Eine der hartnäckigsten Krankheiten ist das Fernweh. Die Veranstalter des Fernweh Festivals wollen möglichst viele Leute damit infizieren: Hier treffen sich Weltenbummler und solche, die es werden wollen, und zelebrieren die Sehnsucht nach dem Reisen.

 

Alles erinnert ein bisschen an die Ersti-Begrüßung: Man ist wieder in der Heinrich-Lades-Halle, lange Schlangen vor dem Eingang, drinnen ganz viele Stände und noch mehr Menschen. In meiner Hand halte ich allerdings keine Einladung zur Ersti-Begrüßung, sondern eine Eintrittskarte fürs Fernweh-Festival – genauer gesagt zum Südamerika-Vortrag von Heiko Beyer.

Mein erster Gedanke: Das Festival macht seinem Namen alle Ehre. Denn bevor meine Freundin und ich überhaupt in den großen Saal gelangen, müssen wir uns den Weg durch ein psychologisch höchst geschicktes Labyrinth aus Messeständen bahnen. Man fühlt sich wie auf einem Basar, der große Unterschied ist, dass es hier keine Marktschreier gibt, es braucht sie gar nicht: Die Leute gehen von selbst zu den Ständen.

Hier kann man sündhaft teure Kameras, Schlauchboote, Outdoor-Kleidung, Zelte und vor allem Reisen kaufen. Als wir es geschafft haben, das Labyrinth zu durchlaufen, ohne dabei ein Boot zu kaufen (Check!) stehen wir vor dem Saal. Es ist ein bisschen schwierig, seine Eintrittskarte samt Studentenausweis vorzuzeigen, wenn man die Arme voller Prospekte, Postkarten und Katalogen von mindestens vier unterschiedlichen Reisebüros zu wenigstens 20 Ländern hat, aber es klappt.

Im Inneren suchen wir uns natürlich gleich die besten Plätze, nämlich auf der Tribüne, zweite Reihe. Der Saal ist brechend voll, die Leinwand ist wohl die größte, die ich je gesehen habe. Das Ganze ist lauter und größer und alles in allem krasser als Kino. Das merke ich spätestens, als ich bei der Jack-Wolfskin-Werbung beginne, sentimental zu werden. Dabei hats ja noch gar nicht angefangen.

Die einzige Möglichkeit, das Fernweh zu heilen: Einfach in einen Flieger steigen. Foto: Hannah Schabert
Die einzige Möglichkeit, das Fernweh zu heilen: Einfach in einen Flieger steigen. Foto: Hannah Schabert

Von Lamas, Gauchos und den Anden

Irgendwann steht da dieser Heiko Beyer auf der Bühne, aber er fällt kaum auf, die Leinwand ist ja so groß. Stattdessen lassen wir uns von seiner Stimme berieseln und starren einigermaßen sehnsuchtsvoll auf die atemberaubenden Bilder von Rio de Janeiro, die uns präsentiert werden. Unterlegt sind sie natürlich mit ziemlich heroischer Musik. Ich sollte dazu sagen, dass Heiko Beyer berufsmäßig Fotojournalist ist, die Qualität der Aufnahmen ist also bombastisch.

Und so sitzen wir da und lauschen diesen Geschichten, die eher Lagerfeuercharakter haben: Wie er mit seiner ADAC-Karte eine Journalisten-Lizenz für den Karneval in Rio bekommen hat, in Chile in eine Gletscherspalte gefallen ist, mit den brasilianischen Smaragdsuchern in den Minen war, mit bolivianischen Schamanen Rituale vollzogen hat und in den peruanischen Anden festsaß. Heiko Beyer geht bei seinen Reisen und Betrachtungen weniger auf die Städte und klassischen Sehenswürdigkeiten ein, ihm sind die einfachen Menschen und ihre Lebensweisen wichtig. Dabei kommt die unglaubliche Schönheit Südamerikas auf keinen Fall zu kurz.

Es gibt immer wieder Redepausen, in denen das Publikum mit sich selbst und den Fotos oder Videos, die immer mit passender Musik untermalt sind, alleine gelassen wird. Und dann muss man sich Fragen stellen wie: Warum habe ich so etwas nicht schon längst gemacht? Warum sitze ich überhaupt noch hier? Wann, wenn nicht jetzt? Würde sich ein Lama in meiner Wohnung wohl fühlen? Und so weiter. Als wir den Saal verlassen, unterhalten wir uns über das Auswandern. Dann wieder: das Messe-Labyrinth. Die zweite Chance, das Boot doch noch zu kaufen. Stattdessen nehme ich nochmal übertrieben viele Südamerika-Flyer mit. Und Flyer von Indien. Und von Südostasien. Denn tolle Bekanntschaften und unbezahlbare Erfahrungen kann man überall machen.

Die Weisheiten des Abends:

Fernweh ist keine Krankheit.

Lamas sind Kamele.

Wenn du Reisen willst: Machs einfach!

 

von Hannah Schabert