Wenzel Winzers zweites Rechercheprojekt beschäftigt sich mit der Allgegenwärtigkeit des Todes aus verschiedensten Perspektiven und kombiniert dabei berührende und humorvolle Momente.

Der Tod, personifiziert von Annette Büschelberger, hier mit Totenkopfmaske (Foto: Konrad Fersterer).

„Es liegt ganz bei euch, wie ihr mich seht. Ich bin allgegenwärtig, doch ihr kneift die Augen zu“ – so der Tod zum Publikum. Personifiziert durch Annette Büschelberger spricht er immer direkt zu den Zuschauenden, macht Witze und wirft Bonbons in die Menge. Auftretend in langem Glitzerkleid und rosa Puschel-Ärmeln kommt der Tod nun so gar nicht beängstigend daher – von wegen schwarze Kapuze und gruselige Sense! Die ständige Anwesenheit des Todes macht sich auf der Bühne direkt bemerkbar. Immer wieder taucht er im Hintergrund auf. Verstirbt eine Figur auf der Bühne, wird sie vom Tod durch einen leuchtenden Türrahmen gewiesen und verschwindet beim Klang der „Ladenglocke“.

In seinem zweiten Rechercheprojekt am Staatstheater Nürnberg beleuchtet der Regisseur Wenzel Winzer den Tod, das Trauern und die Bestattung aus unterschiedlichsten Perspektiven. Dafür sprach er vorab mit Menschen, die direkt mit dem Tod konfrontiert sind: trauernde Familienangehörige, medizinisches Personal und auch Menschen, die im Sterben lagen.

Das daraus resultierende Stück besteht aus mehreren kurzen Szenen, in welchen das Thema Tod in unterschiedlicher Weise auftritt. Angehörige wie die trauernde Ehefrau oder der Streit über Ort und Art der Beerdigung der geliebten Tochter kommen vor. Es wird die Geschichte einer krebskranken Mutter erzählt, und die eines Familienvaters, der mit dem Tod um sein Leben spielen will. Der sachliche Blick der Ärzt*innen auf den verletzten Körper oder das Gespräch der abgebrühten Krankenschwestern finden ebenso Einzug in das Stück wie Diskussionen über Nahtoderfahrungen, geschäftstüchtige Bestatter*innen oder kitschige Beileidskarten. Außerdem gibt es ein „Trauer-Monster“, das Zurückgelassene eng in seine Arme schließt.

Durch verschiedene Geschichten und Assoziationen zum Tod schafft Winzer für das Publikum individuelle Identifikationsmöglichkeiten. Durch das große Sammelsurium an Material ist es allerdings manchmal nicht möglich, mehr in die Tiefe zu gehen. Vieles wird nur angerissen. Bei berührenden Momenten, die die Inszenierung durchaus hat, gibt es keine Möglichkeit, Gehörtes und Gesehenes sacken zu lassen. Die einzelnen Episoden werden meist übergangslos voneinander abgelöst.

Adeline Schebesch und Aydın Aydın (Foto: Konrad Fersterer).

Dennoch blickt Winzer mit einer guten Mischung aus berührenden und komischen Szenen, ernsten und lockeren Momenten sowie konkreten Geschichten und metaphorischen Bildern feinfühlig auf das Thema Tod. Dies liegt nicht zuletzt an dem tollen Ensemble, das neben Annette Büschelberger als Tod außerdem Aydın Aydın, Yascha Finn Nolting und Adeline Schebesch einschließt. Ihr Zusammenspiel wirkt harmonisch, sie sind immer gemeinsam auf den Punkt.

Das Ziel von Winzer, mit diesem Stück ein gesellschaftliches Tabuthema zu brechen, bringt der Tod am Ende selbst noch mal auf den Punkt: „Denkt ab und zu mal an mich“.

“Exit – Sterben für Anfänger*innen” von Wenzel Winzer

am Staatstheater Nürnberg

Regie: Wenzel Winzer

Bühne & Kostüm: Lena Scheerer

Dramaturgie: Sabrina Bohl

Lichtdesign: Wolfgang Köper

Besetzung: Aydın Aydın, Annette Büschelberger, Yascha Finn Nolting, Adeline Schebesch

Dauer: 1 Stunde 45 Minuten

von Stella Bratenstein

Beitragsbild & Bilder im Text: Konrad Fersterer