Piep – piep – piep – piep – piep

Die Fünftonfolge reißt sie aus ihrem Schlaf.

 

Sofort schießt das Adrenalin in ihre Adern. Sie springt auf, schlüpft in ihre Turnschuhe und rennt zur Wohnungstür. Halt, der Autoschlüssel fehlt, noch einmal zurück. Der Schlüsselbund klappert in ihrer Hand, während sie in Windeseile die Treppe hinunter stürmt. Zur Haustür raus – über die Straße – in das Auto – Motor starten. Sie kennt das Ziel. Das restliche Dorf scheint zu schlafen, während sie durch die Straßen fährt. Vor Aufregung hämmert ihr Herz in der Brust. Noch einmal links abbiegen, dann ist sie da.

Sie stellt ihr Auto als dritte ab. Handbremse – Autotür – über die Straße, nebenbei absperren. Sie ist nicht allein. Das Haus ist hell erleuchtet und es herrscht hektische Betriebsamkeit. Durch die Seitentür hinein, ein freundliches „Servus“ an die Kamerad*innen, während sie zwischen den beiden Feuerwehrfahrzeugen hindurchläuft und die Tür zu ihrem Spind nimmt.

So schnell sie kann, zieht sie ihre Socken an und will in ihre Stiefel springen. Mist, der linke Schaft biegt sich um! Sie hat zu wenig Übung. Mühselig versucht sie in ihren Stiefel zu kommen. Währenddessen kommt eine ihrer Kameradinnen herein und ist schon wieder draußen. Das erste Feuerwehrauto fährt mit Blaulicht und Martinshorn vom Hof. Endlich drin. Sie spannt die Hosenträger über ihre Schultern und schließt den Reißverschluss. Jacke – Reißverschluss – Helm – Handschuhe.

Sie läuft aus ihrem Spind und steigt in das zweite rote Fahrzeug. Neben ihr ihre Kameradin. Mann um Mann füllt sich der Mannschaftsraum. Nun fährt auch das dritte Fahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn vom Platz. Brand in einem Altstadthaus, Person in Gefahr. Das Fahrzeug heizt über die nächtliche Straße. Um sie herum nur Dunkelheit.

Das ist es also. Ihr neues Hobby, ihr neues Leben. Von nun an soll es also zu ihrem Alltag gehören, mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden, um zu helfen.

Die Kamerad*innen im Mannschaftsraum teilen sich in Trupps ein. Sie erreichen den Unglücksort. Der Gruppenführer steigt aus. Keine*r steht auf, bevor sie ihre Anweisung bekommen. In der Zeit, in der sie auf den Gruppenführer warten, betrachtet sie die Szene vor dem Fenster. Feuerwehrfahrzeuge aus dem ganzen Landkreis sind angefahren gekommen. Überall eilen die Männer und Frauen in Schutzanzügen herum, holen Gerätschaften aus den Fahrzeugen oder bringen welche zurück. Blinken von blauen Lichtern.

Der Gruppenführer kommt zurück. Die Truppe hat keine Aufgabe vor Ort. Sie sollen dem Hubschrauber den Landeplatz ausleuchten.

Das Feuerwehrauto setzt sich wieder in Bewegung. Im Mannschaftsraum werden nun die Anweisungen vom Gruppenführer auf die Trupps aufgeteilt. Das Fahrzeug hält erneut an und nun setzt sich die Mannschaft in Bewegung. Rollos werden geöffnet und Ausrüstung entnommen. In Windeseile wird die Beleuchtung aufgestellt. Die Lampen müssen zum Boden ausgerichtet werden, damit die*der Pilot*in nicht geblendet wird. Die Handscheinwerfer werden auf die Personen verteilt, die mit den Standstrahlern einen Ring bilden, in dem der Hubschrauber landen kann.

Stille. Nichts ist zu hören. Sie hört ihr eigenes Herz in ihren Ohren pochen. Ihren raschen Atem. Das Laufen in den Schutzklamotten war anstrengender, als es scheinen mochte. Sie blickt nach links zu einem ihrer Kamerad*innen. Er lächelt sie an und nickt ihr aufmunternd zu. Sie schluckt und lächelt zurück. Ja, sie ist nicht alleine. Sie ist Teil eines Teams.

Der Lärm der Rotorblätter durchbricht die Stille. Alle blicken zum Himmel empor. Langsam senkt sich Christoph herab. Zuerst spürt sie den Wind nur leicht. Doch mit jedem Meter, den der Hubschrauber sich dem Boden nähert, nimmt dieser Wind zu. Sie beginnt, sich gegen den Wind anzulehnen. Er wird stärker und stärker.

Der Kamerad links von ihr geht in die Knie und sie macht es ihm nach. Fasziniert beobachtet sie ihre Umgebung. Der Hubschrauber, wie er sich herabsenkt. Der Wind, gegen den sich ihre Kamerad*innen lehnen und der so über das Gras bläst, dass es aussieht, als würde es in Wellen fließen. Plötzlich wird ihr etwas klar: Sie wird ab nun Dinge sehen, die ihr bis jetzt verborgen gewesen sind. Sie wird vor der Gefahr nicht mehr weglaufen, sie wird auf sie zulaufen. Dieses Hobby wird ihr Leben verändern.

 

Von Nadja Zeitler