Der oberpfälzer Grantler ist ein zurückgezogener Misanthrop – oder? Unsere Autorin Anna kommt aus der Oberpfalz und dröselt auf, was hinter dem Stereotyp steckt!

Eines der bekanntesten Klischees unserer Region ist das des „oberpfälzer Grantlers“. Doch was genau steckt eigentlich hinter diesem Begriff? Und befindet sich hinter diesem Klischee nicht vielleicht doch ein Funken Wahrheit?

Sehen wir uns zunächst einmal die Begriffsdefinition etwas genauer an. Der sogenannte Grantler leitet sich von dem bayerischen Adjektiv grantig ab, was so viel bedeutet wie mürrisch bzw. schlecht gelaunt. Aber Obacht! Verwechselt werden darf dies auf gar keinen Fall mit dem ebenfalls aus dem Bayerischen stammenden und sozial negativ konnotierten Grattler. Laut dem allgemeinen Verständnis gilt der oberpfälzer Grantler demnach als mürrischer Mensch, welcher die meiste Zeit des Tages damit verbringt vor sich „hinzugranteln“. Interessanterweise scheint sich das Vorkommen der Grantlerspezies lediglich auf die Oberpfalz zu beschränken. Was natürlich einleuchtend ist, da die ländliche Abgeschiedenheit die Bewohner nur allzu sehr dazu einlädt eine weltfremde und verbitterte Sichtweise zu entwickeln.

Nur wenige Dinge bereiten ihm Spaß und auch der Umgang mit seinen Mitmenschen geht ihm gewaltig gegen den Strich. Doch dafür kann er nichts, da es ja schließlich immer die Anderen sind, die allein durch ihre bloße Anwesenheit seine Gelassenheit durcheinanderbringen. Daher tritt er als eher wortkarger Mensch auf, dessen Smalltalk-Fähigkeiten sich meist auf ein schlichtes Servus oder Kennst mi nou? beschränken. Am liebsten verbringt der Oberpfälzer seine Zeit allein – oder zu besonderen Anlässen notfalls mit der Familie – in den eigenen vier Wänden.

Verlässt er doch einmal sein Dorf und unternimmt einen Tagesausflug in die Großstadt seiner Wahl (meistens Regensburg), so sehnt er sich sofort wieder nach seinem trauten Heim. Denn das hektische Treiben des Stadtlebens ist ihm bereits in Kleinstädten zu anstrengend. Mürrisch schleicht er für den Rest des Tages durch die Straßen und wirft den fremden Passanten skeptische Blicke zu. Am Abend kehrt er endlich in sein Heimatdorf zurück und jammert – mit dem geliebten Zoigl vor sich – seinen Stammtischfreunden vor, wie furchtbar der Ausflug doch gewesen sei.

Neben Stadtmenschen und „der Jugend von heute“ gibt es für den Grantler noch einen weiteren Menschenschlag, über den er niemals müde wird zu granteln. Und zwar geht es hier um jeden, der nicht in der Oberpfalz lebt. Um ehrlich zu sein, handelt es sich in der Regel auch nur um Bewohner der angrenzenden Bezirke, da der Oberpfälzer nur sehr ungern und daher selten vereist. Aus diesem Grund gibt es – wenn überhaupt – nur Kontakt zu den benachbarten Franken, Nieder- und Oberbayern. Vor allem mit den Franken kommt er nur wenig zurecht. Zugegebermaßen liegt das auch zum Teil an der vorherrschenden Sprachbarriere. So fällt es dem Franken durch die zahlreichen ou-Laute nicht gerade leicht den Oberpfälzer und dessen regelrechtes „Bellen“ zu verstehen. Um seine Scham darüber zu überspielen, verhält sich der Oberpfälzer umso ablehnender und feindlicher ihm gegenüber.

Doch auch Hergezogene (auch bekannt als Zuogreiste) sind ihm suspekt. Kommt ein Neuer ins Dorf, so wird dieser zunächst skeptisch beäugt und ist so manchen Gerüchten ausgesetzt. Der ohnehin schon stark ausgeprägte Dialekt wird nun absichtlich auf die Spitze getrieben, so dass der Zugezogene überhaupt nichts mehr von dem Gesagten verstehen kann. Der oberpfälzer Grantler akzeptiert nur sehr schwer Veränderungen in seinem Umfeld. Doch ist die kritische Phase des vorsichtigen Abwartens erst einmal vorbei, wird der Neuankömmling kameradschaftlich in die Gemeinschaft mit aufgenommen.

An dieser Stelle sei anzumerken, dass der Grantler freilich nur das ist, als was er anfangs bereits bezeichnet worden ist. Ein Klischee. Eben solche Klischees bzw. satirische Darstellungen können zwar – rein theoretisch – einen wahren Ursprung haben, müssen das aber nicht. Die hier veranschaulichten Erkennungsmerkmale sind lediglich Stereotype und treffen keinesfalls auf die Bewohner der Oberpfalz zu. Zumindest nicht auf die meisten…

Als kurze Antwort auf meine Anfangsfrage bleibt nur noch Folgendes zu sagen. Ja, es gibt Grantler in der Oberpfalz. Aber – und sind wir doch mal ehrlich – gibt es solche nicht auch in jeder anderen Region?

von Anna Baldauf

Beitragsbild: pixabay (Alexas_Fotos)