Natalie, Felix und Dimilne führten im Rahmen des Erlanger Poetik-Kollegs mit der Autorin Eva Menasse ein spannendes Interview über ihren neuesten Roman “Dunkelblum” und den Schreibprozess als solchen.

Am 23. und 24. Juli 2022 fand das Erlanger Poetik-Kolleg mit Gastpoetin Eva Menasse statt. Eva Menasse, 1970 in Wien geboren, ist freie Schriftstellerin, Publizistin und ehemalige Journalistin. Seit 2005 lebt sie in Berlin. Ihr Werk umfasst Romane, Kurzgeschichten, Erzählungen und Essays. Es wurde mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt, darunter der Gerty-Spies und der Heinrich-Böll-Preis (beide 2013). Eva Menasse ist zudem gesellschaftspolitisch engagiert und zusammen mit Deniz Yücel die Sprecherin des am 10. Juni 2022 gegründeten PEN Berlin. Das Erlanger Poetik-Kolleg wird seit 2009 veranstaltet von den Lehrstühlen des Departments für Germanistik und Komparatistik in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Literatur und Kultur der Gegenwart. Im Kolleg ergibt sich die Möglichkeit, die von den Gastpoet*innen vorgeschlagenen Texte „autor*innenah“ zu diskutieren und den kulturhistorischen Horizont zu erweitern.

Interview mit Eva Menasse im Rahmen des Poetikkollegs der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 28.07.2022, Interviewer: Natalie Diga, Felix Schels, Dimilne Koubodena

Wir unterhalten uns heute mit Eva Menasse. Die Österreicherin ist eine der meist gelesenen Autor*innen im deutschsprachigen Raum. Wir sprechen mit ihr über ihren neuesten Roman Dunkelblum, der 2021 erschienen ist. „Wir”, das sind Natalie Diga, Felix Schels und Dimilne Koubodena.

Wie sich das so gehört, würde ich gerne mit dem Titel starten. Viele Ihrer Werke tragen kurze, prägnante Titel, die doch ein Element der Irritation aufweisen, so zum Beispiel Ihr Buch Lässliche Todsünden. Auch der Titel Ihres neuesten Romans Dunkelblum könnte wohl so beschrieben werden. Wie passen die beiden Motive, die dieser Titel vereint – die Blume und die Dunkelheit – zusammen? Und warum stehen sie namensgebend für den Roman und dessen fiktiven Handlungsort?

Naja, das überlegt man sich nicht so konkret, sondern man findet ein Wort oder einen Namen wie „Dunkelblum“ und denkt: Der ist aber schön, der würde gut passen und hat einen metaphorischen Rückraum. Das Dunkle und die Blumen sprechen jeden sofort an. Das sind einfach Fundstücke, die man arrangiert. Es ist also alles weniger Ratio gesteuert als emotional. Da kommt einem etwas unter und man denkt: Für mich hat das Wort „Dunkelblum“ etwas dunkelrot Samtiges wie eine Stoffblume. Dann wählt man das Wort aus, guckt, ob es passt, und wenn man es länger als Titel benutzt hat, lässt man es stehen – also kein Geheimnis und auch keine besonders große schlaue Theorie dahinter.

Zum Inhalt: Im Hintergrund des Romans steht das Massaker von Rechnitz im März ‘45, an das Sie die Handlung Ihres Romans anlehnen. Dieses ist im kulturellen Gedächtnis Österreichs relativ gut verankert. Im Jahr 2008 wurde beispielsweise Elfriede Jelineks Theaterstück zu diesem Ereignis uraufgeführt. Wann und aus welchen Gründen haben Sie sich dazu entschieden, dieses Thema literarisch aufarbeiten zu wollen? Warum gerade jetzt?

Ich habe mich eigentlich nicht dazu entschieden, das Thema hat mich gefunden. Ich habe mich einfach verbissen in eine Recherche. Wenn ich auf der Suche nach einem neuen Roman oder Thema bin, blättere ich durch Bücher in einem ganz freien Sinn. So bin ich auf das mir alt bekannte Thema Rechnitz gestoßen, habe aber dann gemerkt, wie wenig ich darüber weiß. Ich wusste nicht, warum dort überhaupt Zwangsarbeiter waren, ich wusste nicht, dass es in dieser Gegend schon vorher traditionell viele Juden gegeben hat. So habe ich begonnen, mich in das ganze Thema erst einmal hineinzulesen. Mit dem Reinlesen ist die Geschichte schon irgendwie entstanden. Also es sind eigentlich eher Zufälligkeiten. Ich glaube, dass kein Schriftsteller sich vornimmt, das „Thema XY“ zu beackern oder die „Botschaft Z“ zu vermitteln mit der Geschichte, die er erzählt, sondern dass es sich um Geschichten handelt, die erzählt werden wollen und die sich einem in den Weg stellen.

