Konzeptuell sehr clever, streckenweise spaßig, streckenweise anstrengend – so fasst unsere Autorin die Premiere von „Menschen im Hotel“ zusammen.

„Vielleicht gibt es gar keine ganzen Schicksale“, so oder so ähnlich lautet einer der ersten Sätze, der an diesem Abend gesprochen wird. Und so, wie es keine definierten Anfänge und Enden gibt (im Leben wie auf der Bühne) treffen die Charaktere in kurzen Szenen, Dialogfetzen und Andeutungen aufeinander.

Preysing, der Generaldirektor des Hotels, in dem die titelgebenden Menschen einander begegnen, steht kurz vor einem wichtigen Businessdeal und ist daher mächtig nervös. Sein ehemaliger Buchhalter Herr Kringelein ist schwerkrank, wird bald sterben, und will daher noch einmal so richtig auf den Putz hauen. Leider kennt er sich mit Amusements nicht aus, ist schüchtern und wenig welterfahren. So ist er natürlich erleichtert, den Lebemann und hoch verschuldeten Baron von Gaigern zu treffen, der ihm zeigt, wie das geht, das „sich amüsieren“. Die Primaballerina Grusinskaja ist die angeschlagene Diva schlechthin, die sich auch von ihrer Gesellschafterin nicht aus ihrer Schaffenskrise zurück auf die Bühne locken lassen will. Doktor Otternschlag ist kriegsversehrt und die Sekretärin Flamm, bisweilen auch Flämmchen genannt, wäre lieber Filmstar als für Korrespondenzen verantwortlich. Ihrer aller Geschichten kreuzen und verweben sich im Laufe des Abends auf unerwartete Weise.

V.l.: Greta Lindermuth, Thomas Witte, Helwig Arenz, Johanna Steinhauser (Foto: Kurt Preinl).

Das Gesamtkonzept ist clever. Die Charaktere werden von allen vier Darstellenden abwechselnd gespielt. Erkennbar bleiben sie dadurch durch bestimmte körperliche und sprachliche Eigenheiten. So wirft sich etwa Baron von Gaigern alle paar Sätze einen (unsichtbaren) langen Schal über die Schulter, und Doktor Otternschlag ist mit einem (unsichtbaren) steifen Holzbein und einem (unsichtbaren) Glasauge versehen, welches er ständig poliert. Requisiten gibt es keine, dafür werden Telefone, Füller und Cocktailgläser teils mit vollem Körpereinsatz gemimt. Die zwei riesengroßen aufblasbaren und manchmal schwer zu manövrierenden Flamingos, die das Bühnenbild darstellen, dienen je nach Anordnung unter anderem als Hotelzimmer, Tanzlokal oder Konferenzraum. In Kombination führen diese drei Aspekte zu einiger glänzender Körperkomik. Die Schwebe zwischen Ganz und Halb, zwischen unfertig und beendet, schicksalshaft und zufällig, spiegelt sich auch im Kostüm, das sich halb-halb aus einem Smoking und einem Pyjama zusammensetzt. Untermalt wird das Geschehen auf der Bühne gelegentlich mit Jazz und Swing, wie etwa den Andrews Sisters oder Dean Martin.

Ein schmieriger Typ (hier: Thomas Witte) erinnert den Baron von Gaigern (hier: Johanna Steinhauser) daran, dass er bei ihm Schulden hat (Foto: Kurt Preinl).

An manchen Punkten treten die Darstellenden bewusst (und witziger- und/oder irritierenderweise) aus ihren Rollen, spielen scheinbar Impro-Spiele, deren Regeln dem Publikum unbekannt sind oder sich den Zuschauenden indirekt erschließen, um sich die Rollen zuzuweisen. Manchmal ist die Kommunikation außerhalb der Rollen auch nötig, etwa um die Flamingos zu koordinieren, was beim Zuschauen Spaß machen oder auch ermüdend sein kann.

Dieser Inszenierung zu folgen, macht streckenweise viel Spaß und ist streckenweise anstrengend. Trotz der klar gewählten Charakteristika der Figuren ist es punktuell schwierig, nachzuverfolgen, was gerade warum passiert. Die Puzzleteile fügen sich nicht immer direkt zu hundert Prozent aneinander. Der Höhepunkt etwa geht unter, ist nicht gleich als solcher erkennbar, und das Ende tritt abrupter ein als erwartet. Wie auch der Einsatz der Flamingos ist es manchmal klug und manchmal umständlich, mal genial und mal unpraktisch wie die Geschichte erzählt wird.

Wie bezeichnend also für die hier erzählten Schicksale, die nie so wirklich ganz definiert nur eine Sache sind, nicht wahr?

“Menschen im Hotel” von Vicki Baum

am Gostner Hoftheater

Regie: Laurent Gröflin

Bühne & Kostüm: Jörg Zysik

Dramaturgie: Christine Haas

Besetzung: Helwig Arenz, Greta Lindermuth, Johanna Steinhauser, Thomas Witte

Termine & Tickets findet ihr hier.

von Svenja Plannerer

Beitragsbild & Bilder im Text: Kurt Preinl