Als ich in London war, lernte ich nicht nur Vivienne Westwood kennen, sondern auch die Grenzen meines eigenen Konsumverhaltens. Was das mit LaFee und einem Ohrring zu tun hat, erfahrt ihr meiner Kolumne “Meine Meinung”!

Meine Freunde sind es leid, sich ständig meine Meinung zu jeglichen Themen anhören zu müssen. Selbst, wenn ich von einem Thema überzeugt bin, beginnt mein Hirn – sobald ich ein Argument ausgesprochen habe – mit dem Suchen und Finden von Gegenargumenten, die meine eigene Meinung außer Kraft setzen. Hin und wieder gelingt es mir dann aber dennoch, nicht nur meinen Kopf zum Rauchen zu bringen, sondern ebenfalls eine fundierte und – wie ich finde – grandiose Meinung zu entwickeln, an der ihr nun monatlich in dieser Kolumne teilhaben dürft. Herzlichen Glückwunsch dazu!

 

Fangen wir diese Kolumne doch mit einer kleinen, witzigen Anekdote an: Als trendiger pubertierender Fünftklässler trug ich nicht nur (bei Deichmann in der billigen Version gekaufte) Vans, schrieb mit einem dieser bunten ergonomischen Tintenrollern, sondern hörte auch täglich stundenlang LaFee. Im Bus wurde ich einst von einem der Oberstufengruftis als „Opfer der Konsumgesellschaft“ bezeichnet und als weiteren Schlag ins Gesicht wurde die für mich so ergreifende und poetische Musik meines Idols LaFee als „Kommerzscheiße“ bezeichnet. Cool wie ich war, konterte ich mit einem flotten Spruch, um anschließend wieder meiner damaligen Hymne „Heul doch“ zu lauschen.

Heute – gefühlt 20 Jahre später – weiß ich natürlich, dass ich genau das war: ein konsumgesellschaftliches Opfer, welches Kommerzscheiße gehört hat.  Wahrscheinlich auch deshalb stehe ich Konsum mittlerweile um Weiten kritischer gegenüber als damals, bzw. versuche es.  Denn schon Maude sagte 1972: “Man sollte sein Herz nicht an Besitz hängen!“. (Wenn ich euch jetzt fragt wer diese Dame ist, solltet ihr schleunigst „Harold und Maude“ alias den besten Film aller Zeiten anschauen!)

 

Genau das habe ich so gut es geht versucht zu befolgen und meistens auch geschafft. Bis ich Vivienne Westwood in London traf. Kurze Hintergrundinfo: Westwood gilt als die Erfinderin des Punk und ist eine der wichtigsten und exzentrischsten Modeschöpferinnen unseres Zeitalters. Während sie in den 70er Jahren noch mit Punkkrawallen für Skandale sorgte und deshalb verhaftet wurde, ist sie mittlerweile von der Queen zur Dame geadelt worden. Die Krawallzeiten sind also vorbei, doch noch immer lautet ihre Parole: „Buy less, choose well, make it last.“

Im Gegensatz zu LaFee ist Westwood eine Person mit Ecken und Kanten und mit einer langen Geschichte. Ein Symbol für eine ganze Bewegung, also zusammenfassend: ein wahres Idol!  Umso euphorischer war ich, dass mein Plan, sie in London kennenzulernen, geklappt hat und beschloss deshalb, zur Feier des damaligen Tages und als Symbol für dieses für mich weltbewegende Aufeinandertreffen etwas in einem ihrer Läden (die so exorbitant teuer sind, dass sich das „buy less“ für mich sowieso erübrigt) zu kaufen. Meine Wahl fiel auf einen Ohrring für umgerechnet stolze 50€. Ich war mir sicher, ihn bis an mein Lebensende tragen zu werden, schon alleine deshalb, weil Vivi das ebenfalls wollen würde. Ebenfalls sicher war ich mir darüber, dass er bis an mein Lebensende durchhalten würde, bei dem Preis und der Unternehmensphilosophie!

 

Doch der dicke Schleier, der um meine Augen lag, begann sich schon nach einer Woche zu lichten, als das blöde Ding begann abzufärben. So viel also zum Thema „hochwertig“, Frau Westwood!  Ab hier fasse ich mich kurz, denn das Ende der Geschichte ist ziemlich bitter: Die Farbe wurde weniger, der Glanz verblasste, der Stecker verbog und dann der Super-GAU schlechthin: Ich verlor ihn.

Ihn, mein liebstes Besitztum.

Ihn, das Symbol meines Kennenlernens von Westwood. Und dabei hatte ich noch so viele Pläne für uns. Jetzt hinterlässt der Ohrring ein Loch in meinem Ohr, Geldbeutel und Herzen. Aber wenigstens habe ich aus dieser Tragödie gelernt: Man sollte sein Herz nicht an Gegensätze hängen, vor allem nicht an überteuerten Modekram. *

(*Außer ich komme mal wieder nach London und treffe Vivienne).

 

von Christoph Wusaly