“Hässlich” wirft einen Blick darauf, warum wir so sind, wie wir sind, und was prägt, wie wir die Welt wahrnehmen.
Wie prägt uns unsere Familie? Wer hat eigentlich das Sagen? Wer hat recht? Und warum eigentlich? Wissen es die Erwachsenen wirklich oft so viel besser? „Hässlich“ rückt die Wahrnehmung und Perspektive von Kindern ins Rampenlicht. Nachdem die Mutter zu einem vielversprechenden Tinder – Date aufbricht, sind die beiden Geschwister auf sich allein gestellt. Sie lernen einen Jungen kennen. Fett und hässlich ist er angeblich. Aber was heißt das eigentlich?
Zu Beginn des Stücks wird das Publikum sofort abgeholt und in den Bann gezogen. Das Bühnenbild ist minimalistisch, offenbart aber schnell kreative Vielseitigkeit. Die Darsteller:Innen sind von der ersten Minute überzeugend und können nur ins Herz geschlossen werden. Dass die Kinder von Erwachsenen gespielt werden, hat eine verstärkende Wirkung, die stilistisch exzellent in die Konzeptidee des Stücks passt.
Der kleine Bruder, im Superheldenkostüm, wird beispielsweise von Thomas Witte gespielt. Der dadurch hervorgehobene Kontrast lässt daran erinnern, dass in jedem von uns ein Kind steckt oder zumindest mal gesteckt hat. Jeder Charakter schafft es den Zuschauer:Innen einen Blick in die ganz eigene Innenwelt zu geben, die sich oft doch sehr klar von denen der anderen unterscheidet. Im Verlaufe der Geschichte wird klar, dass das was „hässlich“ zu sein scheint für jeden anders aussehen kann.
Und doch wird auch thematisiert, dass es andersherum ganz klare Vorstellungen zu geben scheint von dem was „schön“ und „normal“ ist. Die Frustration, die Angst, die Einsamkeit und die Scham, die mit den folgenden Ausgrenzungen einhergehen, halten uns das eigentlich Hässliche unserer Gesellschaft vor Augen. Das Hässliche in dem Schönen zu finden und das Schöne in dem Hässlichen scheint eine alltägliche Herausforderung.
Die Schwere dieser Themen wurde mit einem gekonnten und provozierenden Humor aufgegriffen, der nie daran scheiterte, das ganze Publikum zum Lachen zu bringen. Wer schreckhaft ist, bereitet sich lieber auf einige Jumpscares vor.
Wer Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren hat, wird sich hier gesehen und verstanden fühlen. Gerade deshalb, da ich auch jetzt noch an einige Szenen zurückdenken muss, die mir wirklich stark im Gedächtnis geblieben sind, kann ich „Hässlich“ von Helwig Arenz nur weiterempfehlen.
“Hässlich” von Helwig Arenz
Mit: Barbara Seifert, Daniele Veterale, Christin Wehner, Thomas Witte
Regie: Jan Holtappels
Bühne & Kostüme: Jörg Zysik
Premiere: 06. Juli 2022
Altersempfehlung: ab 11 Jahren
Spielort(e): Hubertussaal
von Nancy Hein
Beitragsbild & Bilder im Text: Christian Vittinghoff