg suchten, war ich gänzlich davon überzeugt, dass Berg als Frau* eher so semi-geil ist.

Durch meine Anmeldung als Mitarbeiterin wollte ich mich zum einen bereit zeigen, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen, zum anderen aber auch aktiv auf meine ersten Eindrücke reagieren und etwas dagegen tun.

Bevor wir unseren ersten Einsatz auf dem Berg hatten, absolvierten alle Freiwilligen einen dreitätigen Vorbereitungskurs vollgeladen mit allerlei Infos zu den Themen rund um Feminismus, Selbstbehauptung, Selbstliebe und verschiedenen Verteidigungstechniken. Wir alle waren extrem aufgeregt vor unserer ersten Schicht. Niemand wusste so genau, was einen erwartet und wie die Leute auf uns reagieren werden. Ich hatte Angst vor Beleidigungen oder Ablehnung und sogar vor körperlicher Gewalt. Aber der Safe Space war nicht nur ein sicherer Ort für die Bergbesucher*innen sondern auch ein Ort für uns Mitarbeiter*innen. Die festangestellten Frauen* vom Frauennotruf Erlangen schafften im Gemeindehaus eine entspannte und ruhige Atmosphäre und boten durch ihre liebenswürdige und kompetente Art einen Rückzugsort für uns alle. Über Ängste und Sorgen wurde immer sofort geredet und die meisten Bedenken konnten mir bereits vor meiner ersten Schicht genommen werden.

Die Aufgaben im Safe Space waren an sich recht klar. In den ersten Bergtagen ging es vor allem um Werbung, Werbung, Werbung. In Dreiergruppen verteilten wir Taschentücher mit der Nummer und Adresse des Safe Spaces und erzählten so vielen Leuten wie möglich von der Aktion. Im Laufe der Tage nahmen dann immer mehr Frauen* die Hilfe des Safe Spaces in Anspruch und wir kümmerten uns um allerlei Anliegen wie seelische Unterstützung nach unschönen Erlebnissen oder auch einfach nur das Anbieten einer Wasserflasche und einem offenen Ohr.

Die Mehrheit der Reaktionen war wunderbar. So viele Gesichter erhellten sich, wenn wir vom Safe Space erzählten, und viele drückten ihre Dankbarkeit in lieben Worten aus. Gerade die etwas jüngeren Frauen* waren ganz begeistert und wollten alles über das Projekt wissen. Und einige der Frauen*, welche direkt zu uns in den Safe Space gekommen sind, vertrauten uns und erzählten uns ihre Geschichten.

Natürlich gab es auch andere Reaktionen. „Feministenschlampen“ habe ich selbst abbekommen, anderen Mitarbeiter*innen wurden Kommentare wie „das ficke ich schon aus euch heraus“ oder „die Taschentücher benutze ich nachher zum Wichsen“, hinterhergerufen. Und auch die oft aufkommende Frage, warum es nichts für Männer* gibt, hörten wir. Natürlich eine berechtigte Frage. Auch Männer* verdienen es zu wissen, dass es einen geschützten Ort gibt, an den sie hinkommen können, wenn ihnen etwas Schlimmes auf dem Berg passiert.

 Aber der Frauennotruf Erlangen ist für Frauen* von Frauen*. Der Safe Space wurde von Frauen* aufgebaut und organisiert. Er wird von feministischen Werten getragen.

Aber niemand, absolut niemand verbietet es denn Männern* etwas ähnliches auch für sich aufzubauen. Also vielleicht sollten sie sich eher die Frage stellen, warum sie nichts dafür tun, sich selbst einen Safe Space zu schaffen anstatt Frauen* schon wieder was verbieten zu wollen.

Der Safe Space wird vom Frauennotruf Erlangen geleitet. Der Frauennotruf Erlangen ist eine Beratungsstelle für Mädchen und Frauen* mit Gewalterfahrung und hat ihren Hauptsitz mitten in der Erlanger Innenstadt. An den Frauennotruf wenden können sich Mädchen und Frauen*, welche selbst von sexueller Gewalt betroffen sind aber auch das zugehörige Umfeld, wie unterstützende Elternteile oder Freund*innen.

Hier findet ihr nochmal die Kontaktdaten des Frauennotrufs Erlangen:

NOTRUF e. V.

Hauptstr. 33; 91054 Erlangen

Telefon: 09131 – 20 97 20

Telefonzeiten:

Mo-Do: 12:00 – 14:00 Uhr

Fr:         09:00 – 11:00 Uhr

von Carlotta Leitner

Beitragsbild: Nina Eichenmüller