An anderer Stelle haben Sie betont, dass Dunkelblum kein „Rechnitz-Roman” und auch kein historischer Roman sei. Stattdessen bezeichneten Sie Dunkelblum als eine „paradigmatische Menschheitsgeschichte”[1]. Dunkelblum als Paradigma der Menschheits-Geschichte – könnten Sie diesen Gedanken näher erläutern?

Das war in einem Interview. Ich hätte das nicht so hochtrabend gesagt, wenn ich geschrieben hätte. Das ist das Problem von Interviews: Man sagt irgendetwas, das dann in die Welt getragen wird. Speziell dieser Begriff hat sich so bombastisch eingegraben. Was ich gemeint habe, war, dass ein Roman nie nur diese eine Geschichte erzählen will, sondern immer etwas, das darüber hinauswirkt – etwas, das für andere Ort und andere Gruppen auch möglich oder typisch wäre oder verbindlich ist. Das allgemein Menschliche zu transzendieren, dafür schreibt man Romane. Dunkelblum ist daher kein Roman für Rechnitz: Ein Rechnitz-Roman würde ja nur die Rechnitzer*innen interessieren. Dunkelblum ist außerdem kein Rechnitz-Roman, weil ich sehr viel drum herum recherchiert habe und andere Ereignisse aus der ganzen Gegend im österreichischen Burgendland eingeflossen sind in das fiktive Dunkelblum. Es handelt sich hierbei um Teile der Geschichte, Details, Fakten, gruppendynamische Prozesse, die in Wirklichkeit nicht in Rechnitz, sondern in einem der anderen, vielen anderen, Orten in der Umgebung stattgefunden haben, wo leider sehr viele Massaker zu dieser Zeit vorgekommen sind.

Würden Sie auch die Aussage revidieren, dass Dunkelblum kein historischer Roman ist oder sehen Sie das schon so?

Nein, ich sehe Dunkelblum schon als einen historischen Roman. Dafür müssen wir definieren, was ein historischer Roman ist: Ein historischer Roman versucht, in die Zeit und in die Begebenheiten einer bestimmten historischen Epoche einzudringen und sie sozusagen „aus sich heraus zu erklären“, die Verhaltensweisen der Menschen aus der Logik der Zeit heraus zu beschreiben. Das ist, glaube ich, wirklich ein Versuch, den ich zumindest angestellt habe mit Dunkelblum. Ob er gelungen ist, weiß ich nicht. So gesehen würde ich immer sagen, dass Dunkelblum ein historischer Roman ist – also auch ein historischer Roman.

„Auch ein historischer Roman“, sagen Sie. Es gibt sehr viele fiktive Elemente und zahleiche, die historisch akkurat dargestellt wurden. Können Sie etwas näher beschreiben, wie dieser Prozess abgelaufen ist? Was war Ihnen wichtig, historisch akkurat darzustellen und wo haben Sie sich kreative Freiräume genommen?

