Studenten beraten Flüchtlinge in Rechtsfragen, Fachwissen in Jura reicht dabei alleine nicht aus.
Es sind kleine Trecks, die die Seitenstreifen der Autobahnen im deutsch-österreichischen Grenzgebiet füllen. Es sind Menschen in vollgestopften Zügen, die langsam in München einrollen und die unter dem Geleitschutz der Polizeibeamten mit tosendem Applaus und Brezen empfangen werden. Es ist aber auch der geifernde Hass derer, die vor Flüchtlingsheimen zu vermeintlicher Selbstjustiz greifen. Und das Bild des toten Jungen an einem türkischen Strand, das Wasser ebenso seicht wie in unseren Mittelmeerurlauben. Der Krieg, das Elend, die Armut sind bei uns angekommen. Nicht nur an den Bahnhöfen und improvisierten Unterkünften, sondern in unseren Herzen und Köpfen. Was tun? Helfen! Tausende Ehrenamtliche packen im Moment mit an, versorgen, helfen, kümmern sich. Mittel und Wege sind dabei vielfältig – einen besonderen hat die Refugee Law Clinic Erlangen-Nuremberg eingeschlagen.
Der Name verrät bereits einiges: In der Refugee Law Clinic beraten Jurastudierende Flüchtlinge – die Idee ist nicht neu, aber aktueller denn je. Seit 2009 in Gießen die erste Refugee Law Clinic nach amerikanischem Vorbild gegründet wurde, folgten viele deutsche Unis diesem Beispiel. Nun hat sich auch bei uns eine solche Initiative gegründet.
Initiatorin war Franziska Oehm, die mittlerweile außerdem Erste Vorsitzende der Law Clinic ist. „Schon seit langer Zeit und wegen vieler persönlicher Erfahrungen habe ich darüber nachgedacht, wie man helfen kann. Aber irgendwie wollte ich das Helfen auch gerne mit etwas verbinden, das ich gut kann – in einem Bereich, in dem man spezialisiert ist“, sagt sie, die an ihr erstes Staatsexamen momentan noch einen Doktortitel in Jura dranhängt. „Als mir im letzten Sommer eine Freundin aus Köln von der dort bestehenden Law Clinic erzählte, war ich sofort begeistert und wollte das Projekt unbedingt nach Erlangen holen.“
Nachdem der verwaltungstechnische Aufwand der Vereinsgründung geschafft war, sind die Studierenden seit gut zwei Monaten in Aktion und führen ihre wöchentliche Sprechstunde durch. Zusammengearbeitet wird bei Organisation und Bewältigung der ausgesuchten Aufgabe mit der Ehrenamtlichen Flüchtlingsinitiative Erlangen (EFIE), welche sich um die Verbreitung des Angebots kümmert. Die angehenden Juristen holen sich auch Unterstützung von Anwälten, die auf Migrationsrecht spezialisiert sind und ihre Expertise weitergeben.
Beherzte Hilfe im Paragraphendschungel
Das Konzept ist dabei recht simpel. Jurastudierende geben Asylbewerbern ehrenamtlich Rechtsberatung. Konkret geht es dabei um die Anhörung vor einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das Herzstück eines jeden Asylverfahrens. Der Asylsuchende ist aufgefordert, seine Lebens- bzw. Fluchtgeschichte zu schildern, ausführlich und streng chronologisch. Vorbereitung ist hier sehr wichtig – die Ehrenamtlichen der Refugee Law Clinic greifen den Flüchtlingen an dieser Stelle daher unter die Arme. Sie erklären die Anforderungen, die rechtliche Situation und die Mühlen deutscher Bürokratie und gehen mit den Menschen ihre Geschichte durch.
Neben den Kenntnissen im Asyl- und Ausländerrecht sind dabei auch Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gefragt. „Viele Menschen haben sich, denke ich, in ihrem bisherigen Leben schon öfter den Falschen anvertraut oder kennen aus ihren Herkunftsländern Repression und Verrat und sind deshalb erst mal skeptisch“, meint Franziska Oehm. Wichtig sei natürlich auch, ob man sich sympathisch sei. Das, was die Jurastudierenden dann erfahren, geht oft an die Nieren. „Es sind meist sehr schlimme Geschichten. Immer steht ein tragisches Ereignis im Mittelpunkt. Jeder der Menschen, die wir bisher kennengelernt haben, hat etwas Schlimmes erlebt, das ihn zur Flucht bewegt hat. Bisher war niemand dabei, der einfach ‚neugierig‘ war und sich deshalb auf den Weg gemacht hat.“
„Man schlüpft dann in eine andere Rolle“
Die gesamte Beratung geschieht im Lichte des Rechts – es gibt dabei keine Tipps, was man für einen günstigen Ausgang des Verfahrens sagen solle. Objektivität ist daher ein wichtiges Prinzip des Vereins. „Man schlüpft dann in eine andere Rolle und betrachtet den Fall aus einer anderen Perspektive“, erklärt Franziska Oehm. „Nur nach der Beratungsstunde muss man die Lebensschicksale erst einmal verdauen und das kann man natürlich nicht mit Distanz und Objektivität tun.“ Die Mitglieder der Refugee Law Clinic verstehen sich dabei auch in der aktuellen politischen Debatte nicht als Aktivisten, betont die Vorsitzende: „Die Refugee Law Clinic ist ein unpolitischer Verein, jedoch soll das Bewusstsein jedes Mitgliedes für die aktuelle Situation geschärft und das Wissen zur derzeitigen Rechtslage erlangt werden. Und dieses Wissen kann dann im politischen Diskurs wiederum nur von Nutzen sein.“
von Charlotte Jawurek