Der Name Simone de Beauvoir geht im Schatten ihres Partners Jean-Paul Sartre oft unter – unsere Autorin Lina scheint daher am heutigen Geburtstag der Schriftstellerin, Philosophin und Feministin ein Spotlight auf sie.
Das erste Mal habe ich ihren Namen mit 18 Jahren gelesen – zugegeben etwas unbeholfen, denn ich konnte Simone de Beauvoir nicht in Verbindung mit anderen, mir bekannten Philosoph*innen und Denker*innen bringen. Auch in der Schule hatte ich nie etwas über sie oder den Existenzialismus, welcher Hand in Hand mit ihrer Person zu gehen scheint, gehört.
Daraufhin googelte ich – beschäftigte mich mit ihr und den existenzialistischen Grundsätzen, und verfing mich hoffnungslos in einer philosophischen Denkweise, die mich bis heute begeistert.
Ich las: Eigentliche Schöpferin des Existenzialismus, Pionierin des Feminismus und Schriftstellerin, die sich mit den literarischen Themen der Freiheit, Menschenrechte und insbesondere der Emanzipation auseinandersetzte – und doch größtenteils im Schatten der Aufmerksamkeit, wenn ich mir die fragenden Gesichter meiner Freund*innen ins Gedächtnis rufe, sobald ich ihren Namen ausspreche. Noch nie gehört. Wer ist das?
Tja, wer ist Simone de Beauvoir?
Das Leben der existenzialistischen Ikone
Am 9. Januar 1908 wurde Simone (Lucie Ernestine Marie Bertrand) de Beauvoir in Paris geboren. Von ihren Eltern, dem Anwalt George de Beauvoir und der Bibliothekarin Françoise de Beauvoir, erhielt sie eine streng katholische Erziehung. Aus diesem Grund besuchte sie zwischen 1913 und 1925 das katholischen Mädcheninstitut Cours Désir in Paris.
Anschließend begann de Beauvoir ihr Studium und widmete sich ab 1926 einem Philosophiestudium an der Pariser Sorbonne – noch unwissend, welch großen Stellenwert die Philosophie in ihrem zukünftigen Leben einnehmen würde.
1929 lernte Simone de Beauvoir dann Jean-Paul Sartre kennen – dies markierte den Beginn einer der bekanntesten und für das öffentliche Auge interessantesten Beziehungen. Denn ihr Beziehungskonzept war zu dieser Zeit von gänzlich anderer Natur: Sie beschlossen eine dauerhafte Verbindung, in welcher trotzdem Unabhängigkeit und Gleichberechtigung gegenüber dem jeweils anderen existierten.
Die darauffolgenden Jahre ihres Lebens verbrachte de Beauvoir zumeist als Lehrerin der Philosophie oder in ihrem Stammcafé Café Flore am Boulevard St. Germain-des-Prés, wo sie sich mit Sartre, sowie anderen existenzialistischen Denkern wie Albert Camus oder auch Pablo Picasso traf.
Ab 1943 veröffentlichte de Beauvoir ihre eigenen Werke, angefangen mit „L’Invitée“ (Sie kam und blieb). Während sie über die nächsten Jahrzehnte politische sowie historische Schriften veröffentlichte, reiste sie viel, ging Verhältnisse mit anderen Denkern und Schriftstellern ein und setzte sich politisch ein – so unterschrieb sie beispielsweise eine öffentliche Erklärung, um für das Abtreibungsgesetz in Frankreich zu kämpfen: „J’ai avorté“ (Ich habe abgetrieben).
1974 wurde sie Präsidentin der „Liga für Frauenrechte“ in Frankreich – ein Posten, der ihre Bedeutung für die Emanzipation deutlich unterstreicht. Zudem erhielt sie kurz darauf eine Auszeichnung, um ihre literarische Größe hervorzuheben.
1980 verstarb dann ihr Lebensgefährte Jean-Paul Sartre – ein schwerer Schicksalsschlag, welcher sie jedoch nicht aus der Bahnwarf : Denn de Beauvoir veröffentlichte weiterhin und adoptierte Sylvie Le Bon.
Am 14. April 1986 folgte Simone de Beauvoir ihrem Geliebten Jean-Paul Sartre in den Tod – sie wurde neben ihm auf dem Pariser Friedhof Montparnasse beigesetzt.
„Der Mensch ist frei geboren“
Simone de Beauvoir setzte sich mit Fragen bezüglich der menschlichen Existenz auseinander und spann daraus, gemeinsam mit ihrem Geliebten und Lebensgefährten, Jean-Paul Sartre, eine philosophische Denkweise: den Existenzialismus.
Oftmals werden mit dieser Philosophie in Cafés sitzende, intellektuell gekleidete, rauchende Persönlichkeiten assoziiert – und um nicht zu vergessen, sich sexuell frei auslebende und moralisch freizügige Personen. Ein oberflächliches Klischeebild, denn der Existenzialismus bietet weitaus mehr, als sofort verurteilende Augen zu erfassen vermögen: Grundsätze, die nichts als prägend waren (und noch immer sind), denn sie erschufen eine französische, philosophische Strömung.
Laut des Existenzialismus, wie de Beauvoir und Sartre ihn konzipierten, ist jeder Mensch frei und hat aus diesem Grund die Aufgabe, aktiv das eigene Leben mit Sinn zu füllen. Dabei orientiert er sich an selbstgewählten Werten und gibt sich somit selbst Bedeutung.
In ihren bekannten Werken, wie Das andere Geschlecht oder Die Mandarins von Paris, entwirft Simone de Beauvoir eben diese Ethik und setzte sie in Verbindung mit nahestehenden Themen: der Rolle der Frau, der Suche nach dem persönlichen Glück, und vielen mehr.
Wie Jean-Paul Sartre und Albert Camus gehört Simone de Beauvoir zum Kanon des Existenzialismus – wieso aber steht sie im Schatten, während ihre männlichen Kollegen im Licht der Aufmerksamkeit baden?
Die Bedeutung von Simone de Beauvoirs Persönlichkeit
Während der Wikipedia-Beitrag zum Existenzialismus Albert Camus oder Jean-Paul Sartre ganze Texte zu ihrer philosophischen Denkweise und ihren Tätigkeiten widmet, behandeln nur vier Zeilen Simone de Beauvoirs Schaffen. Wieso scheint sie lediglich hinter ihren Kollegen zu stehen, anstatt Schulter an Schulter, in einer Reihe? Wieso reagieren meine Freund*innen mit Stirnrunzeln, wenn ich „Simone de Beauvoir“ sage, jedoch mit wissendem Nicken, wenn der Name „Jean-Paul Sartre“ fällt? Ist es überspitzt, de Beauvoir als feministische Ikone und Mit-Schöpferin des Existenzialismus zu betiteln?
Nein, absolut nicht. Simone de Beauvoir hat mit ihren veröffentlichten Schriften revolutionäre Ansätze verbreitet und Großes geleistet im Hinblick auf Feminismus, Emanzipation und Freiheit. Auch wenn ihr Tun in das zeitliche Spektrum des letzten Jahrhunderts fällt, kann man ihrer Persönlichkeit keinesfalls die Wichtigkeit für die gegenwärtige Zeit absprechen – denn noch heute ist sie ein großes Vorbild für Frauen, ob jung oder alt. Sie vollbrachte Großes, was keinesfalls vergessen werden darf, und vor allem an diesem bestimmten Tag in Erinnerung treten sollte… In diesem Sinne: Happy Birthday, Simone de Beauvoir!
von Lina Lueb
Beitragsbild: ullstein Bild, Roger-Viollet/Jack Nisberg