Ja, das kann ich an Beispielen beschreiben. Es gibt zum Beispiel ein paar Stellen mit Nazi-Sprache. In dem Fernseh-Interview, das der Charakter des Ferbenz ganz am Schluss gibt, handelt es sich um akkurate Sätze. So etwas würde ich nie erfinden. Sie stammen aus Interviews mit eminenten Nazis, die nach dem Krieg gemacht worden sind. In diesem Fall ist es sogar ein Interview, das das historische Vorbild der Figur Ferbenz, also der „echte Ferbenz“, im Fernsehen gegeben hat. Ich würde keine Szenen ausfabulieren wollen, die in KZs oder in vergleichbaren Situationen spielen. Deshalb kommt das Massengrab und das Massaker selbst immer nur sehr am Rande, sehr vermittelt vor. Die kreative Freiheit besteht in dem Roman eigentlich darin, dass ich all diese historischen Fakten in einen von mir erfundenen Rahmen gestellt habe. Dieser Rahmen heißt: Dunkelblum. Der Rahmen besteht aus persönlichen Zusammenhängen: Ich habe hier den echten „Ferbenz-Nazi“ genommen, der einen anderen Namen hatte, von dort den echten „Horka-Nazi“, und von da einen Arzt, der einen Ort betreut seit 1933, also von Anfang an bis zum Massaker dabei war – auch so einen Arzt hat es gegeben. Ich „stopfe“ sie alle in das von mir erfundene fiktive Dunkelblum hinein, aber die Sachen an sich stimmen. Um noch ein anderes Beispiel zu geben: Es gibt relativ am Anfang eine Szene mit dem Wehr in der Donau, auf das die Juden getrieben und dort einfach stehen gelassen wurden, im Wasser, die ganze Nacht. Das ist eine historisch akkurate Geschichte, die damals in allen internationalen Zeitungen stand und die Sie relativ leicht im Internet nachlesen können. Dieses Ereignis ist also dokumentiert: Man hat soundsoviele Jüd*innen aus dieser Gegend auf Lastwagen hinauf in den Norden in das Drei-Länder-Dreieck zwischen Österreich, Slowakei und Ungarn getrieben. Dort hat man sie auf diese Buhnen getrieben, die den Flusslauf der Donau regulieren wollen und die es bis heute gibt. Darauf bin ich bei meinen Recherchen immer wieder gestoßen und habe mich immer wieder gefragt: Warum haben die Nazis das gemacht? Was war der Grund dafür? Das ist mir unbegreiflich. Was soll das? Wem will man da was zeigen? Was ist das? Ich habe es bis zuletzt nicht auflösen können, weil es keine vergleichbare Szene in der Geschichte gibt, jedenfalls habe ich keine gefunden. Ich bin, denke ich, zu der Erkenntnis gekommen, dass es einfach reine angewandte Grausamkeit ist, also Sadismus. Ich habe diese Geschichte in den Roman reingenommen, indem ich sie [die Geschichte] den Antal Grün dem Sterkowitz erzählen lasse und ihn [den Antal Grün] dann sagen lasse: Warum? Warum hat man das gemacht? Und es bleibt so stehen. Ich habe mein eigenes Nicht-Begreifen dieser Tat in den Roman reingeschrieben, aber die Szene selbst ist akkurat. Das „Dort-Rein-Basteln“ in einen erfundenen Antal Grün ist meine kreative Leistung in einer gewissen Weise.

Versuchen Sie, durch Ihre kreative Leistung die Leerstellen aufzufüllen, die die Historiographie nicht füllen kann?

Naja, alles Schreiben ist subjektives Sortieren. Wenn Sie Historiker*in sind, lernen Sie das im ersten Semester. Sie nehmen sich ein Thema, was bedeutet, dass sie alle anderen Themen ausschließen. Sie nehmen sich eine Perspektive und schließen viele andere Perspektiven aus. So gibt es eben Zeiten, in denen man über Herrscher und Könige geschrieben hat und Zeiten in den 70er/80er Jahren, in denen man die Gesellschaft von unten betrachten wollte und kollektive soziologische Geschichte geschrieben hat und so weiter. Meine kreative Leistung ist die, diese Geschichten in einer Weise zu verbinden, dass sie für die, die sie lesen, erstens fesselnd und interessant sind und zweitens irgendeine Form von Sinn machen, einen Erklärungsversuch abgeben, würde ich sagen. Aber das weiß ich ja alles beim Schreiben nicht, das ist nur mein Versuch, während ich es tue.

Ich würde gerne noch auf ästhetische Themen zu sprechen kommen. Hat sich Ihr Schreibstil in den letzten Jahren verändert? Dunkelblum liest sich sehr anders als Quasikristalle zum Beispiel. Wie würden Sie das begründen und wie würden Sie Ihren Schreibstil definieren? Machen Sie so etwas (gerne)? Ist es überhaupt möglich, seinen Schreibstil zu definieren?

Ich glaube, ich bemühe mich, mit fortschreitendem Alter immer einfacher zu schreiben. Wenn man jung ist, denkt man, man kommt besonders klug rüber, wenn man sehr kompliziert schreibt, Satzkaskaden entwickelt und sehr abgelegene Adjektive benutzt. Wenn man ein Schreibtalent hat, neigt man umso mehr dazu zu zeigen, was man alles Tolles kann. Dieses sprachliche Pirouettendrehen findet sich bei jungen Autor*innen immer eher als bei älteren. Es zieht sich durch, glaube ich, dass man versucht eindringlicher zu werden und weniger Theater zu machen. Das wird vielleicht sogar für Pianist*innen stimmen oder für Schauspieler*innen, ich weiß es nicht. Das ist etwas, woran ich stärker arbeite. Man wird ja auch besser oder man versteht sich selbst besser. Man lernt das eigene Instrument, das man selbst ist, besser kennen. Ich verstehe, dass manchmal nicht alle meine Assoziationen nachvollzogen werden, die ich beim Schreiben habe. Manchmal ist es lustig, wenn ich etwas assoziiere und nicht alle mitkommen. Aber insgesamt achte ich besser darauf, dass es verständlich bleibt. Mein Schreibstil ist ansonsten, glaube ich, immer ein etwas ironischer. Ich habe immer diesen ironischen Blick, aber der macht mir selbst auch am meisten Spaß als Leserin.

In Dunkelblum herrscht Schweigen. Dass Sie für wörtliche Reden keine Anführungsstriche verwendet haben, erscheint mir wie ein ästhetisches Mittel, um dieses Schweigen noch mehr zu verdeutlichen. Ist das so?

Das habe ich schon in früheren Büchern nicht gemacht.

Ist es dennoch ein ästhetisches Mittel, um beim Leser eine gewisse Haltung zu bewirken oder geschieht ein solcher ästhetischer Eingriff intuitiv?

Mir passiert schon manchmal, dass ich Anführungszeichen setze, aber beim Überarbeiten lösche ich sie wieder. Ich möchte gerne, dass das Gesprochene und das Erzählte mehr ineinanderlaufen. Ich finde, dass das mehr zusammengehört und das ästhetische Mittel der Anführungszeichen diese beiden Ebenen auseinanderzieht. Das kann man wollen und schätzen, aber ich schätze es überhaupt nicht. Bei mir selbst geht das manchmal so durcheinander: Ich sage jetzt etwas zu Ihnen, gleichzeitig denkt mein Kopf auch schon wieder etwas anderes. Ich glaube, ich würde da gerne diesen eher organischen Zusammenhang von Erzählen und Sprechen bewahren. Letztlich ist das eine ästhetische Entscheidung – eine Geschmackssache, müsste man sagen.

In Ihrem Essay „Aus enttäuschter Liebe“ kritisieren Sie die „Mahnmal-Industrie” in Deutschland. Auch wenn diese Praktik des Erinnerns und Ermahnens weit verbreitet ist, erscheint sie Ihnen nicht als die richtige. Inwiefern bricht Dunkelblum mit dieser Mahnmal-Tradition?

Mich interessieren die echten Geschichten der echten Menschen mehr. Ich habe immer das Gefühl, sobald man ein Mahnmal hinstellt, ist die Sache erledigt. Ein Mahnmal ist das Ende einer Debatte und nicht der Anfang außer es wird ästhetisch angefeindet, wie das ja heute oft passiert. Ich bin so geschichtensüchtig. Ich glaube, dass das die meisten Menschen sind. Wenn ich irgendwo etwas sehe, ein Haus oder ähnliches, will ich gleich die Geschichte hören und möchte mir vorstellen, wie es dort früher war. Jede Gedenktafel stoppt eigentlich diesen offenen Prozess. Ich sage nicht, dass es keine Gedenktafeln geben soll, aber ich finde, das hat etwas Starres. Das ist eigentlich alles.

Also würden Sie einen eher kreativen Umgang mit der Vergangenheit befürworten?

Es gibt keine abschließende Antwort darauf. In Rechnitz, also im wirklichen Rechnitz, gibt es ein Mahnmal mit mehreren Erklärtafeln über die Geschichte des Massakers und der ungarischen Zwangsarbeiter*innen, die dort waren. Die letzte Tafel ist leer. Das finde ich eine sehr schöne Geste, weil die Geschichte nicht abgeschlossen ist, solange man das Massengrab nicht gefunden hat. Ich finde, Mahnmale haben schon einen Sinn, aber sie müssen offen bleiben auf irgendeine Weise. Sie müssen immer die Möglichkeit beinhalten, dass man an ihnen noch etwas machen kann, noch etwas ergänzen kann. Genau dieses Ergänzen mit der leeren Tafel in Rechnitz finde ich schön. Aber wie gesagt, es gibt keine generelle Handlungsanweisung, wie man ein Mahnmal gestalten sollte.

Viele Autor*innen waren und sind zurückhaltend, was öffentliche Aussagen zu ihren Werken und vor allem deren Interpretation angeht. Ist dies der Fall bei Ihnen?

Nein, ich bin eigentlich immer ganz offen. Ich beantworte die Fragen, die man mir stellt, auch weil ich nicht verstehe, was das Geheimnis daran sein soll. Ich habe das Gefühl, dass manche darüber schweigen, weil sie sich eine „geheimnisvolle Aura des/der Schriftsteller*in“ geben wollen. Ich erzähle alles. Ich erzähle, wie ich arbeite und woher ich meine Inspiration habe. Aber deshalb kann es ja trotzdem niemand nachmachen, weil es ein Transformationsprozess in meinem persönlichen und sehr spezifischen Kopf ist.

Wie würden Sie Ihren Umgang mit den Medien in Bezug auf ihr Werk beschreiben?

Wie ich schon sagte, ich beantworte treuherzig alle Fragen, die man mir stellt. Ab und und zu ist das nicht gut wie in diesem Fall mit der „paradigmatischen Menschheitsgeschichte“. Ich glaube, meine Strategie beim nächsten Roman wird sein, vorher nicht mehr so viele Interviews zu geben. Wenn das Buch erscheint, ist es falsch, Interviews zu geben, weil die Leute sich das Buch dann einfach von dem/der Autor*in erklären lassen wollen und das halte ich nicht für richtig. Ich habe es dazu geschrieben, damit sie es lesen. Ich habe mich dieses Mal wirklich geärgert, dass viele Zeitungen keine Kritiken geschrieben haben, sondern Interviews angefragt haben. Ich habe sie alle gegeben, aber zum Teil kamen danach bösartig aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von mir zurück. Ich glaube, das mache ich nächstes Mal nicht mehr. Insofern werde ich meine Medienstrategie überdenken.

Wie wichtig ist es Ihnen, durch Interviews oder Lesungen ein bestimmtes Bild von Ihren Büchern zu vermitteln?

Das kann ich schwer beantworten. Ich habe noch nie das Gefühl gehabt, dass ein Buch von mir völlig falsch aufgenommen worden wäre und ich dann in die Öffentlichkeit hätte gehen müssen, um das zu korrigieren. Ich mache die Lesungen und die Diskussionen, die sich im Anschluss an Lesungen ergeben, eigentlich aus Service für die Leser*innen. Die Leute, die an solchen Anlässen kommen, mögen mich als Autorin ja meistens schon oder haben das Buch gemocht oder kennen ein früheres Buch von mir und sind jetzt neugierig, was das neue zu bieten hat. Das heißt, ich treffe bei Lesungen und den Diskussionen, die sich daran anschließen, nicht auf ein kritisches oder feindseliges Publikum, dem ich was zurechtrücken müsste.

Wie geht es weiter nach Dunkelblum?

Das würde ich auch gerne wissen. Ich weiß es nie. Ich brauche immer Pause. Ich muss andere Texte schreiben, Essays, Artikel (mit Artikeln ist jetzt mal gut), aber Essays, und vielleicht eine Erzählung. Ich muss wieder in eine Freiheit kommen. Im Moment bin ich noch sehr besetzt von Dunkelblum, weil ich noch so viele Lesungen damit habe und immer noch viel darüber reden muss. Irgendwann geht das aber langsam weg und dann werde ich einfach wieder in die Bibliothek gehen und schauen, welche Stoffe ich dort finde. Der Stoff generiert ja dann auch die Form. Am Ende geht es darum, dass ich wie ein Angler einen Fisch an den Haken bekomme, der sich lohnt. Sie müssen bedenken: Mit einem Roman verbringt man mehrere Jahre. Das heißt, man sollte sich den Stoff gut aussuchen. Diese Phase ist jetzt noch weit entfernt von mir. Ich kann mir im Moment überhaupt nichts ausdenken, außer dass ich jetzt gerne einen Essay schreiben würde, aber keine Zeit habe. Heute hat den ganzen Tag das Telefon geklingelt!

Vielen Dank für Ihre tollen Antworten!

Sehr gerne, hat mir echt total Spaß gemacht!

[1] Eva Menasse im Gespräch mit Frank Meyer: Ein Massaker als Leerstelle. In: Deutschlandfunk Kultur (18.08.2021). [zuletzt eingesehen am 10.08.2022].

von Natalie Diga, Felix Schels und Dimilne Koubodena